Die Bahnhöfe Deutschlands sind nicht nur Knotenpunkte des Reiseverkehrs, sondern auch Schauplätze für unerwartete künstlerische Kreationen. In einer einzigartigen Initiative, den BahnhofBeats, wurden fünf Bands und Künstlerinnen aus über 50 Bewerbungen aus fünf Bundesländern – Thüringen, Baden-Württemberg, Berlin, Sachsen-Anhalt und Bayern – ausgewählt, um mit Hilfe von Soundequipment ungewöhnliche Klänge und Geräusche an Bahnhöfen einzufangen. Diese wurden dann zu Songs verarbeitet, die am 16. Mai auf allen Streamingplattformen veröffentlicht wurden. Doch damit nicht genug: Die Hörerinnen haben nun das Wort und können durch ihr Voting entscheiden, welcher Künstlerin den Titel „Gewinnerin der BahnhofBeats“ tragen darf. Die Voting-Phase läuft bis zum 30. Mai. Um mehr über die Hintergründe dieses spannenden Projekts und die Erfahrungen einer der Teilnehmerinnen zu erfahren, haben wir uns mit der Band Sellout Alley, der Alternative-Funkrock-Quintett aus Erfurt unterhalten. Hier bekommt ihr mehr infos um zum Voting zu gelangen.
Frontstage Magazine: Wie seid ihr auf die BahnhofBeats aufmerksam geworden und was hat euch dazu bewogen, mitzumachen?
Tobi: Wir haben von den BahnhofBeats zum einen durch die Newcomer-Plattform von Local Heroes erfahren, zum anderen durch Freunde in der Musikszene. Die Idee fanden wir sofort spannend. Es war eine tolle Gelegenheit, unsere Musik an einem ungewöhnlichen Ort zu präsentieren und neue kreative Impulse zu erhalten.
Maxi: Für mich waren die Musikvideos der BahnhofBeats aus den letzten Jahren auf jeden Fall einer der Hauptgründe, mitzumachen. Die Möglichkeit, ein professionelles Musikvideo zu drehen, wollten wir uns nicht entgehen lassen!
Frontstage Magazine: Was war euer bisheriges Highlight auf der BahnhofBeats-Reise?
Tobi: Für mich war das definitiv der Moment, als wir unseren fertigen Song im und um den Bahnhof herum für unser Musikvideo performen konnten. Das war ein unglaubliches Gefühl und ein Highlight, das uns lange in Erinnerung bleiben wird. Der Wunsch nach einem eigenen Musikvideo begleitet uns bereits seit Jahren. Durch die Bahnhofbeats wurde nun ein professionelles Setting dafür geschaffen.
Maxi: Der Moment beim Songwriting mit David, als wir gemerkt haben, dass der Song, obwohl er zu dem Zeitpunkt noch sehr unfertig war, auf jeden Fall Ohrwurmpotential hat – das war ein echt geiles Gefühl!
Frontstage Magazine: Wie habt ihr die Aufnahmesession am Bahnhof erlebt? Hat es sich ungewöhnlich angefühlt, an so einem öffentlichen Ort an Musik zu arbeiten?
Tobi: Es war ungewöhnlich, aber auch aufregend. Die Atmosphäre am Bahnhof war inspirierend, und wir haben die Chance genutzt, unseren Sound mit den Geräuschen der Umgebung zu verschmelzen. Dass allein beim Dreh schon so viele Menschen Interesse an unserer Musik zeigten, gab uns auch Mut und Zuversicht, dass wir da an etwas Gutem arbeiten, was die Leute erreichen kann.
Frontstage Magazine: Was war der verrückteste Sound, den ihr bei der BahnhofBeats-Produktion eingefangen haben? Was macht diesen Sound so besonders?
Tobi: Ich finde viele Sounds einzigartig, wobei mir vor allem das Klicken beim Aufmachen eines Regenschirms und das Geräusch beim Ziehen eines Trolleys gefallen haben. Natürlich haben wir auch den Klang eines vorbeifahrenden Zuges eingefangen und ihn in unseren Song integriert. Das hat dem Track eine besondere Dynamik verliehen und hebt ihn von anderen ab.
Maxi: Mein Lieblingssound entstand bei meinem – zugegebenermaßen recht festen – Tritt gegen eine Bahnhofsmülltonne. Der Sound an sich war zwar nicht verrückt, aber die Leute haben uns auf jeden Fall angeschaut, als wären wir nicht ganz bei Sinnen.
Frontstage Magazine: Inwieweit unterschied sich die weitere Arbeit am Song für die BahnhofBeats von einer gewöhnlichen Songwriting- und Recording-Session bei euch?
Tobi: Normalerweise arbeiten wir mehrere Monate an einem Song bevor wir ihn final aufnehmen. Dieses Mal war das anders. Die Arbeit am Song für die BahnhofBeats war viel spontaner und experimenteller. Wir mussten uns auf die Umgebung einlassen und improvisieren, was eine ganz neue Herangehensweise erforderte.
Maxi: Oft kommen bei uns ein oder zwei Leute mit relativ fertigen Ideen in die Probe und stellen ein Songkonstrukt vor. Bei diesem Projekt konnten vom ersten Moment an alle jederzeit an der Entstehung des Songs teilhaben, was echt cool war! Sehr ungewohnt für uns war der Zeitdruck, innerhalb von nur zwei Tagen einen fertigen Song zu schreiben und aufzunehmen.
Frontstage Magazine: Erzählt von eurem Finalsong: Worum geht es, welche Sounds sind darin versteckt und warum hat der Song das Potenzial, bei den BahnhofBeats zu gewinnen?
Maxi: „Always on the run” erzählt vom Stress, immer auf dem Sprung zu sein und nie wirklich zur Ruhe zu kommen. Von diesem Gefühl kann man süchtig werden, oder man will einfach mal ankommen und abschalten.
Tobi: Wir haben verschiedene Sounds aus dem Bahnhof eingefangen und in den Song eingebaut, um eine authentische Atmosphäre zu schaffen. Unser Finalsong bezieht sich auf unsere schnelllebige Welt, in der jede:r immer auf Achse ist und dabei kaum Zeit für die wirklich wichtigen Dinge findet. Ein Thema, mit dem sich wohl viele Menschen identifizieren können. Gleichzeitig ist der Song ein Schrei nach Aufbruch und Veränderung, in dem man einfach Reiselust empfinden kann und sich stetig auf die Suche nach Neuem begibt. Ich glaube, dass dieser Song das Potenzial hat, zu gewinnen, weil er die Essenz der BahnhofBeats perfekt einfängt.
Frontstage Magazine: Was ist euer wertvollstes Learning aus der Teilnahme an den BahnhofBeats 2024?
Maxi: Wir nehmen zum einen die Erfahrung mit, wie man in kurzer Zeit quasi “Songwriting unter Zeitdruck” meistern kann, zum anderen, dass kurze Songs mit einfacher Struktur genauso viel Spaß machen können wie Fünf-Minuten-Bretter mit langen Gitarrensoli.
Tobi: Wir haben gelernt, dass Musik überall entstehen kann, wenn man offen für neue Erfahrungen ist. Die BahnhofBeats haben uns gezeigt, dass man kreativ sein kann, egal wo man ist, und dass wir noch viele neue Türen vor uns haben, die geöffnet werden wollen.
Frontstage Magazine: Spaß steht für euch – neben extrem guter Musik – an erster Stelle. Was ist, abseits der BahnhofBeats, eure bisher liebste Erinnerung als Band?
Tobi: Unsere bisher liebste Erinnerung als Band ist wahrscheinlich unser Sieg beim Thüringen Grammy 2023. Das war ein unglaubliches Erlebnis und ein Meilenstein in unserer Karriere.
Maxi: Mir kommt da als erstes der Moment in den Kopf, wo wir vor Jahren in einer kleinen Garage in Erfurt das erste Mal zusammen gejammt haben. Damals kannten wir uns teilweise noch nicht so gut, wussten aber nach dem ersten Song schon, dass da was ganz Besonderes draus wird.
Frontstage Magazine: Inflation, Rechtsdruck und die Nachwehen der Covid-Pandemie – es ist gerade keine einfache Zeit für Musikschaffende. Welchen Herausforderungen begegnet ihr als Artists aktuell? Und wie begegnet ihr ihnen?
Tobi: Eine der größten Herausforderungen für uns als Artists ist es, unsere Musik in Zeiten wie diesen zu veröffentlichen und zu promoten. Wir versuchen, kreativ zu bleiben und neue Wege zu finden, um unsere Fans zu erreichen, sei es durch Livestreams oder Social Media.
Maxi: Wir haben im letzten halben Jahr lernen müssen, wie wir als Freunde und als Band eine „Fernbeziehung“ miteinander führen können, da wir auf Leipzig, Erfurt und zwischenzeitlich auch Nürnberg aufgeteilt waren. Das war nicht immer einfach und es ist auch echt belastend, sich über längere Zeit nicht persönlich sehen zu können, abgesehen von Auftritten, bei denen wir eher selten Zeit haben, wirklich Zeit als Freunde zu verbringen.
Frontstage Magazine: Habt ihr das Gefühl, dass Newcomer:innen in eurem Bundesland gut supportet werden? Wo seht ihr vielleicht Verbesserungspotenzial und was wünscht ihr euch von Lokal- und Kommunalpolitikerinnen?
Tobi: Es gibt definitiv Support für Newcomer:innen in unserem Bundesland, aber es gibt auch Verbesserungspotenzial. Wir wünschen uns mehr Unterstützung für junge Bands, sei es durch Förderprogramme oder vor allem die Schaffung von Auftrittsmöglichkeiten.
Maxi: In Thüringen, gerade in Erfurt gibt es auch für kleinere Bands einige Möglichkeiten aufzutreten. Da gilt der Dank den kleinen Clubs, Vereinen, Bars und Jugendzentren. Gerade im ländlichen Raum in Thüringen würden wir uns aber wünschen, dass Newcomer:innen in Kunst, Musik und Kultur mehr Möglichkeiten bekommen, ihre Kunst zu präsentieren.
Frontstage Magazine: Wie geht es für euch musikalisch weiter? Was können wir in 2024 noch von euch erwarten?
Tobi: Wir werden weiterhin hart an unserer Musik arbeiten und hoffen, noch mehr Menschen mit unseren Songs zu erreichen. 2024 könnt ihr eine neue EP von uns erwarten und natürlich jede Menge Live-Shows.
Maxi: Unsere neue EP erscheint im Mai und heißt “Scratching the Surface”. Es erwarten euch laute Gitarrenriffs, energiegeladene Ohrwürmer und eine Menge Spaß und Leidenschaft!
Frontstage Magazine: Last but not least: Was ist das Außergewöhnlichste, das ihr mal an einem Bahnhof oder in einem Zug erlebt habt?
Tobi: Das Außergewöhnlichste, das wir mal an einem Bahnhof erlebt haben, war wahrscheinlich, als ich mit Freunden spontan eine Jamsession auf Bahnsteigen angefangen habe. Plötzlich hatten wir eine kleine Menschenmenge um uns, die uns zugehört und mitgetanzt hat. Es war ein magischer Moment, den wir so schnell nicht vergessen werden.
Außerdem erscheint heute die neue EP „Scratching the Surface“ der Band und diese findet ihr z.B. hier.
Fotocredit: Line Tsoj Fotografie