Tausende feierten am gestrigen Freitag im ausverkauften Palladium in Köln-Mülheim den kurzen Zwischenstopp der britischen Pop-Rock-Band The1975 auf ihrer „Still… At Their Very Best“-Tour durch Großbritannien und Europa. Inmitten einer Bühneninszenierung, die die Anmutung eines gemütlichen Wohnzimmers hatte, präsentierten sie sowohl alte als auch neue Hits. Fast wie in einer Symbiose sangen und tanzten Publikum und Band ausgelassen zu einer Musik, die längst Kultstatus erreicht hat.
Es ist Freitagabend, 20:30 Uhr. Das grelle Hallenlicht des Kölner Palladiums erlischt und die Menge bricht in Jubel aus. Grund dafür sind die vier charismatische Briten von The1975, die im März für fünf Konzerte nach Deutschland kommen und mit ihren Live-Shows die Herzen vieler Fans höher schlagen lassen. Mit im Gepäck haben sie ein liebevoll inszeniertes Bühnenbild, das einem urigen Wohnzimmer gleicht. Wie Sänger und Gitarrist Matthew Healy während des Konzerts erzählt, stammt das Sammelsurium aus Tischen, Stühlen, Sofas und vielen weiterem Wohnzimmerinterieur aus dem Ensemble früherer Shows: „Ratet mal, wo das alles herkommt“, fragt Healy sein Kölner Publikum und zeigt auf das Interieur um sich herum. „Wir haben es über die Shows der letzten 10 Jahre gesammelt und daraus nun diese Inszenierung kreiert.“ Das Publikum jubelt.
Während Healy lässig am Mikrofonständer steht und die Menge fröhlich mitsingt, pulsieren hinter ihm zahleiche kleine LED-Röhrenfernseher im Takt der Musik oder die Fenster des improvisierten Zimmers wechseln anmutig ihre Farbe. Egal, welches Lied Matthew Healy anstimmt oder welchen Schritt er macht: Das Publikum scheint in seinem Bann zu sein. Es klatscht, jubelt, singt und tanzt ausgelassen zu Songs aus bekannten Alben wie „Being Funny In A Foreign Language“, „The 1975“ oder „A Brief Inquiry Into Online Releationships“. Es ist faszinierend zu beobachten, welche Magie und elektrisierende Energie die Band auf ihr Publikum ausübt.
Um diese Wirkung noch zu verstärken, werden die vier Hauptcharaktere aus Manchester von talentierten Musiker*innen begleitet, darunter Sängerin und Gitarristin Polly Money, die die auch als Leadsängerin von „Jesus Christ 2005 God Bless America“ zu hören ist sowie Gabi King an den Percussions und Saxophonist John Waugh. Waughs Saxophonspiel umhüllt jeden Song wie ein warmer Klangteppich, der die einzigartige Musik der Band noch einzigartiger macht.
Neben Healy bestechen seine Bandkollegen George Daniel am Schlagzeug, Adam Hann an der Gitarre und Ross Macdonald am Bass mit ihrer beeindruckenden Performance und unverwechselbaren Ästhetik. Gemeinsam treiben sie die rund zweistündige Show bis an die Grenzen des Pop-Rocks. Egal, ob „It’s Not Living (If It’s Not With You)“, „About You“, „Robbers“ oder „Love It If We Made It“ – fast jeder ihrer Songs versetzt das Kölner Publikum vom ersten Ton an in Ekstase.
Kein Wunder also, dass sie gerade bei den BRIT Awards 2023 als „Best Rock/Alternative Act“ ausgezeichnet wurden. Die Fans, ob unten vor der Bühne, auf den Tribünen oder oben auf der Empore, sind überglücklich, ihre Lieblinge endlich wiederzusehen und mit ihnen ihre Erfolge zu feiern. Healy versteht es, neben seiner engelsgleichen Stimme und seiner Musik das Publikum zu verzaubern: „We love you guys. Thanks for coming“, ruft er ins Mikrophon und bringt die Menge buchstäblich zum Toben.
Nach einem kurzen Moment der Dunkelheit kehrt andächtige Stille ein und Healy steht mutterseelenallein mit seiner Akustikgitarre auf der Bühne. Um ihn herum ist es dunkel, nur ein kleiner Lichtspot zeichnet seine Konturen nach. Während auf seiner Gitarre die ersten Töne von „I Always Wanna Die (Sometimes)“ erklingen, zücken die Zuschauer*innen ihre Handys, um das Palladium in ein wunderschönes Meer aus Handylichtern zu verwandeln.
Doch bei aller Energie und Euphorie des Abends, blitzen auch immer wieder melancholische Momente auf, getragen von den düsteren Themen der Band: Es geht um Weltschmerz, Verzweiflung, Sozial- und Religionskritik, Sehnsucht und Hoffnung. All das macht The1975 zu einer großartigen und facettenreichen Band, deren Musik sowohl künstlerisch anspruchsvoll ist als auch von einem breiten Publikum geliebt und geschätzt wird.
Nach über 20 Songs, zauberhaften Instrumentals und vielen Gänsehautmomenten ist plötzlich Schluss. Das Licht geht an, die Band verlässt die Bühne und es ist Zeit zu gehen. Viel zu kurz waren die gemeinsamen Momente mit der Band. Aber es bleiben viele schöne Erinnerungen. Noch immer hallt Healys zarte Stimme von „When We Are Together“ in meinem Ohr, während ich mich mit einem wohligen Gefühl und einem verträumten Blick auf den Heimweg mache.
Fotocredit: Jordan Hughes