Nach Scheeßel zu fahren fühlt sich immer ein bisschen wie nach Hause kommen an. Doch längst ist das Festival Mitte Juni in der niedersächsischen Gemeinde Scheeßel zusammen mit seinem Zwillingsfestival South Side im Süden Deutschlands zu einer etablierten Größe der Festivallandschaft geworden. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums haute das Festival ein abwechslungsreiches Line-Up mit etablierten Headlinern um Billy Talent, Muse oder Die Ärzte und Newcomer*innen wie Dylan oder Cloudy June sowie einer FLINTA-Quote annehmbaren 31 % raus. Was es an diesem Wochenende voller Höhen zu erleben galt, lest ihr in unserer Festivalreview.
Freitag
Nachdem die Warm-Up Party mit den Rogers, Zugezogen Maskulin und Querbeat am Donnerstagabend Scheeßel schon ordentlich einheizte und das Zelt an seine Kapazitätsgrenzen brachte, wurde das Hurricane Festival am Freitagnachmittag traditionellerweise vom #hurricaneswimteam eröffnet. Schon um 15 Uhr herrschte der Staub vor der Green Stage, sodass man dieses Mal auf das besungene Schlauchboot verzichten mochte. Doch, wie sollte es anders sein, zogen selbstverständlich schwarze Wolken auf und schickten leichten Regen in die niedersächsische Kleinstadt. Aber ohne das wäre es auch kein richtiges Hurricane und vor allem kein Swim Team; also alles wie immer. Die Jungs konnten auch nur nach zwei Mal Proben zeigen, was sie auf dem Kasten haben und brachten die ersten Besuchenden bereits zum Tanzen zum Start des illustren Festivalwochenendes.
Es füllte sich zusehends und der nächste Act Sondaschule wirbelte den Staub das erste Mal richtig auf. Wer nach diesem Wochenende auch nur ansatzweise sauber nach Hause geht, hatte entschieden etwas falsch gemacht. Zunächst wurde sich zu chilligeren Ska-Tönen hin und her gewiegt, bevor an Fahrt aufgenommen wurde. Sänger Costa Cannabis erzählte, dass ihr Traum nach 21 Jahren endlich wahr wurde auf der Hauptbühne vom Hurricane zu spielen. Das wurde im Handumdrehen von „Sondaschule“ Rufen von den Fans gewürdigt. Die Band stellte klar, dass die meisten hier zum Tanzen gekommen sind, welches unter anderem bei „Schöne Grüße vom Meer“ mit einem großen Tanzkreis vor der Bühne direkt unter Beweise gestellt wurde. Dazu gab es wiederholte Mitsingen-Einlagen des Publikums, die sich wechselseitig „Whoa“ zuriefen. Wie könnte es einem dabei besser gehen? Eine zunächst etwas kleinere Crowd hatte sich derweil auf der blauen Bühne bei der erst 19-jährigen Sängerin Gayle eingefunden. Dort wurden die Zuschauenden aber nicht minder gut unterhalten. Die US-Amerikanerin präsentierte ihre umwerfende Stimme umfassend und gab zudem ein Paramore-Cover zum Besten. Mit einer Regenbogen-Fahne feierte sie nicht nur den Pride-Monat, sondern auch das Lied, wegen dem vermutlich auch die Mehrheit da war und das ihrer Karriere so viel bedeutete: im Folgenden rockten alle zusammen rockten zu „abcdefu“.
Man nehme ein volles Zelt, einen Künstler namens Betterov sowie ein Publikum, was richtig Bock hatte zu Songs wie „Schlaf gut“ oder „Nacht“ abzugehen. Die Storyline wurde mit „Bring mich nach Hause“ vervollständigt. Obendrauf gab es noch die Live-Premiere des eine Woche zuvor erschienenen Song „Jil Sander Sun“. In der durchdachten Setlist sollten die älteren Songs jedoch auch nicht zu kurz kommen, sodass der Wahl-Berliner hintereinander „Dynamit“ und „Angst“ von der ersten EP „Viertel vor Irgendwas“ raushaute, was eine ausgelassen tanzende Masse vor der kleinen Bühne zur Folge hatte. Durch die Zeltschlitze zeichnete sich bereits ab, dass sich draußen die Sonne zwischen den Wolken durchgekämpft hatte und das Festivalgelände in wärmende Nachmittagssonnenstrahlen tauchte. Dies kam Bosse auf der Hauptbühne natürlich wie gelegen, der einen der begehrten Abendslots ergattert hatte. Der Sänger betrat mit den Worten „Ich will mit euch singen!“ die Bühne und ließ seinen Worten Taten folgen. Eine Stunde lang brachte Bosse ausschließlich gute Laune Songs von „Schönste Zeit“ über „Dein Hurra“ bis hin zu „Der letzte Tanz„. Dabei war die Stimmung so blendend, dass der Künstler nach dem ersten Song direkt wieder hätte gehen wollen. Als besonderes Highlight performte der 43-jährige mit den Hansemädchen, die am Vortage die Warm-Up Party eröffneten, seinen aktuellen Song „Ein Traum“ als Live-Aufnahme. Um das schönstmögliche Ergebnis zu erzielen wurde der Text über die LED-Wände eingeblendet und sorgte damit für ein unterschwelliges Karaoke-Feeling.
Co-Headliner Peter Fox servierte überwiegend Tracks seines neuen, im Mai erst erschienenen Albums „Love Songs“. Gewürzt wurde das Dargebotene zusätzlich mit Seeed-Songs (unter anderem „Hale-Boop“ und „Ticket„) sowie Werken seiner früheren Schaffenszeit. Insbesondere letztere sorgten für Stimmungsmomente, in einem sonst eher verhaltenen Publikum. Schließlich gab der Sound, der eher an eine entspanntere Version von Seeed erinnerte, nicht viel Raum für Ekstase her, sondern eher für ein relaxtes Miteinander. Zudem präsentierte er einige der bekannten Songs, wie etwa „Stadtaffe“ oder „Schüttet deinen Speck“ als Remix. Diese waren nicht schlecht gemacht, aber konnten das Publikum nicht ganz so sehr überzeugen, wie es die Original Tracks vielleicht getan hätten. Während das reguläre Set mit der Single „Zukunft Pink“ endete, setzte der letzte Song der Zugabe „Alles neu“ das Ausrufezeichen des Auftritts. Bei diesem Track entflammte die Stimmung des Publikums und durch die wilden Bewegungen wurden Staubwolken freigesetzt, sodass man kaum noch die Bühne erkennen konnte.
Im Anschluss hielten sich Billy Talent nicht lange mit Ansagen auf und zogen ihre anderthalb Stunden Spielzeit straff durch, in denen sie sich munter durch ihre insgesamt sechs Studio-Alben. Dabei war nicht immer ersichtlich, ob sie möglichst viele Songs anbieten wollten oder ob das Durchspielen einfach ihrer Sprachlosigkeit geschuldet war. Frontmann Ben setzte zwar zu einer Ansage an, wurde dann aber vom neu aufkommenden Track überrannt. Trotzdem lieferten die Kanadier gewohnt solide ab und rockten mit ihrem Publikum gemeinsam auf der Hauptbühne, was allen Beteiligten sichtlich Spaß brachte. Als Late-Night-Special stand zu guter Letzt, neben Alle Farben im Zelt, die Band mit dem K auf dem Programm. Kraftklub startete zunächst mit zugezogenem Vorhang, der sich mit Konfettiregen öffnete. Die Band aus Chemnitz präsentierte sich gewohnt energiegeladen, und Felix schnappte sich zwei Wasserflaschen und verteilte sie freudig über die ersten Reihen des Publikums. Wie schon beim Lollapalooza letztes Jahr hatten sie wieder ihr Glücksrad im Gepäck mit dem sie etwas Spielzeit von der Uhr nahmen. Dieser Fakt war jedoch zu vernachlässigen, da zur Freude aller der Wunsch-Song „Scheissindiedisko“ erdreht wurde. Im letzten Drittel der Show gab es noch mal einen Nachschlag an „alten“ Songs. Vorher ließen es sich Kraftklub aber nicht nehmen etwas für die Fannähe zu tun und sich zwischen die Wellenbrecher zu begeben und noch etwas crowdzusurfen. Alles in allem lieferten die Fünf einen perfekten Abschluss für den ersten Festivaltag.
Samstag
Der zweite Tag startete entspannt. Entweder begann man seinen Tag mit Bands wie Tyna, Kid Kapichi oder Zebrahead oder genoss im Camp noch etwas die Sonne. Heute waren wir auch gelassen unterwegs und freuten uns mit den Zuschauenden über Two Doors Cinema Club aus Nordirland. Die Band brachte ihre Gäste mit ihrem eingängigen Indie-Rock gepaart mit leichten elektronischen Elementen in Bewegung, sodass sich kleinere Gruppen bildeten. Alle hüpften miteinander glücksbeseelt über den staubigen Acker. Mehr als 25 Grad Celsius lockten zu kurzen Hosen, sodass die unteren Extremitäten vom Staub bedeckt waren. Für solche Momente ist die Welt einfach nur in Ordnung. Unser Weg führte uns im Anschluss zu Funeral For A Friend, die unter dem Banner ihrer drei ersten Alben („Casually Dressed and Deep in Conversation„, „Hours“ und „Tales Don’t Tell Tell Themselves„) bereit standen, um das nostalgisch angehauchte Publikum in Empfang zu nehmen. Jedoch war dieses Unterfangen ein absoluter Satz mit X und wir möchten zur Enttäuschung unserer Teenie-Idole nur so viel sagen, dass der Schlagzeuger besser growlte als der Sänger sang und der darauffolgende Soundcheck von Alli Neumann besser war als die gesamte Show, der wir so intensiv entgegen fieberten.
Damit fanden wir uns aber direkt in dem stickigen Zelt bei einer Künstlerin wieder, die sichtlich überwältigt von den Reaktionen ihres Publikums war. Man konnte ihr die Aufregung nicht nur im Gesicht ablesen, sondern auch an ihrer Stimme, die immer wieder gefährlich zu kippen drohte bei so viel Anerkennung. Immerhin gab es sehr viel Liebe für ihre Band, die von Frauen dominiert wurde, sowie Alli Alli Neumann Sprechchöre. Dies rührte die Sängerin fast zu Tränen und es schien fast als wolle sie sich mit ihrem Song „Seltsame Welt“ beim Publikum revanchieren. Zunächst sang sie die ohnehin schon wunderschöne Strophe und Refrain gewohnt auf Deutsch, bevor sie zu Jiddisch wechselte und von dem Gefühl berichtete, dass die Welt viel zu schön ist, um heute Nacht unterzugehen. Damit standen nun auch den Zuschauenden unter Gänsehautschauern Tränen in den Augen. Alli Neumann schenkte uns einen ganz besonders emotionalen Festivalmoment. Umso erstaunlicher, dass sie für die nächsten Lieder wieder eine internationale Attitüde an den Tag legen konnte.
Emotional bewegt ging es weiter zu den nächsten zwei Bands, die Deutsch-Rockpop-Fans vor eine harte Entscheidung stellten: Madsen vs. Kaffkiez. Auf dem Weg vom Zelt lag Madsen auf der grünen Bühne, also hin da. Noch während die Fotografierenden munter das Treiben auf der Bühne während der ersten drei Songs einfingen, fing es leicht an zu tröpfeln. Gnade denjenigen Menschen, die schlau genug waren ins Wolkenradar zu schauen oder warnende Nachrichten empfingen, denn die einzige Starkregenzelle in ganz Niedersachsen hatte ihren Weg verlässlich und treffsicher zum Festivalgelände gefunden. Wie sollte es auch anders sein, aber sonst wäre es auch irgendwie kein richtiges Hurricane. Mit einem Wolkenbruch der Extraklasse wurden alle Anwesenden klitschnass und konnten Kleidung und Haare nur noch auswringen. Die hartgesottenen Festivalbesucher*innen ließen sich davon jedoch nicht beeindrucken und feierten soweit möglich im strömenden Regen weiter. Die weniger wetterfesten Menschen trafen sich dann nach der Regenepisode zur letzten Viertelstunde von Kaffkiez auf der roten Bühne wieder ein. Zu den Hits „Nie Allein„, „Scheissegal“ und „Frei“ wurde sich einfach wieder warm gemacht und gemeinsam in einem großen Tanzkreis zusammen entspannt gehüpft und getanzt. Mit den unheilvollen dunklen Wolken auf der einen und einem freundlichen Himmel auf der anderen Seite entstand eine mystische Post-Ereignis-Atmosphäre. Diese fesselte so sehr, dass einfach zur Pausenmusik „Mr. Brightside“ weiter gemacht wurde als die Band schon längs die Bühne verlassen hatte. Wunderbar Hurricane, so geht man richtig mit sich kurz anbahnenden Schauern um.
Der Headliner-Slot des Samstagabends ging dann an die britische Rockband Muse, die ihre neue Show rund um das Thema „Will Of The People“ wortwörtlich im neuen Gewand präsentierten. Auffällig waren vor allem die Maske, die die Bandmitglieder trugen. Dieses Detail wurde ebenfalls immer wieder in kurzen Videoclips aufgegriffen, die über die LED-Screens flackerten, und die Storyline um die starke Setlist herum medial immer wieder aufnahmen. Nach einem spektakulären Bass-Solo wurde man von einer Art mechanischem Stier, dem Drill Seargent, mit Anweisungen im militärischen Stil konfrontiert. Eben jener, kämpfte später gegen die Maskenmenschen, wobei das Schild „Will Of The People“ hochgehalten wurde. In der nächsten Szene „Kill or Be Killed“ fertigte der Mann mit der Maske neue Modelle an, bevor das Lied „Compliance“ startete. Die Zwischenstücke wurden mit einer gewohnt hohen musikalischen Qualität gefüllt, die etwa zu „Bliss“ oder „Resistance“ mit eindrucksvollen Feuersäulen und zunehmend rockigerem Sound begleitet wurden. Ein so starker Auftritt, der zudem noch eine wirkliche Geschichte transportierte, verdiente sich den Headliner-Slot am Samstagabend redlich.
Sonntag
Was sollen wir sagen, am Sonntagnachmittag waren die meisten Leute auf dem Hurricane schon wieder nass und aus gutem Grund vor der blauen Bühne versammelt. Aber dieses Mal gab es nicht direkten Niederschlag von oben, sondern indirekte Schweißflüsse durch das Hinabbrennen der kraftvollen Sonne an einem wolkenfreien Himmel. Da wird zusätzlich gerne mit etwas Wasser über den Körper nachgeholfen, um den Sommertag ohne Zwischenfälle zu überstehen. Beste Aussichten also für Nina Chuba, die sich den Himmel gemäß ihrem ersten Song „Mangos mit Chili“ selbst blau gestrichen hätte. Sie war ganz in weiß sommerlich gekleidet und brachte gleich ein Handtuch als passendes Accessoire mit, um der Meute vor der Blue Stage weiter einzuheizen. Um dies zu gewährleisten, servierte sie unter anderem eine hochkarätige Auswahl ihres ersten Albums „Glas“. Majan, der just sein eigenes Set auf der Mountain Stage beendete, kam für das Duett „Mondlicht“ herübergesprintet. Als Zugabe des im wahrsten Sinne des Wortes heißen Sets gab es neben „Femminello“ zwei noch nicht veröffentlichte Songs auf die Ohren, um den Auftritt perfekt zu machen.
Sommerlich ging es bei Newcomerin Domiziana weiter, die gemäß ihres Hyperpops einige 90er Jahren Ikonen wie zum Beispiel Blümchen remixte und somit für gute Laune im Publikum sorgte. Weniger gut war jedoch, dass sie später begann und auch früher endete. Aber in der Affenhitze ist das nachzusehen; so wuchsen die Schlangen vor den Wasserstellen beständig und Fächern hätte man kurzzeitig als olympisch erklären können. Gerade im und vorm Zelt, wo es mit dem Stuttgarter Edwin Rosen weiter ging, war dies von essenzieller Bedeutung. Nach eigenen Angaben stand er vor der größten Menschenmenge, vor der er je spielte. Dabei konnte er gar nicht alle Leute sehen, die draußen noch auf Einlass warteten. Die Menschen feierten kurzerhand zusammen vor den LED-Leinwänden, sangen gemeinsam und tanzten der Security-Frau am Eingang nach, die versuchte die Menschenansammlung möglichst clever zu lenken. Draußen wie drinnen war der Auftritt des jungen Künstlers einfach nur ein Vibe.
Unsere Stippvisite sollte zu 01099 auf der roten Bühne führen, was vom Zelt aus mit einem wunderbaren Stopp auf der grünen Bühne verbunden war. Auf der Forest Stage mimte ein Daumen nach oben das Startsignal für niemand Anderen als Frank Turner & the Sleeping Souls, die die Energie seit der ersten Sekunde ungezügelt auf die Bühne brachten. Dazu bleibt es einfach nur unfassbar niedlich, wenn er deutsch spricht. Zum Glück kündigte er an, dass er seine Sprachkenntnisse vertiefen wolle und sich so vornahm alles auf Deutsch zu moderieren. Des Weiteren begeisterte er mit seiner Band und seiner typischen antifaschistischen Punk-Rock-Show. Währenddessen pilgerte die breite Masse im Hintergrund zu der Mountain Stage, dem wir uns anschlossen, um direkt zum Einstieg den markanten Hit „Durstlöscher“ zu hören. Je weiter vorne man hier stand, desto größer war die Party.
Party war auch ein gutes Stichwort für Clueso, der gleich seine ganze Band mit in den Tourkoffer gepackt hatte. Dem 43-jährigen gefiel die Energie des Festivals sichtlich, dass er gleich beim ersten Titel „Achterbahn“ einen zusätzlichen, nicht geplanten Refrain vom Publikum hören wollte. So groovte man sich zusammen durch das Nachmittagsset, was vielen vor allem aus dem Radio geläufig gewesen sein dürfte. Statt Mitklatschen wurde hier und da Wasser im Takt über die die Zuschauenden verteilt. Auf diese Weise wurden Hits wie „Cello“ oder „Gewinner“ gleich doppelt erfrischend dargeboten. Zudem wurde noch eine besondere Form der Laola-Welle geübt, indem sich die Leute zwar alle zeitgleich hinsetzten, aber von hinten nach vorne aufsprangen. Als die gut gelaunte Welle, die Bühne erreichte, uferte sie in Konfetti-Regen aus; gute Stimmung war hier garantiert.
Im Folgenden hatte man die Qual der Wahl, ob man lieber mit den Rock-Legenden von Queens of the Stone Age abrocken oder lieber das Indie-Herz mit The 1975 bluten lassen wollte. Wir entschieden uns für Zweiteres, da Deutschland die Band sechs Jahre lang nicht zusehen bekommen hatte. Sie läuteten ihre Vorstellung ohne Vorwarnung mit lauten Glocken ein und zeigten, was oder dekonstruierten viel mehr das, was man von einer waschechten Rockband erwarten würde. Allen voran Frontmann Matthew Healy präsentierte sich als provokativer Virtuose seines Faches. An Stars wie Jim Morrison angelehnt spielte er mit den Grenzen des Erlaubten, indem er plakativ auf der Bühne rauchte und aus seinem Flachmann trank. Das zu sehen ließ einen als Zuschauer*in nicht kalt, aber wurde durch klaren Gesang, der auf den Punkt im Timing stimmte, ausgeglichen. Viel wichtiger war sowieso die Message, dass die Briten, auch vor dem Hintergrund des Brexits, in erster Linie eine europäische Band seien und für Verbindungen stünden.
Damit näherte sich die Veranstaltung im Laufschritt dem großen Finale. Endlich sollte es so weit sein und eine der großen deutschen Rockbands, Die Ärzte, gaben sich die Ehre. Der Opener „Westerland“ startete hinter einem Vorhang, der zwar beim ersten Refrain fiel, aber noch einen weiteren Sichtschutz mit der Aufschrift „fast“ offenbarte und danach gab es das gleiche Spiel mit „fast die zweite“. Doch da standen sie endlich mit Hilfe von vielen Stagehands für diese Aktion. Die Ärzte waren direkt in ihrem Element. Bela B. warf nach dem ersten Song sofort seine Sticks ins Publikum und übernahm vorne an der Bühne kniend den Anfangstext von „Ignorama„. Daraufhin folgten knappe zwei Stunden Entertainment von der selbsternannten besten Band der Welt, für die ihre Fans sie so lieben. Die Stimmung zwischen den Dreien war gut aufgelegt, die zahlreichen Ansagen amüsant und ganz viele spontane Aktionen sorgten für eine lockere Atmosphäre. So konnte beispielsweise eine umgekehrte Schrei-Laola-Welle für mehr Aufsehen sorgen als es sich zunächst anhörte. Nebenbei haben die Sänger natürlich nicht vergessen ihr Publikum mit nie alt werdenden Hits wie „Lied vom Scheitern„, „Lasse Reden“ und „Hurra“ zu verwöhnen. Mit diesem souveränen Auftritt machten Die Ärzte das diesjährige Hurricane Festival perfekt.
Fotocredits: Kevin Randy Emmers