Zwischen Rap-Musik und modernem Metalcore herrscht oft eine große Diskrepanz. Dass Rapsongs im Metaloutfit besonders gut funktionieren, ist eine absolute Seltenheit. Human Entropy gelingt mit ihrem Cover von Yassins Track „Abendland“ jedoch etwas, woran viele andere Bands scheitern. Ihre „knallharten Riffs“ (Riot Vision) in einem „düsteren und atmosphärischen „Metalcore“-Gewand (Morecore.de) mit „Deathcore-Sphären“ (FUZE Magazine) überzeugten bereits auf der 2021 veröffentlichten „Pallasite“ EP und funktionieren auch auf dem Skelett eines Popsongs.
Mit schmetternden Blast Beats und djentigen Riffs liefert Human Entropys Version von „Abendland“ einen Sound, der an Bands wie Loathe, Void Of Vision oder Heart Of A Coward erinnert. Dem gegenüber steht ein Song, der im Original mit Autotune und Genre-typischen Synthies gespickt ist. Das Resultat ist jedoch eine Version, die so stringent und konzise umgesetzt ist, dass der Track nicht zwingend und plakativ nach einem Cover schreit, sondern vielmehr eine Interpretation darstellt. Dabei behält „Abendland“ das harmonische Grundgerüst und wirkt dadurch unfassbar catchy. Mit dem Klangbild des Originals von Yassin hat der Song nur Key-Elemente gemeinsam. Dabei liegt der Fokus auf den klar verständlichen Vocals, die auch auf semantischer Ebene gut mit den Lyrics verknüpft sind. „Es wird dunkel im Abendland“ ist so in einem düsteren Breakdown zu hören und betont die Aussage des Textes, der 2022 noch aktueller scheint als zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von Yassin im Jahr 2019. Dabei ist die Version der Metalband noch aussagekräftiger und wirkt weniger
verspielt als Yassins Original. Die Idee diesen Song zu covern entstand während dem Songwriting zur 2021 veröffentlichten „Pallasite“ EP. Sänger Olli brachte „Abendland“ ins Spiel und konnte damit den Rest der Band schnell überzeugen, wie er resümiert. „Bei „Abendland“ ist der Sprachgebrauch im Song nicht viel anders als in unseren eigenen deutschsprachigen Songs. Es passte also bestens zu unserem eigenen Material und auch die musikalische Stimmung passt auf unser Material.“
Den ausschlaggebenden Grund gaben aber die inhaltlichen Aspekte. Denn Abendland thematisiert Fremdenfeindlichkeit und Rechtsruck in Deutschland und Europa, die eine düstere und bedrückende Prognose offenbaren, wie Olli sagt. „Wir konnten uns durch das Cover der klaren Haltung bereichern, was ich so stark lyrisch selbst nicht hätte ausdrücken können.“ Auch das Musikvideo arbeitet den Text mit Videomaterial von politischen Geschehnissen der jüngeren Vergangenheit auf, was die inhaltliche Komponente weiter unterstreicht. Für das Cover holte sich die Band das Go von Yassin, dem der Song trotz mangelnder Genre-Kenntnis aufgrund der verrückten klanglichen Dimension gefiel. Das Arrangement des Tracks entstand dabei in detaillierter Kleinarbeit, die mit viel Austausch entstanden ist und bis auf den Basslauf aus dem Original nur in Nuancen Dinge kopierte und in einen Metalkontext passte.
Human Entropy gelingt ein Gratsprung und die Verknüpfung von moderner Rap- Musik in einem Metalcorekontext. „Abendland“ ist einer der spannendsten Metalcoversongs den man 2022 zu hören bekommt. Nicht zuletzt da es sich nicht zu
sehr darauf versteift einen Popsong zu nutzen, um ein gutes Cover zu liefern. Entgegen aller Punk goes Pop Ansätze liefern Human Entropy eine Eigeninterpretation, die mit einer starken emotionalen Komponente hervorsticht.
Fotocredit: Kevin Spielmann