Manchmal genügt ein einziger Song, um ein ganzes Album zu definieren. Bei Jay Som – dem Projekt der in Los Angeles lebenden Multiinstrumentalistin, Songwriterin und Produzentin Melina Duterte – ist dieser Song zweifellos „Float“, das Duett mit Jim Adkins von Jimmy Eat World. Nicht nur, weil es sich um die erste Single und den ersten Song handelt, den Duterte für „Belong“ schrieb, sondern weil darin alles zusammenkommt, was dieses Album ausmacht. Und das man gleichzeitig den besten Jimmy Eat World Song seit der „Integrity Blues“-Ära bekommt, lässt aufhorchen.
Duterte, aufgewachsen in der Nähe von San Francisco, hat den Sound der frühen 2000er aufgesogen – The O.C., Bloc Party, Death Cab for Cutie, Imogen Heap – jener Mix aus Melancholie und Euphorie, der ganze Teenagergenerationen durch ihre Coming-of-Age-Jahre getragen hat. Diese DNA kehrt in „Float“ zurück, als nostalgischer Widerhall und zugleich als Befreiung. „In diesem Song geht es um den verzweifelten Versuch, an vergangenen Versionen von sich selbst festzuhalten, um sich selbst zu schützen,“ sagt Duterte. „Die Angst vor dem Unbekannten ist so überwältigend, dass es manchmal die beste Lösung ist, sich mit ihr abzufinden, anstatt sie zu bekämpfen.“
Und dann ist da Jim Adkins, der nicht nur als Stimme, sondern als Symbol wirkt – ein Held ihrer Jugend, dessen Signature-Hooklines hier in Dutertes Klangwelt auftauchen, wie ein freundlicher Geist aus dem Rockradio von 2004. Adkins selbst zeigt sich gerührt: „Melina ist ein absoluter Profi in allen Aspekten des Musikschaffens. Ich fühle mich geehrt, dass sie in ihrer Vision Platz für meinen Beitrag hatte.“ Das von Nina Ljeti gedrehte Video, das zufällig visuell an Jimmy Eat Worlds „The Middle“ erinnert, wirkt fast wie ein verstecktes Augenzwinkern – als hätte Duterte das Musikfernsehen ihrer Teenagerzeit in die Gegenwart gebeamt.
Auch die internationale Presse feierte „Float“ entsprechend: The New York Times schrieb, „Alienation rarely sounds perkier“, Stereogum nannte den Song „one of the most purely pleasurable rock songs in recent memory“, und NPR Music sprach von „pop-punk catharsis“ mit einem „lovely moment of quiet before the final chorus“. Genau da liegt die Kraft von „Belong“: in dieser Mischung aus Katharsis, Intimität und großem Popmoment.
Doch Duterte ist längst mehr als die melancholische Bedroom-Pop-Hoffnung von einst. Sechs Jahre nach „Anak Ko“ hat sie ihr Soloprojekt geöffnet. Unterstützt von Joao Gonzalez (Soft Glas), Mal Hauser (u.a. Mk.gee, Illuminati Hotties) und Steph Marziano (Bartees Strange, Cassandra Jenkins) entstand ein Album, das in alle Richtungen marschiert: Power-Pop, Ambient, Indie, Lo-Fi und R&B.
Der Song „Past Lives“, ein Duett mit Hayley Williams von Paramore, gehört zu den emotionalen Höhepunkten. Duterte erzählte dem Rolling Stone, dass sie den Song „unzählige Male neu aufgenommen“ habe – aus Respekt vor Williams’ Stimme. Das Ergebnis klingt wie ein gläserner Traum: zwei Stimmen, die sich gegenseitig halten, irgendwo zwischen Erinnerung und Aufbruch.
„Casino Stars“ spielt mit Emo-Romantik, „Appointments“ ist ein fragiles Kleinod zwischen Elliott Smith und Phoebe Bridgers, während „What You Need“ (gemeinsam mit Soft Glas) einen bittersüßen Tanz zwischen Nähe und Distanz inszeniert. Und im Finale „Want It All“ fragt Duterte: „Do you really want to go? Will you hate what you will find?“ – eine Frage, die über das Album hinausweist.
Trotz unterschiedlichster Einflüsse, klingt das Album nie überfrachtet oder „zu gewollt“. Vielleicht sogar das beste Indie-Pop-Album des Jahres, in jedem Fall aber ein mehr als beeindruckendes Comeback, wenn man überhaupt davon sprechen mag, wenn man sich anschaut an welchen Erfolgsprojekten Duterte in den letzten Jahren beteiligt war. „Belong“ klingt in jedem Fall so, als würde jemand endlich dort ankommen, wo sie immer hingehörte.
Fotocredit: Daniel Topete