Kool Savas gilt seit über zwei Jahrzehnten als einer der prägendsten Künstler im deutschen Rap – ein MC, der Generationen beeinflusst hat und mit seinen Skills bis heute Standards setzt. Mit mittlerweile 50 Jahren veröffentlicht der „King of Rap“ nun sein neues Album „Juks Lan“, benannt nach seinem alten Sprayernamen. Statt bloß in Nostalgie zu schwelgen, zeigt Savas hier, dass er seine Battlerap-Wurzeln ebenso pflegt wie seine Fähigkeit, sich klanglich weiterzuentwickeln. Das Ergebnis ist ein Werk, das auf angenehme Art und Weise alte und neue Facetten souverän miteinander verbindet.
Der Opener „Step ans Mic“ setzt sofort ein Ausrufezeichen: Mit alten Samples, die diese unverkennbaren Oldschool-Vibes perfekt einfangen, schlägt Savas eine Brücke in die Vergangenheit, welches einen gelungenen Einstieg kreiert, der Lust auf mehr macht. Man kann quasi sagen, dass er sich mit den immer wieder eingestreuten Snippets selbst featured. Dabei gibt es teils unveröffentlichtes Material aus den frühen Jahren zu hören, welches von Kassette aufbereitet wurde. Besonders in diesen Passagen zeigt sich der Kontrast zwischen dem einst jungem und nun deutlich gereiftem Künstler. Kool Savas versteht es seine eigene Geschichte in die Gegenwart zu holen und spannend zu erzählen.
Wem die vorab veröffentlichte Single „Nur die Nacht“ irgendwie merkwürdig bekannt vorkommt, sollte mal bei der Band Bakkushan aus dem Jahre 2012 reinhören. Auf seinem neuen Album präsentiert Savas den gleichen Song, jedoch in Hiphop-Gewand, was ihm ebenso gut steht. Ähnlich direkt und autobiografisch geht es in „Trautes Heim“ weiter, wo Savas rappt, wie er lebt und arbeitet. „Über sie hinaus“ setzt mit einem klassischen Vocal Sample Beat einen augenzwinkernden Akzent, da immer wieder Sounds verwendet werden, der an den Nintendo-Spieleklassiker Mario erinnert. Der Rapper demonstriert mit diesem und folgenden Titeln, mit welcher beeindruckenden spielerischen Leichtigkeit er zwischen Old- und Newschool wechseln kann. Denn auch die nächsten beiden Tracks, basslastig und unterstützt von weiblichen Vocals, können eher dem modernen Kool Savas zugeordnet werden. Nichtsdestotrotz schafft er es seine DNA zu behalten, und damit keinen Anlass zum naserümpfenden „Früher war alles besser“ zu geben.
Wie gewohnt serviert er darüber hinaus Battlerap-Punchlines, die manchmal zugegeben etwas gewöhnungsbedürftig daherkommen, aber dennoch für den vertrauten Biss sorgen. Dabei bleibt er seinen Battlerap-Wurzeln treu, während die Produktion von „Lan Juks“ technisch einwandfrei und mit gehobener Qualität nach vorn geht. Mit über zwanzig Jahren im Geschäft weiß man eben, wie der Hase zu laufen hat. Ein bisschen weniger strahlend ist der Fakt, dass es „nur“ sieben neue Tracks von zwölf zu entdecken gab. Die übrigen fünf waren bereits vorab veröffentlicht. Trotzdem bleibt die überwiegende Mehrheit der Tracks zeitlich unter drei Minuten Spielzeit, was ein kurzweiliges Vergnügen entstehen lässt. Das, was es zu erzählen gibt, wird kurz und knapp auf den Punkt gebracht ohne zu viel ausgeschmückt zu sein oder gehetzt zu wirken.
Mit den Songs Nr. 7 und 8 „Justizia“ und „Berlin“ liefert er dann die wohl textlich stärksten Momente des Albums: Klar, direkt und pointiert macht er deutlich, warum er immer noch als Synonym für deutschen Rap gilt und welcher Rolle dabei die Hauptstadt zuteil wurde. Damit markiert Kool Savas ein Statement in der deutschen Rap-Szene, die seinesgleichen sucht. Zum Schluss wurde es mit „Smoove“, einer Hommage an seinen verstorbenen Produzenten DJ Smoove, noch einmal sehr emotional. Der Song versteht sich zugleich als Liebeserklärung ans Leben und eine Art melancholischer Rückblick, wodurch er das Album würdevoll und clever abrundet. Besser hätte man das mittlerweile siebte Studioalbum des Wahlberliners nicht abschließen können.
Damit schlägt „Juks Lan“ Brücken von Alt zu Neu und schafft Verbindungen zwischen den Tracks sowie den früheren Zeiten und heute. Dabei stimmt der zugrunde liegende Rahmen: vom wuchtigen Einstieg bis zu einem fast schon nachdenklichen Ausklang vereint das Album die Stärken, die Kool Savas im Schlaf beherrsch. Der Rapper präsentiert in zwölf Tracks eine wie guter Wein gereifte Version seiner selbst. Auch mit 50 Jahren demonstriert er mühelos, dass musikalische Weiterentwicklung nicht weh tun muss, und schafft es darüber hinaus durch die Bank weg dabei authentisch zu bleiben. Das verdient nicht nur Respekt, sondern führt auch zu dem Umstand, dass bei dem Album eigentlich sofort wieder auf Repeat klicken möchte.
Fotocredit: Murat Aslan