Mit ihrer neuen Single „When We Were Young“ geben STILL TALK nicht nur einen Vorgeschmack auf energiegeladenen Pop-Punk mit feministischer Haltung, sondern auch auf das, was Fans vom kommenden Album erwarten dürfen. Das Quintett kombiniert die rohe Emotionalität des frühen 2000er-Emo mit modernen, bissigen Texten – und scheut sich nicht, Missstände in der Szene klar zu benennen. Im Interview spricht Sängerin Tanja mit uns über den kreativen Prozess, ihre kritische Auseinandersetzung mit nostalgischer Jugendkultur und warum ihre Botschaft auf den großen Festivalbühnen dieses Sommers noch lauter klingt.
Frontstage: „When We Were Young“ wirkt wie eine Abrechnung mit romantisierter Jugendkultur in der alternativen Szene – wann habt ihr persönlich angefangen, diese Nostalgie kritisch zu hinterfragen?
Tanja: Als Jugendliche und junge Erwachsene hab ich das alles kaum kritisch hinterfragt. Ich dachte einfach, ich bin halt unsicher, passe nicht richtig rein oder bin nicht cool genug und es war auch „normal“ für mich, deutlich weniger weibliche Repräsentation in diesem Kosmos zu haben. Erst viel später wurde mir das nach und nach klarer, dass das vielleicht auch mit den Strukturen in der Szene zu tun hatte. Vor allem durch Gespräche mit anderen Frauen, durch Social Media oder durch das, was durch #metoo sichtbar gemacht wurde.
Jedes Mal, wenn wieder eine belastende oder enttäuschende Story über Bands oder Künstler rauskam – ob es um Machtmissbrauch, Sexismus oder andere Übergriffe ging – hat das wieder ein Stück von dem Bild zerstört, dass ich früher hatte.
Frontstage: Eure neue Single ist voller Energie, aber auch voller Wut. Wie habt ihr versucht, diese Emotionen zu transportieren?
Tanja: Darüber haben wir uns während des Schreibprozesses gar keine großen Gedanken gemacht. Wir haben Gespräche geführt über das Thema und sind dann einfach unserem Gefühl gefolgt. Als wir den Streicherpart in der Bridge geschrieben haben, war für mich sofort klar, welchen Text ich da drüber setzen möchte. Wir gehen aber selten konzeptuell an Songs heran und lassen erstmal alles zu, was sich im Moment gut anfühlt.
Frontstage: Der Song bringt feministische Perspektiven in eine Szene, die leider noch immer oft männlich dominiert ist – wie erlebt ihr die aktuelle Situation?
Tanja: Ich will nicht sagen, dass sich da gar nichts tut. Ich kenne viele tolle Menschen, die aktiv daran arbeiten, Sichtbarkeit zu schaffen. Aber da darf noch viel mehr passieren. Es wird wohl noch eine Weile so sein, dass wir als „female-fronted“, ein Begriff, den wir absolut ablehnen, bezeichnet werden, weil es für so viele immer noch abseits des Gängigem ist, eine weibliche Person in einer Band zu sehen.
Frontstage: Mit Referenzen zu Emo und Pop-Punk der 2000er trefft ihr auch heute noch einen Nerv – was habt ihr aus dieser Ära übernommen, und was ganz bewusst nicht?
Tanja: Auch hier muss ich sagen, dass wir da relativ wenig planen und beim Schreiben einfach unserem Instinkt folgen. Wir lieben Popmusik, aber die Wurzeln, die wir im Emo und Poppunk haben, scheinen trotzdem immer wieder ein wenig durch. Es fühlt sich an, als hätte man ein riesige Bibliothek an Sounds im Kopf abgespeichert, die sich zusammenstellt aus allem, was man mal gehört und geliebt hat. Im kreativen Prozess geht man die dann durch und pickt sich raus, was sich grad richtig anfühlt. Wenn das dann im Kopf von mehreren Personen in der Band auf einmal passiert und man einen Weg findet, das sinnvoll zusammen zu setzen, entsteht ein Still Talk Song.
Frontstage: Ihr spielt diesen Sommer auf großen Bühnen wie Rocco del Schlacko – wie verändert sich euer Verhältnis zur eigenen Botschaft, wenn ihr sie plötzlich vor Tausenden Menschen schreit?
Tanja: Es wird soviel leichter, die Botschaft zu teilen, wenn man vor vielen Menschen steht, die bei einem sind und Bock haben. Vor einer riesigen Crowd, die abgeht, zu spielen, ist ein Kinderspiel im Vergleich zu einem halb leeren Club mit verhaltenerem Publikum. Wir freuen uns total, dass wir unsere Musik aktuell mit immer neuen Menschen teilen können. Das ist das Schönste überhaupt.
Frontstage: Was kann man nach dem Festivalsommer von euch erwarten?
Tanja: Da kommt noch einiges an neuer Musik und auch noch viele Shows, die wir bald ankündigen dürfen. Wir gehen auf jeden Fall nicht weg.
Fotocredit: Gideon Rothmann