Max Gruber – besser bekannt als Drangsal – ist das musikalische Ausnahmetalent der letzten Jahre. Seine ersten beiden Alben „Harieschaim” und „Zores” wurden sowohl von Fans als auch von den Kritikern gleichermaßen gefeiert. Nebenbei nimmt er zusammen mit Casper seit April wieder regelmäßig Folgen des gemeinsamen Podcasts „Mit Verachtung“ auf. Anlässlich der Veröffentlichung seines dritten Albums „Exit Strategy“ haben wir mit Max über sein aktuelles Album „Exit Strategy“, seine Vorbildfunktion und die Liebe gesprochen.
Fronstage Magazine: Inwiefern hat die Situation der letzten anderthalb Jahre die Entstehung des Albums und die Songs an sich beeinflusst?
Drangsal: Gar nicht, weil ich die Songs 2019 geschrieben habe, als alles schon scheiße, aber noch weniger scheiße war.
Fronstage Magazine: Also was alles schon fertig?
Drangsal: Ja, ich bin im März 2020 ins Studio gegangen und die Songs waren vorher fertig. Und genau dann hat es auch angefangen. So witzig. Also wirklich quasi mit der mit der Studio Zeit ging es so richtig los und das war irgendwie Fluch und Segen zugleich, weil ich relativ froh war, etwas zu tun zu haben, dass es einen Zweck gibt, dass es einen Grund gibt, das Haus zu verlassen. Dazu muss man auch sagen das Tonstudio, das ich mir ausgesucht hatte, war nur zehn Minuten von meiner damaligen Wohnung entfernt. Das war also schon mal kein Problem. Also es gibt ja viele KünstlerInnen, die dann sagen „Nein, ich muss raus zum Aufnehmen nach Italien oder Spanien“ und das wäre also dann nicht gegangen. Und irgendwie hat es mir auch so eine Ruhe gegeben, weil ich wusste „Okay, jetzt ist irgendwie alles auf Halt“ und ich kann mich auf diese Platte ganz und gar konzentrieren. Dazu sei aber auch gesagt, dass ich damals natürlich auch dachte, wenn wir jetzt über den März sprechen, dass das nicht so lange dauern würde, bis es wieder „vorbei, was auch immer das heißt“ ist. Und dann? Ich meine, wir haben ja auch im Juni, Juli, August noch an der Platte gearbeitet und länger auch noch da war dann auch irgendwie schon klar, da war es dann anders, da hat man sich nicht mehr gefreut. Da war es für mich eher ein „Holy Fuck, wann soll ich das denn rausbringen? Und wer soll das denn hören? Und in welcher Welt?“
Fronstage Magazine: und wann kann man es live präsentieren?
Drangsal: Das sowieso. Das ist so lustig, dass du das sagst, weil es gab. Natürlich schon, bevor ich mit dem Album angefangen habe, irgendwie Pläne für eine Tour. Im März saß ich im Studio und wir hatten geplant, eine Tour für Oktober, November 2020 und im März, als dann Touren abgesagt wurden, war ich „So ha, was für ein Glück ich doch habe – wir touren erst im Oktober / November und wir werden das alles einfach an uns vorbeiziehen lassen. Und es wird so super easy peasy und wir werden diese Tour auf jeden Fall spielen.“ Und je näher der Termin rückte, desto klarer wurde es dann. Und das ist krass. Aber wir haben die Tour dann um ein Jahr verschoben. Also gar nicht das. Die war noch nicht mal angekündigt. Haben wir die um ein Jahr verschoben. Und wieder ist es nicht passiert. Wir haben ja jetzt noch nicht Oktober, November 2021, aber es ist natürlich klar, dass diese Tour so nicht stattfinden wird. Das haben wir in den April geschoben und ich glaube, ich muss dir nicht erzählen, dass auch das so ein bisschen mit Vorsicht zu genießen ist. Also weil es das gab dann immer wieder „ja, bis wir alle getestet sind“ und „wenn wir erst mal alle geimpft sind“. Und wenn dann das und das ist, dann ist gleich das und das. Und bisher ist noch nicht so richtig eingetreten.
Fronstage Magazine: ja, diese „magischen“ Steps, an die man sich so gedanklich geklammert hat, sind alle nicht eingetreten.
Drangsal: ja nicht so richtig, gell? Und genau deswegen bin ich jetzt gerade in freudiger Erwartung einer Tour, die womöglich – natürlich gehe ich davon aus, dass die stattfindet und natürlich wünsche ich mir das. Und natürlich glaube ich daran. Und natürlich machen wir alles so, als würde sie stattfinden, definitiv. Wir proben und das. Wenn dann die Enttäuschung kommt, dann kommt sie halt auch. Aber ich habe jetzt keine Lust, jeden Tag in der Erwartung, mein Leben zu fristen, dass irgendwas nicht klappen könnte. Das ist auch nicht schön. Deswegen gehe ich jetzt mal davon aus, dass das alles klappt. Ist ja noch eine Weile.
Fronstage Magazine: Ja, was kann man denn bei der Tour erwarten, wenn alles klappt?
Drangsal: Fancy Outfits meinerseits, das ist klar. Geile Schminke und eine gute Show. Wir sind jetzt zu sechst auf der Bühne. Wir haben jetzt schon ein paar Shows gespielt. Wir spielen jetzt diese Woche auch wieder und man merkt so einen Hunger, weil so lange nicht gespielt wurde, wird sich wirklich der Arsch abgespielt. Und wir haben uns auch vorher seit April den Arsch geprobt für fünf, sechs Shows. Die neuen Songs machen Spaß, sowohl zu spielen als auch zu hören, glaube ich live noch mal anders und ich habe auch richtig Bock, weil jetzt auf den Festivals ist es natürlich so – Du hast eine Stunde. Ich habe jetzt drei Alben, da muss man dann natürlich schon so selektieren. A) Was passt zusammen? B) Was wollen wir überhaupt zeigen? Und bei einer Tour ist es natürlich schön, weil man noch mal eine halbe Stunde bis 40 Minuten mehr zur Verfügung hat und ich auch total Bock hab, mal wieder X zu spielen und mal wieder Y zu spielen. Und ich hab super Bock, so Sachen von der ersten Platte zu spielen, die wir jetzt schon ewig nicht mehr spielen konnten. Also da ich mir brennt es richtig unter den Nägeln.
Fronstage Magazine: Verständlich.
Drangsal: voll und ich glaube ich bin so jemand – es gibt keine Songs wo ich so bin „das spielen wir nie wieder“, sondern es gibt halt immer die Chance, dass man irgendwie noch mal den „Moritzzwinger“ auspackt oder so.
Fronstage Magazine: Hast du dich denn in den letzten anderthalb Jahren selbst neu kennengelernt?
Drangsal: Ja, die Wut, die ich früher so nach außen getragen habe, die richtet sich jetzt eher nach innen und ich würde behaupten wollen, dass das auch mitunter der vielen Zeit, die man dann alleine mit sich selber verbringen musste, zwangsläufig zu tun hat.
Fronstage Magazine: Entstehen so dann Songs wie „Urlaub von mir“?
Drangsal: Voll, wobei sich das dann erst zu später richtig manifestiert hat. Weißt du, wenn ich eine Platte schreibe und so drauflos texte, dann denke ich oft nicht so richtig drüber nach. Ich setze mich nicht vor das weiße Blatt Papier und sagt dann so „Okay, das wird jetzt What the songs about“, sondern es ergibt sich dann so während des Schreibens. Und ehe ich mich versehe, bin ich schon wieder in ganz andere Aspekte des Songschreibens irgendwie verwoben und denk gar nicht mehr an den Text. Dann geht es plötzlich darum, ob die Gitarre geil klingt und wie es eigentlich mit diesem Synthesizer Sound und batscht die Snare auch genug rein, so knallt die richtig und so. Und erst, wenn Leute das dann so auf mich zurückwerfen, bin ich so „Auf dieser Platte geht es ja die ganze Zeit um denselben Käse“ und dann muss ich mir natürlich was Schlaues zurechtlegen. Aber um es mal so ohne Spaß zu sagen ich merke quasi das, die die Saat so gesät wurde für all diesen Zweifel, der sich dann später immer doller manifestiert hat. Und ich bin jetzt 28 geworden dieses Jahr. Ich dachte vor 10 Jahren mit 18 gerade erwachsen, gerade volljährig geworden. Auf dem Papier dachte ich „Wow! In 10 Jahren. Da werden all diese Zweifel, die werden einfach weg sein. Ich werde wissen, wer ich bin. Und ich werde es sein.“ Und jetzt ist es halt 10 Jahre später und ich merke, dass sich das in anderen Facetten und auf andere Art und Weise wie so ein roter Faden durch mein Leben zieht und dass ich das wahrscheinlich nie ganz erübrigen wird und das fand ich schon ernüchternd und natürlich auch traurig und mir kommen auch so vergangene Zeiten, die letzten paar Jahre, fast schon wie so verklärt vor. Und vielleicht ist es einfach ein sich aus der alten Haut schälen, vielleicht auch nicht.
Fronstage Magazine: Es ist schön, dass es nicht nur mir so geht, weil…
Drangsal: ich glaube, das geht, es geht in Wirklichkeit allen so..
Fronstage Magazine: Ja, aber ich bin ja dann doch noch mal ein paar Tage älter als du.
Drangsal: Vielleicht drei, vier.
Fronstage Magazine: Ach, Charmeur.
Drangsal: das kann ich.
Fronstage Magazine: Wie siehst du denn deine musikalische Entwicklung?
Drangsal: Das ist auch wieder so was, was man ja eher so retrospektiv nur betrachten kann. Also, das ist für mich ein sehr natürlicher Prozess. Jetzt kommt „Exit Strategy“ raus und ich schreibe gerade Songs also und die hören die Leute dann wieder in drei Jahren und sagen „Was ist denn jetzt wieder los?“ und „was hast du dich denn hier entwickelt?“ Ich will mich mit Drangsal, mit dem Musikprojekt, ungern musikalisch wiederholen, textlich eine andere Story. Und ich glaube, was ich mir mit Zores so ein bisschen freigeschaufelt habe, ist so eine Narrenfreiheit. Und das ist am Ende des Tages auch, was mich so am Ball hält, nämlich, dass ich immer links abbiegen kann, wenn es mir langweilig wird.
Fronstage Magazine: Auch sprachlich? Jetzt hast du zum Beispiel viel mehr Deutsch als noch am Anfang.
Drangsal: Ja, ich habe gar kein Englisch mehr. Das ist entscheidend. Aber weißt du, gerade sprachlich ist es so, das muss ich natürlich auch von der Musik trennen, weil die Musik ist eine Sache und die Texte sind irgendwie die andere. Ich kann mich nicht dazu zwingen, in der einen oder anderen Sprache zu texten, sondern es kommt halt raus, wie es rauskommt. Und jetzt gerade habe ich einfach keine Einfälle mehr auf Englisch und deswegen möchte ich mich nicht dazu zwingen, in der Sprache zu texten, wo mir nichts einfällt, weil dann wird es halbgar.
Fronstage Magazine: Und dann klingt es am Ende eher nach „cheesy 90er Boygroup“ – Musik.
Drangsal: Klingt es eh!
Fronstage Magazine: finde ich jetzt nicht so! Hast du auf deinem neuen Album einen Lieblingssong?
Drangsal: Schnuckel
Fronstage Magazine: Warum?
Drangsal: Weil’s der Beste ist. Nein, Spaß beiseite, ich weiß es nicht. Ich kann es dir nicht sagen. Ich mag den einfach so gerne. Ich finde der es auf eine Art sehr frech, weil er halt so zuckersüß ist. Aber der Text ist cringy und ich mag auch cringe. Ich will dahingehen, wo Sprache anfängt, den Leuten unangenehm zu werden. Ich finde aber auch die Thematik irgendwie schön besungen. Dass, die Liebe und die Zuneigung und das Miteinander in Zeiten von Social Media, wo wir Leuten folgen – wie wir gehen ihnen hinterher, dieses Wort schon „follow“ und das macht man jahrelang. Und ich sehe das aus zweierlei Perspektive, nämlich einmal ich folge jahrelang irgendwelchen Leuten und habe das Gefühl, ich kenne die „ach, heute ist sie wieder da“ und „heute hat sie den Pulli an“ und „er ist heute wieder mit den und den Leuten unterwegs“. Und auf der anderen Seite bin ich eine Person des öffentlichen Lebens zwangsläufig, der auch eine Menge Leute irgendwie folgen und das teilweise natürlich auch schon jahrelang und die dann irgendwie eine Bindung zu dir aufgebaut haben, obwohl du die gar nicht kennst. Und das finde ich so einen interessanten neuen Aspekt, der Beziehung, diese einseitige „Ich kenne dich so gut, du kennst mich gar nicht“. Starkult ist natürlich nichts Neues, aber das hat ja mittlerweile sogar Privatpersonen ereilt, diese Obsession durch Sachen wie Tik-Tok oder Instagram. Und darum geht es in „Schnuckel“. Und das fand ich sehr, finde ich irgendwie – weiß ich nicht. Ich mag den Song. Wir spielen ihn live und ich flipp dann immer total aus, auch im Proberaum. Ich weiß gar nicht warum. Ich kann nicht an mich halten. Der löst irgendwas in mir aus. Ich weiß auch nicht, was!
Fronstage Magazine: Hast du da denn schon im Studio gemerkt „Ja, das ist er“?
Drangsal: Das war der letzte, den wir aufgenommen haben. Weil der war tatsächlich noch nicht fertig und der war auch nicht in Planung. Als ich ins Studio gegangen bin und dann kurz vor knapp, habe ich den angefangen und wir hatten einen Tag zu viel Zeit, Schlagzeug aufzunehmen und der Drummer, der den eingespielt hat, Noah Fürbringer – ein fantastischer Musiker – meinte „So, was machen wir jetzt?“, weil der das so gut, dass der früher fertig war. Und ich war so „Es gibt da noch diesen einen, der ist noch nicht fertig. Aber wenn ich den heute Nacht fertigmache, können wir den morgen aufnehmen“. Und dann habe ich „Schnuckel“ in so einer Nacht und Nebelaktion fertig geschrieben, was manchmal auch ganz gut sein kann. Du kennst es bestimmt selber auch. Manchmal ist eine Deadline auch klasse. Und dann? Dann haben wir ihn aufgenommen und das war so zack, zack, dass ich mir gar keine Gedanken machen konnte darüber, was der jetzt in mir auslöst. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum ich ihn am liebsten mag, weil er der Neuste ist, was auf den Song „Exit Strategy“ sitz sich jetzt auch schon über zwei Jahre. Das heißt und „auf Mädchen sind die schönsten Jungs“ noch länger und auf „Rot“ seit 2017 oder so. Das heißt, das ist vielleicht nicht mehr ganz so aufregend und genau deswegen. Das könnte auch sein, dass das, was damit zu tun hat, dass „Schnuckel“ für mich noch so frisch ist.
Fronstage Magazine: ein Baby sozusagen.
Drangsal: So ein Baby – ja.
Fronstage Magazine: Ich habe in anderen Interviews gehört, dass du dich da auch selber als teilweise sehr pedantisch, in Bezug auf deine Arbeit, beschrieben hast. Wenn du sehr viel Zeit hast, über diesen Song nachzudenken und eventuell dann auch noch länger dran rumzuschrauben, dann besteht ja die Gefahr es zu zerdenken.
Drangsal: Es gibt das eine und das andere. Es gibt „saugeil, wenn es mal schnell fertig wird“. Aber es gibt auch Songs, die sind leider nicht so einfach. Manchmal muss man es wirklich aus den Stücken raus prügeln und das kann mitunter sehr, sehr aufreibender und schwieriger Prozess sein und vor allem langwierig. Es gibt „ein Lied, geht nie kaputt“ hat mich zwei Jahre gekostet und vielleicht hört man es nicht. Und dann ist es auch irgendwie gut, wenn es schmissig und leichtfertig daherkommt. Aber ganz ehrlich, ich habe ewig an dem Song gesessen. Es wollte einfach nicht funktionieren und immer wieder. Und das ist aber auch so. Manchmal will man es ja nicht aufgeben. Man ist so „Nein, du musst jetzt gut werden“ und wenn es dann klappt, ist es umso geiler. Aber unter uns? Ich finde es natürlich auch geiler, je kürzer ich mich damit beschäftigen muss und je schneller fertig wird, weil das halt geil. Aber ich bin nicht mehr so! Früher habe ich wirklich so 13 – 14 Stunden am Stück Songs aufgenommen und jetzt mittlerweile geht das nicht mehr. Ich bin einfach müde. Ich will Feierabend machen. Ich kann nicht mehr. Ich kann nur noch sehr selten so Nacht und Nebel Songwriting machen. Das packe ich nicht mehr.
Fronstage Magazine: Ab 30 wird es dann noch schlimmer.
Drangsal: Dann mach ich einfach gar nichts mehr. Ein Akkord pro Tag.
Fronstage Magazine: auch schön. Siehst du dich eigentlich selber als Vorbild? Für viele bist du ein Vorbild. Dadurch, dass du auch schon früh angefangen hast, dich auch optisch abzugrenzen und deinen eigenen Weg zu gehen.
Drangsal: Ich finde das es ein nettes Beiprodukt meiner Tätigkeit. Ich will mir auch keine Verantwortung andichten. Ehrlich gesagt. Ich finde mit so einer Vorbildfunktion kommt natürlich auch eine Verantwortung, die ich nicht sehe, weil das was ich mache, erst mal sehr ichbezogen ist und das auch total egoistisch ist. Weil ich ziehe mich so an. Ich mache diese Songs, ich mache diese Kunst, weil sie mir gefällt. Und wenn das Beiprodukt davon ist, dass Leute das sehen und sagen „Krass, der macht das, also mache ich das auch“, dann finde ich das wundervoll. Das ist das Allerschönste. Aber ich wollte immer nur das. Das werden was, andere KünstlerInnen für mich waren, als ich kleiner war. so Und ich hoffe, dass ich das auch in jemandem lostreten kann, das hoffe ich schon. Dass jemand das sieht und sagt „So, das ist toll, das kann ich auch, das will ich auch“ und es dann macht. Ich will halt so am Ende eine Person mindestens so inspirieren, wie ich von bestimmten KünstlerInnen inspiriert worden bin. Das ist schön. Das sehe ich mehr so als Vorbildfunktion. Aber jetzt keine moralische Hoheit oder so, dass ich sage „das, was ich mache, ist richtig und das sollen alle anderen auch so machen.“
Fronstage Magazine: Es ist eher so, dass dadurch, dass du dich das „traust“, so zu leben, trauen sich andere dadurch dann auch.
Drangsal: Hoffentlich ja.
Fronstage Magazine: Hattest du denn jemals diesen Gedanken, dass es einfacher wäre, wenn man einfach mit der großen breiten Masse mitschwimmt und sich anpasst?
Drangsal: Ich kann das nicht. Ich weiß nicht, wie das geht. Ich habe auch nie das Gefühl, dass das, was ich mache, so fürchterlich weit draußen ist, ehrlich gesagt. Aber das liegt an meiner sehr individuellen Lebensrealität und an dieser Enklave, die ich mir geschaffen habe und um diese Blase, die um mich herum gebaut wurde durch mich selber, dass ich das alles so verschwommen ist, dass ich gar nicht sagen kann, was das bedeutet. Ich hab es, glaube ich nicht in mir Mainstream Erfolg zu haben. Und ich finde das auch nicht wirklich erstrebenswert. Ich habe schon so viel mehr mit meiner Musik erreicht, als ich mir vor fünf, sechs, sieben, acht Jahren erlaubt hätte zu träumen. Und das finde ich geil. Und ich weiß gar nicht, ob ich nicht darunter zerbrechen würde, wenn so viel passieren würde. Ich habe heute ein Gespräch geführt, auch vor der Kamera mit Bill Kaulitz, und ich habe ihn total ausgefragt, weil das wäre zum Beispiel, da wäre ich einfach zu Grunde gegangen dran. Und dass ihm nichts passiert ist, finde ich, ist es krass, weil das ist so ein Level von Erfolg und von Mainstreamerfolg, von dem ich mir wünschen würde, dass mir der erspart bleibt. Ich brauche das ehrlich gesagt nicht. Nein.
Fronstage Magazine: Also bei ihm war das auch wirklich krass schnell.
Drangsal: Schnell und vor allem viel zu früh und was weiß ich. Darum sollte es auch nicht gehen. Aber ich habe nicht das Gefühl, dass es einfacher für mich wäre, wenn ich mich besser anpassen würde. Ganz im Gegenteil. Und wie gesagt, ich fühle mich ja nicht unangepasst und ich glaube nicht, dass ich mich mehr anpassen kann.
Fronstage Magazine: Gibt es mit deiner Musik irgendein Ziel, was du unbedingt mal erreichen möchtest? Jetzt ein bestimmtes Festival oder so was?
Drangsal: Wie gesagt, ich alles, was jetzt noch passiert ist, ist heftig, weil ich nicht gedacht hätte, dass ich überhaupt so lange schaffe, das zu machen und dass ich das so lange machen darf. Ich fühle mich unfassbar privilegiert, weil ich weiß, dass ich es bin. Und ich find’s klasse, dass Leute sich die Zeit nehmen, mit mir über meine Mucke zu sprechen und das Interesse an den Platten gibt. Und das Ziel ist es, so lange machen zu dürfen, wie ich und die Leute Bock haben. Das wäre geil, wenn ich in 20 Jahren noch Bock habe und den und dann die Leute auch noch hören wollen. Das wär geil. Wenn ich keine Lust mehr habe, dann will ich auch aufhören dürfen und was Anderes machen dürfen.
Fronstage Magazine: Was könntest du dir vorstellen, abseits der Musik und Podcast zu machen?
Drangsal: Drechseln oder irgendwas bauen. Irgendwas, was man…ob ich handwerklich begabt bin? Nein, aber das wäre ja dann eine gute Gelegenheit, es zu lernen. Nö, irgendwas, was ganz anders ist. Natürlich Musik wird immer eine riesige Rolle in meinem Leben spielen, gehe ich mal davon aus. Das lässt sich nicht einfach so abbestellen. Aber ich glaube schon, dass ich mir so was vorstellen könnte. Auch wie so eine Arbeit, in der man sich so richtig heftig verlieren kann. So was wie Schreinerei.
Fronstage Magazine: Gab es denn jemals einen ernsthaften Plan B?
Drangsal: Nein. Ja, also, ich wollte irgendwas mit Musik machen, also habe ich versucht, an die Popakademie zu kommen und Musikbusiness zu studieren, das ging damals noch nicht ohne Berufserfahrung, also musste ich die erst mal sammeln. Deswegen bin ich nach Berlin gegangen, hab dann bei einem Label gearbeitet und bin dann dort versackt und hatte einfach nur Glück. Ich hatte sehr viel Glück, dass sich Menschen meiner angenommen haben und mich ans Ziel gebracht haben.
Fronstage Magazine: Und Glück und Talent. Na ja, das gehört ja auch dazu.
Drangsal: Talent. Es kommt darauf an Talent für was? So ich habe natürlich auch irgendwie ein Talent, mich zu vermarkten. I guess. Und das fehlt vielen KünstlerInnen, denen es dann auch nur wichtig ist nur Musik zu machen. Und ich hatte schon immer gute Leute um mich rum, die es auch gut mit mir gemeint haben und dafür bin ich sehr dankbar. Aber einen ernsthaften Plan B? Ja, zurück ins Callcenter. Also das ist auch kein Witz. Das war der Plan B einfach. Weiter das machen, was ich vorher auch gemacht habe Mucke hören und im Call Center arbeiten und mich beschissen fühlen. Da war das Leben als Musiker dann irgendwie erstrebenswerter und als sich die Möglichkeit bot, probiere ich es vielleicht auch einfach mal schlimmer kann sie ja nicht wirklich werden.
Fronstage Magazine: Definitiv nicht. Hast du irgendwann mal das Gefühl gehabt, angekommen zu sein oder bist du einfach stetig in der Entwicklung?
Drangsal: Ich habe jeden Tag irgendwo Momente, wo ich wo irgendwas fertig wird, was ich angefangen hab. Oder zumindest wünsche ich mir, dass jeder Tag ein Schritt nach vorne ist. Und dann fühle ich mich ganz bei mir. Aber so ein richtiges Ankommen, das will ich gar nicht. Ich will immer irgendwas machen und ich muss auch immer irgendwas machen. Deswegen gebe ich Interviews bis 9 Uhr abends und deswegen macht man immer weiter, weil man viel will, weil das erfüllt mich halt. Ich will machen. Dann fühle ich mich am Leben. Aber so bei mir. Schwierig. Müsste ich mir erst mal ausdenken, was das bedeutet.
Fronstage Magazine: Aber sobald man sich da was ausgedacht hat, verschiebt sich das eh immer wieder.
Drangsal: Das glaube ich auch, das fühle ich sehr.
Fronstage Magazine: So wie ich auch immer noch auf dieses Gefühl warte, irgendwann mal erwachsen zu sein und das Leben im Griff zu haben von dem ich gedacht hätte, dass ich es in meinem Alter haben müsste.
Drangsal: Ich glaube, es kommt immer anders, als man es sich so ausgemalt hat, als man jung war. Ich würde gerne nur in der Zeit zurückreisen, um einem 16jährigen, pummeligen Max auf dem Dorf den glatzköpfigen Popmusiker zu zeigen, der er mal werden würde und sagen „Guck mal, das ist die Musik, die du mal machst“ und der würde wahrscheinlich einfach ohnmächtig werden und sagen „Auf gar keinen Fall, das ist doch Quatsch“. Und das finde ich irgendwie schön, dass es halt auch nicht so ist. Dass man nicht alles im Griff hat und dass nicht alles so gekommen ist, wie man sich es ausgemalt hat, sondern dass man halt mit den irren Wirrungen, die das Leben bereithält, auch einfach irgendwie klarkommen muss. Keiner hat gesagt, es wird einfach.
Fronstage Magazine: Wäre auch sehr langweilig, wenn es einfach wäre.
Drangsal: hier und da darf ess gerne etwas einfacher sein.
Fronstage Magazine: Ja, definitiv auf das eine oder andere in meinem Leben hätte ich auch verzichten können. Aber man wächst dran.
Drangsal: hoffentlich im besten Falle.
Fronstage Magazine: In deinem Album geht es ja auch um Liebe.
Drangsal: Immer!
Fronstage Magazine: Wie definierst du Liebe?
Drangsal: Liebe hat viele Gesichter. Ich liebe Musik vor allem. Das ist die reinste Form der Liebe, die ich empfinden kann.
Fronstage Magazine: Schön gesagt.
Drangsal: ja, das ist wirklich so. Das ist das. Das ist das erste, woran ich denke ich bin. Es ist auch eine Obsession. Und Liebe kann ja auch oft obsessiv sein.
Fronstage Magazine: Damit sind wir auch leider schon am Ende. Ich danke dir sehr herzlich für deine Zeit.
Drangsal: Ich danke dir für deine Zeit, dieses Gespräch. Ich hoffe, du hast noch einen entspannten Abend.
Fotocredit: Max von Hofe