Die letzten beiden Tage des Wacken Open Air 2025 boten noch einmal alles, was das weltgrößte Metal-Festival ausmacht: energiegeladene Auftritte, legendäre Acts, überraschende Premieren – und natürlich das berühmt-berüchtigte Wetter. Zwischen matschigen Wegen, strahlender Abendsonne und ausgelassener Stimmung erlebten die Besucher ein Finale, das in Erinnerung bleibt.
Der Freitag in Schleswig-Holstein startete bereits am Mittag Für die jüngeren, und junggebliebenen, Besuchende mit Heavysaurus für Metal mit Augenzwinkern. Im Wacken United Bereich gaben die Dinos und der Drache noch eine zuckersüße Pressekonferenz, bei der natürlich die Demonstration ihres Könnens nicht fehlen durfte. So gab es noch einmal einige Songs hautnah in kleiner Runde zu bestaunen, welche allen Beteiligten ein Lächeln ins Gesicht zauberte. Heavysaurus bleibt damit der Inbegriff von musikalischer Früherziehung. Im Infield folgte die energiegeladene Show von Lakeview, die ihres Zeichens die erste Countryband waren, die je auf dem Wacken Open Air gespielt haben. Dies war eine ganz besondere Ehre, die die beiden Jungs aus den USA absolut zu schätzen wussten, wie sie uns später im Interview erzählten. Mit Tracks wie „Money Where Your Mouth Is“ oder „See Me In a Suit“ unterstrichen sie ihre „Blue Collar“-Mentalität, die in ihrer Heimat für harte Arbeit steht. Als Newcomer auf dem Wacken heizten sie ihr Publikum an und gaben ihr Maximum. Auch minimale technische Probleme konnte die Wucht der Performance nicht bremsen. Doch gab es auch romantischere Seiten, denn eins der typischsten Motive in der Countrymusik, der Herzschmerz, durfte natürlich auch nicht fehlen. Rundum machte die Band einen soliden Eindruck und empfiel sich mit ihrem ersten Wacken-Auftritt durchaus weiter.
Ein uneingeschränktes Highlight am Abend hörte auf den Namen The Boomtown Rats von und mit Bob Geldof. Kaum ein Act dürfte so sehr in die Kategorie „Hätte man nicht gedacht, noch einmal live zu sehen“ fallen. Geldof – begleitet von einer überzeugenden Liveband – legte eine mitreißende Show hin. Er kniete schon im zweiten Song, spielte ein beeindruckendes Mundharmonika-Solo und wirkte angenehm exzentrisch. Schon in den ersten Minute hatte sich der 73-jährige mehr bewegt als Axl Rose am Vortag. Dazu stand das erste Mal die untergehende Sonne am Firmament und schenkte uns den ersten erlebbaren Sonnenuntergang in Wacken. Dies ließ auch Geldof nicht umkommentiert, da der Moment nicht perfekter hätte sein können. Den bekanntesten Song „I Don’t Like Mondays“ widmete er mit einem emotional aufgeladenen politischen Statement Palästina und der Ukraine, bevor der Rock’n’Roll mit „Against the World“ wieder die Oberhand gewann. Wobei hier die Romantik des Songs unverkennbar war und sich auch vor der Bühne die kleine Crowd gegen die Hauptbühne verschwor, auf der gerade Papa Roach performte. Tatsächlich war es absolut die richtige Entscheidung diesen kleineren Auftritt zu wählen, nach einer Stunde Spielzeit und dem Song „The Boomtown Rats“ als krönenden Abschluss, bestand kein Zweifel mehr daran, dass dies der beste Auftritt des diesjährigen Festivals gewesen sein musste. Der Gig hatte alles, was ein Konzert braucht, und hinterließ ausschließlich beseelte Menschen zurück, die konsequent „One more song!“ forderten – so geht ganz großes Festivalkino und das nach sage und schreibe 50-jährigem Bestehen, Chapeau!
Wie gesagt feierten währenddessen Papa Roach ihr Wacken-Debüt als Headliner auf der Faster Stage. Die Nu-Metal-Ikonen um Jacoby Shaddix lieferten ein Set zwischen Nostalgie und der typischen unbändigen Energie, das zeigte, warum sie auch 25 Jahre nach ihrem Debütalbum „Infest“ noch ganz vorne mitspielen. Davon wollte sich auch die Mehrheit des Publikums überzeugen, was das gesamte Infield bis zur temporären Schließung füllte. Die US-Amerikaner begegneten ihrer Headlinerrolle gebührend und trotzdem noch vorfreudig aufgeregt, wie sie uns im Interview verrieten. Abseits der Bühnen sorgten Programmpunkte wie Lesungen, die Enthüllung der offiziellen W.O.A-Briefmarke oder die neue Special Edition des „Lustigen Taschenbuchs Heavy Metal“ für Abwechslung.
Der Samstag stand im Zeichen großer Namen und früher Abschiede. Schon am Nachmittag lockte die französische Metal-Gewalt Gojira die Fans vor die Bühne, bevor am späten Abend Machine Head das W.O.A 2025 offiziell beschließen sollten. Auch jenseits dieser Headliner gab es noch einige Glanzpunkte: Die Frau, die Tarja bei Nightwish beerbte, Floor Jansen, begeisterte mit ihrer unverwechselbaren Stimme auf der Harder Stage, während Vulvarine und Dool auf den kleineren Bühnen eindrucksvoll zeigten, dass Wacken auch Bühnen schafft für Bands, die noch keine jahrzehntelange Erfahrung vorweisen können. Für viele begann der Samstag jedoch bereits mit weitaus pragmatischeren Gedanken, die sich damit befassten, wie man wohl am besten von den komplett durchnässten Flächen abreisen könnte. Das immer schlechter befahrbare Gelände zwang einige Besucher zu einer verfrühten Abreise. Jedoch war dies angesichts der Schlammmassen eine absolut nachvollziehbare Entscheidung. Bis zum nächsten Jahr in Wacken wollte man nun sicherlich keinen Schlamm mehr sehen, da der Matsch die Reise übers Gelände von Minute zu Minute beschwerlicher werden ließ und am Ende durchaus den Spaß einschränkte.
Aber auch das gehört zu Wacken und diese Ausgabe zeigte wieder imposant, dass Rain or Shine mehr als nur dahin gesagt ist, sondern ein Motto ist, welches tausende Menschen für eine Woche lang in der norddeutschen Gemeinde vereint. Auf keinem anderen deutschen Festival ist der Sinn für Gemeinschaft und die Unbekümmertheit übers Wetter so stark ausgeprägt wie in Wacken. Das macht das Festival so einzigartig und sorgte für den Umstand, dass bereits die ersten 10.000 Tickets für das W.O.A 2026 am Samstagmorgen direkt an den Merchständen in den Verkauf gingen. Wacken ist und bleibt ein Phänomen, wobei die Vorfreude auf das 35.te Jubiläumsjahr wahrscheinlich schon während der letzten Riffs begann.

Fotocredits: Titelbild: WOA Festival GmbH (Rolf Klatt) sowie Kevin Randy Emmers