Erst vergangenes Jahr feierte die Punk-Rockband Donots ihr 25-jähriges Bestehen mit großen Headline-Shows in ganz Deutschland. Wie alle anderen Kulturschaffenden ist auch die Gruppe aus Ibbenbüren von der Corona-Pandemie betroffen, obwohl Frontmann Ingo eigentlich ohnehin ein Sabbatical geplant hatte, wie er unseren Redakteure Kevin und Jacky im Interview berichtet. Welch ein Glück also, dass die Band die Konzerte im letzten Jahr aufgenommen haben und nun nach 26 Jahren Bandgeschichte am 04.12.2020 ihr erstes Live-Album herausbringen wird. Was es sonst noch zu der Platte zu sagen gibt, erfahrt ihr im Interview.
Frontstage Magazine: Wie geht’s euch aktuell? Wie verbringt ihr eure Zeit? Bei Ingo wissen wir ja dank Social Media, dass er ganz verliebt in seine neue PS5 ist.
Ingo: Ich hab‘ gerade nicht zugehört, weil ich „Demon’s Souls“ gespielt habe… Wie war die Frage nochmal?! Haha, Spaß beiseite: 2020 war glaube ich für alle ein Jahr, dass im Nachgang nicht wirklich existiert hat. Wir hatten das Jahr ja seinerzeit als Sabbat-Jahr geplant – mit dem Resultat, dass quasi jeder Mensch irgendwie eines daraus gemacht hat. Wir können uns aber nicht beschweren: Wir und all unsere Familien sind gesund, wir bringen aus Versehen genau zur richtigen Zeit unser erstes Live-Album nach einem Vierteljahrhundert raus und schrauben im Rahmen der Corona-Möglichkeiten ganz entspannt und ohne Zeitplan an ein paar neuen Songs. So, und jetzt wieder zurück zur Konsole… Ach, Ihr habt noch mehr Fragen?! Ja ok, weil Ihr’s seid…
Frontstage Magazine: Danke dir, wir fühlen uns geschmeichelt! Nächstes Jahr schreibt ihr 26 Jahre Bandgeschichte. Könnt ihr uns das Gefühl beschreiben, wie es ist mehr als ein Vierteljahrhundert gemeinsam als Band unterwegs zu sein?
Ingo: Ich glaube, wir sind vor allen Dingen einfach sehr dankbar für all die unbezahlbaren, unvergesslichen Momente, die wir gemeinsam erleben dürfen. Ich meine: Hey, wir machen seit über 2 Dekaden das, was uns am meisten Spaß macht, reisen durch die Weltgeschichte, treffen tolle Leute, touren mit grandiosen Bands, haben ein Stress-Ventil, ein 24-Stunden-Hobby, überall Kühlschränke, in denen Licht brennt, und mit all dem professionellen Danebenbenehmen dürfen wir unseren Lebensunterhalt bestreiten. Es könnte alles schlimmer sein…
26 years and counting
Der WDR hat anlässlich der „Silberhochzeit“ eine sehr sehenswerte Doku über die fünf Jungs gezaubert. Diese können wir nicht nur eingefleischten Stunde-Eins-Fans wärmstens empfehlen!
Frontstage Magazine: Stimmt! Zum ersten Mal in den genannten zweieinhalb Dekaden wird es nun am 04.12.2020 endlich das allererste Mal ein Live-Album von euch geben. Aus welchem Grund kam es nicht schon früher dazu?
Ingo: Wie so oft ist immer Bock der ausschlaggebende Grund dafür. Wir fahren eigentlich immer auf Sicht, planen nicht ultraweit in die Zukunft und wenn sich dann etwas richtig und gut anfühlt, dann machen wir’s. Und weil wir letztes Jahr die größten Donots-Headline-Shows spielen durften zum 25. Jubiläum, haben wir die Konzerte kurzerhand mitgeschnitten und nun mit „Birthday Slams Live“ das Best Of davon auf Langspielplatte gebannt.
Frontstage Magazine: Das klingt sehr schicksalhaft. Vor allem gibt es noch einen Anlass für das Livealbum: Mit den Erlösen aus den Verkäufen wollt ihr eure Live-Crew unterstützen. Heißt, dass die kompletten Einnahmen an eure FOH- und Licht-Techniker*Innen, Backliner, Merchandise-Personal und Tourleitung gehen. Was bedeutet euch also dieses besondere Album?
Ingo: Das ist das tolle an unserem Job und an dem ganzen Punkrock-Zirkus: Du kannst den Spaß an der Sache und den DIY-Spirit einfach immer auch mit sinnvollen und guten Aktionen unterfüttern. In der Vergangenheit haben wir ja beispielsweise schon für Festivals wie „Jamel Rockt Den Förster“ mit einer Soli-7“ gesammelt – und jetzt machen wir das halt für unsere Live-Crew, die – wie die meisten Soloselbstständigen dieser Tage – einfach derzeit ihrem Beruf und Berufung nicht nachgehen können. Warum also nicht mit ein paar zusätzlichen Goodies, die es zur Bestellung der Platte in unserem Shop gibt, nicht einmal für die Freundinnen und Freunde sammeln, die uns auf der Bühne gut klingen und aussehen lassen, die immer wieder mit einem Lächeln im Gesicht Blut und Schweiß für uns geben, ohne die wir überhaupt nicht unterwegs sein könnten und die jeden Tag weit mehr Zeit auf Tour in eine laufende Tagesroutine investieren als wir? Auch mal ganz explizit dankbar sein, auch mal was zurückgeben, ist die Devise.
Frontstage Magazine: Das ist ja auch eine bezaubernde Idee! Am Freitag habt ihr vorab eine Single veröffentlicht, und zwar „Calling„. Seiner Zeit live aus der ausverkauften und überkochenden Columbiahalle in Berlin am 26.04.2019. Wieso ausgerechnet der Song? Immerhin hättet es auf dem Werk noch 20 andere Tracks zur Auswahl gegeben.
Ingo: Der Song ist wie einige weitere absolut essentiell für unsere Live-Setlist. Der subsummiert großartig den Sportgitarren-Drive, die Pop-Affinität und die Stadion-Chöre, die uns glaube ich live so sehr ausmachen. Der Song ist recht zeitlos und da fliegt jedes Mal das Dach von der Halle – zu einer sehr frühen Position auf unserem Spielplan.
Frontstage Magazine: Das Live-Album jetzt entstand also aus Bock und dient primär der finanziellen Absicherung eurer Crew. Wie seht ihr aktuell die Chancen auf einen regulären Festivalsommer 2021 oder einen Herbst mit normalen Konzerten?
Ingo: Das Album dient AUCH der finanziellen Absicherung unserer Crew. Aber es ist auch eine Standort-Bestimmung, ein weiterer Haken auf der Bucketlist und in diesen merkwürdigen Zeiten wahrscheinlich das allerbeste Zeichen: Irgendwann wird es hoffentlich wieder laut, schwitzig, nah und euphorisch – und das mit vielen guten Freundinnen und Freunden auf engstem Raum. Bis dahin ist das hier eine 21-Song-Durchhalteparole. Ich bin ganz ehrlich: Vor Herbst 2021 würde ich noch nicht wieder mit Konzerten im großen Stil rechnen, egal wie nah der Impfstoff auch sein mag. Ich denke da vor allen Dingen an die großen Festivals, die ganz sicher niemanden finden werden, der Anfang 2021 Großveranstaltungen, wie wir sie alle kannten und lieben, mal eben versichern wird. Da hängt ja neben dem wichtigsten Faktor, der Gesundheit aller Beteiligten, natürlich auch ein Rattenschwanz in Sachen Logistik und Finanzen dran…
Frontstage Magazine: Leider finden durch die Corona-Pandemie immer mehr rechte Gruppierungen im öffentlichen Raum ihren Platz. Wie schätzt ihr diese aktuelle Situation ein und was müsste eurer Meinung nach passieren, um diese angemessen zu bewältigen?
Ingo: Das ist so traurig wie erwartbar. Sobald es Möglichkeiten gibt, Ängste bei der Bevölkerung zu schüren, werden sich die Rattenfänger die schwächsten Glieder in der Kette suchen und versuchen, auf ihre Seite zu ziehen. Das war schon immer so – nur ist momentan der Nährboden für derartige Ängste natürlich verständlicherweise viel viel größer. Es ist einfach wichtig, dass weiterhin offen dagegen gesprochen wird im echten wie im digitalen Leben, das vor allem regelmäßig Fakten und Quellen gecheckt, falsche Behauptungen falsifiziert und Lügen offengelegt werden. Und das ein Vertrauen darauf geschaffen wird, dass die aktuellen Maßnahmen, das Aussetzen der Veranstaltungen und Treffen absolut sinnvoll bleiben – egal, wie trist 2020 auch erscheinen mag im Nachgang.
Frontstage Magazine: Wie malt ihr euch das erste, richtige Konzert „danach“ aus? Wie sieht die perfekte Eskalation aus?
Ingo: Ich stelle mir die ganze Zeit vor, wie unser Intro aus der Dose startet und das Publikum schon darüber vollkommen eskaliert, man trotzdem noch den großen Moment herauskitzelt, bevor dann alle, aber auch ALLE Dämme brechen, wenn die Band schließlich live und laut einsetzt. So zu hören übrigens auf der „Birthday Slams Live“ Platte zu Beginn. Und dieser Moment dann potentiert mit 1000000. Jener Augenblick wird glaube ich das euphorischste und tränenreichste werden, was einer Band und seinem Publikum live überhaupt passieren kann – und ich freu mich so sehr darauf!!!
Frontstage Magazine: Unsere Letzte Frage fällt immer etwas aus der Reihe. In Zeiten von Corona feiern Brettspiele gerade eine kleine Renaissance. Welches Spiel spielt ihr am liebsten?
Ingo: Ich bleibe weiterhin Konsolenzocker, weil ich am liebsten allein und konzentriert spiele, aber wenn es ein Brettspiel sein muss, dann wahrscheinlich immer noch das MAD-Brettspiel, weil es komplett bescheuert und gaga ist. 🙂
Frontstage Magazine: Dankeschön lieber Ingo! Wir wünschen euch einen guten Release am Freitag und bleibt gesund.
Ingo: Ihr bitte auch, Dankeschön für das Interview!
Fotocredit: Marcel West