Lena Stoehrfaktor ist eine Künstlerin, die sich mit voller Leidenschaft dem Hip-Hop verschrieben hat – nicht nur als musikalisches Genre, sondern als Sprachrohr für gesellschaftliche Missstände und persönliche Kämpfe. Seit zwei Jahrzehnten steht sie für DIY-Mentalität, politische Texte und unermüdliches Engagement. Mit ihrem neuen Album „Pretty World“ zeigt sie erneut, dass sie nicht davor zurückscheut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und Perspektiven zu bieten, die in der Musik oft zu kurz kommen. Im Interview spricht Lena über die Herausforderungen, die sie als Sozialarbeiterin und Aktivistin erlebt hat, die Entstehung ihres neuen Albums und ihre internationalen Kollaborationen. Sie erzählt von ihrer Motivation, trotz Widerständen weiterzumachen, und teilt ihre Hoffnung, Menschen dazu zu inspirieren, anders zu sein und ihre eigene Meinung selbstbewusst zu vertreten.
Frontstage Magazine: 20 Jahre DIY-Mentalität – was hat dich in all diesen Jahren motiviert, trotz Widerständen und Herausforderungen weiter Musik zu machen, die unbequem ist?
Lena Stoehrfaktor: Mich motiviert die Möglichkeit, meine Stimme zu erheben und meinen Senf zu allem dazu zu geben, was ich mir aussuche. Ich kann die Themen setzen, wie ich möchte und etwas mitmischen in der Gesellschaft. Außerdem liebe ich Hip-Hop. Meine Leidenschaft ist es zu rappen. Ich bin ein sehr politischer Mensch und kann meine Klappe zu den Zuständen nicht halten. Dazu habe ich eine sehr starke Meinung, die sich oft gar nicht überschneidet mit den Mehrheitsmeinungen. Ich möchte gerne Menschen darin bestärken, dass es ok ist, anders zu sein und eine eigene Meinung zu haben und dazu zu stehen. Es wäre schade, wenn ich aufhöre, obwohl es anstrengend ist 😉
Frontstage Magazine: Dein Album „Pretty World“ greift gesellschaftliche Missstände auf, die du auch in deiner Arbeit als Sozialarbeiterin erlebst. Wie stark beeinflusst diese Arbeit deine Musik, und wo ziehst du die Grenze zwischen beruflicher und künstlerischer Perspektive?
Lena Stoehrfaktor: Ich habe leider einen Burnout erlitten von 12 Jahren Praxis in der Sozialen Arbeit. Der Kapitalismus ist ein extrem unfaires System, welches Menschen marginalisiert und die Marginalisierten dann immer weiter an den Rand drängt. Ich habe keinen Bock mehr darauf, dass immer die gleichen Leute sich engagieren für eine bessere Lösung für alle und die anderen einfach nur weiter Profit scheffeln und unsoziale Politik machen oder unterstützen. Während die Reichen immer reicher werden und die Armen immer ärmer und alles, was keinen wirtschaftlichen Mehrwert bringt an seinen Platz in der Ecke der Gesellschaft verwiesen wird, ist es sehr schwer, die Probleme aufzufangen im Rahmen einer schlecht bezahlten Helfer*innen Tätigkeit ohne Wertschätzung. Ich konnte irgendwann nicht mehr. Alles, was ich erlebe und erlebt habe, schreibe ich in meinenTexten nieder und engagiere mich bei Auftritten sozial. Ich bin ein Mensch, dem vieles nahegeht, deshalb und nicht nur „Sozialtante“ bin, aber die gesellschaftlichen Zustände werden immer Einzug in meine Texte erhalten. Ich sehe mich nicht nur als Musikerin, sondern auch als Aktivistin. Ich kenne sehr viele Aktivist*innen, die ausbrennen, weil es hart ist, immer konträr zu den Zuständen zu arbeiten. Ich möchte allen viel Kraft wünschen.
Frontstage Magazine: Die erste Single „Rauch in der Luft“ war ursprünglich für den Soundtrack eines Films gedacht und wurde zum Auslöser für das Album. Wie kam es dazu, dass aus einem Song ein ganzes Album entstand?
Lena Stoehrfaktor: Julian und Claire von Film Fatal hatten mich angeschrieben, weil sie gerne wollten, dass ich einen Song zum Soundtrack ihres Films „7 Tage Stress“ beisteuere. Sie hatten die Idee, einen Song aus der Perspektive eines Dealers zu machen. Ich war direkt dabei. Blake ist ein Kumpel von den beiden und hatte den Beat gemacht. Da uns der gemeinsame Song so gut gefallen hat, haben wir direkt weitergemacht. Blake hat mir so viel dope Beats geschickt und nach knapp zwei Jahren war das Album dann fertig. Da uns der gemeinsame Song so gut gefallen hat, haben wir direkt weitergemacht. Blake hat mir so viel dope Beats geschickt und nach knapp zwei Jahren war das Album dann fertig und wir sind sehr stolz darauf. Wir haben auch beide eine ähnliche Vorstellung von Hip-Hop, haben uns Hunderte Sprachnachrichten hin und her geschickt und es hat einfach gepasst. Wir lieben einfach auch BoomBap, eine wunderbare Musikrichtung, die früher mal Hip-Hop hieß und jetzt eine Nische ist 😉
Frontstage Magazine: Mit Features von Künstler:innen wie Eligh, Sabac Red und Shanel ist dein Album auch international geprägt. Wie kam es zu diesen Kollaborationen, und was bedeuten sie für den Sound und die Botschaft von „Pretty World“?
Lena Stoehrfaktor: Alle 3 Features waren richtige Wunschkollabos von mir. Blake hatte Kontakt zu Sabac und Eligh, ich zu Shanel. „Petty World“ ist alles das, was mehr Schein als Sein ist. Ich wollte mit den Texten auf den Zustand der Welt eingehen und die Oberflächlichkeit der Dinge, mit denen wir uns beschäftigen, aufzeigen. Das, was uns als Pretty verkauft wird, ist oft das Gegenteil davon. Ein geiles Auto ist einfach nur Statussymbol wie ein hübsches Gesicht oder teure Kleidung. Es sagt gar nichts aus über die Werte, die eigentlich wichtig sind und lenkt eher von ihnen ab. Da das Private auch politisch ist, vermischen sich die Themen natürlich. “ Nachts“ mit Eligh ist eher ein persönlicher Song, bei dem es um Depressionen und mentalen Struggle geht, aber auch um das fertig werden mit dem System. „Upperclass“ mit Shanel ist ein radikaler Song gegen das bürgerliche Establishment, Institutionen, Staat und Kapitalismus. „Streichholz trifft Benzin“ mit Sabac beschreibt viele Dinge, die politisch falsch laufen, von denen ich jetzt nicht weiß, wo ich anfangen soll zu erzählen und ich denke, das geht vielen so. Hört das Album.
Das neue Album findet ihr z.B. hier.
Fotocredit: Norman Ulloa