Neues Jahr, neues Glück! Viele Open Air Formate gehen in diesem Sommer coronabedingt in die zweite Runde. So hieß es für die Vor Deiner Tür Konzerte, ehemals Cruise Inn, im Hamburger Hafen willkommen zurück am Cruise Center Steinwerder. Die diesjährige Ausgabe wurde von Alligatoah eröffnet, den es zum Auftakt der Konzertreihe am Wochenende gleich im Doppelpack zu sehen gab.
Damit war der Hauptact klar benannt, wobei es sich nicht um Alligatoah Shows im klassischen Sinne handelte. Also schon klassisch, aber nicht wie man es mit einem aufwendigen Bühnenbild und Support von Battleboi Basti gewohnt war. Vielmehr wurde der 31-jährige an beiden Tagen von dem Gregor-Schwellenbach-Streichquartett begleitet, sodass eine interessante Symbiose von Deutschrap und Klassik kreiert wurde. Dieses Konzept wurde bereits von den beiden Voracts aufgegriffen. Am Donnerstag brillierte die zauberhafte Esther Graf mit ihrer Begleitung auf Akustikgitarre. Am nächsten Abend stand 1986zig der 22-jährigen Österreicherin in puncto außergewöhnlicher Stimme in nichts nach und überzeugte makellos.
Nach diesen zwei hervorragenden Voracts ging es für den feinen Herrn Gatoah mit seinen vier Mitstreiter*innen im braunfarbenen Einheitslook, bestehend aus Hose, Hemd, Cap und Namensschild auf die nackte Bühne. So erinnerte die Truppe optisch an UPS. Dieser Eindruck wurde durch ein großes Paket im Zentrum der Bühne verstärkt. Alligatoah stellte die Künstler*innen als Paketboten vor, die in Akkordarbeit ihr besonderes Paket ausliefern wollen. Die ersten drei Songs fanden in sehr geordneten Bahnen statt, da Alligatoah wie sein Mini-Orchester, bestehend aus zwei Geigen, einem Cello und einem Kontrabass, auf einem Bürostuhl vor einem Notenständer saß. Dieses Bild erinnerte stark an ein klassisches Ensemble bis der Sänger immer freier wurde und sich auf seinem Stuhl verrenkte bis er beim vierten Song „Monet“ endlich aufsprang. Trotzdem erläuterte er noch einmal wortreich und eloquent die Vorteile des Sitzens, schließlich sitzt sein Publikum ebenfalls immer auf vier aneinandergeketteten Plastikstühlen vor ihm.
Unserem Gefühl nach waren die ausgiebigen Zwischenmoderationen am ersten Abend geschickter formuliert und noch mehr auf den Punkt gebracht als am Freitag. Die Ansagen waren zwar immer witzig verpackt, aber insgesamt hätten wir lieber einen Song mehr gehört. Nichtsdestotrotz ging das Gesamtkonzept Rap mit Streichern zu vereinen wunderbar auf. Zudem bietete das Programm den drei Damen und dem einen Herren immer wieder Möglichkeiten zu zeigen, wie meisterhaft sie ihre Instrumente beherrschen, zum Beispiel als sie Titelthemen berühmter Serien wie „Game Of Thrones“ nachspielten. Abwechslung boten zudem ein Medley seiner letzten Feature-Songs, eine sehr kurze Metal-Einlage, die wir gerne länger erlebt hätten, sowie das Paket, denn das hatte es wirklich in sich. Genauer gesagt hatte es sogar einen ganzen Menschen in sich, der das Paket mimte und in seinem Pappkarton fröhlich über die Bühne tanzte. Unser Respekt geht raus an diese Person, die immerhin nahezu die Hälfte der Zeit bewegungslos im Karton sitzend ausharren musste, um den Eindruck eines gewöhnlichen Paketes zu erzeugen.
Die Highlights der Show gab es wie meistens am Ende zu bestaunen. So durften sich die Zuschauer*innen am 30.07. über die gemeinsame Performance von Alligatoah und Esther Graf freuen, die ihre im Juni erschienene Single „Mit dir schlafen“ zusammen sangen. Während das Publikum am ersten Abend insgesamt lauter war, erlebten wir es am 31.07. vor allem beim aktiven Mitsingen. Unser Magic Moment der beiden Tage war als am ersten Abend zu „Du bist schön“ plötzlich alle wie auf ein geheimes Zeichen von ihren Plätzen, auf denen sie zuvor die ganze Zeit saßen, aufstanden und gemeinsam tanzten und sangen. Das sich anschließende „Willst du“ wurde ebenfalls auf diese Weise zelebriert.
Alles in allem bereitete Alligatoah mit seinen Gästen den Hamburger Vor Deiner Tür Konzerten einen überaus gelungenen akustischen Anfang. Unser Fazit damit ganz klar, dass Deutschrap mit klassischen Streichern verdammt gut klingt und häufiger zu hören sein sollte.
Fotocredit: Kevin Randy Emmers