Heute am 22. Oktober wird weltweit der Welttag des Stotterns begangen – ein Tag, der aufklären, vernetzen und vor allem eines schaffen soll: Sichtbarkeit. Einer, der diesen Gedanken lebt und weit über diesen Tag hinausträgt, ist MKSM. Als Musiker, queerer Aktivist und erster offizieller Botschafter der Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe (BVSS) nutzt er seine Plattform, um Sprachvielfalt, Akzeptanz und Empowerment zu fördern. Im Gespräch mit uns dem Frontstage Magazine spricht MKSM über seine persönliche Reise zum offenen Umgang mit dem Stottern, über die Kraft von Musik und Sprache – und warum Sichtbarkeit der Schlüssel zu echter Teilhabe ist.
Frontstage Magazine: Der 22. Oktober steht weltweit im Zeichen des Stotterns. Was bedeutet dieser Tag für dich persönlich – besonders jetzt, da du offiziell Botschafter der BVSS bist?
MKSM: Als Künstler, als queerer Aktivist und als stotternder Mann ist es mir eine Ehre, der erste Botschafter der BVSS zu sein. Stotternde Menschen leben überall – wir sind viele, allein in Deutschland rund 800.000. Der Welttag des Stotterns bedeutet in erster Linie Sichtbarkeit und wir brauchen Sichtbarkeit.
Frontstage Magazine: Du sprichst sehr offen über dein Stottern und nutzt deine Reichweite, um das Thema sichtbar zu machen. Wie schwer war der Weg zu dieser Offenheit – und welche Reaktionen bekommst du heute aus deiner Community?
MKSM: Der Weg war nicht easy, gerade weil ich bis vor wenigen Jahren noch stark gestottert habe und gleichzeitig aber auch sehr bemüht war, dass die Außenwelt davon nichts mitbekommt – das hat mich unter einen enormen Druck gesetzt. Durch jahrelange Psychotherapie kann ich jetzt sagen, dass ich das Stottern als einen Teil von mir annehmen kann – nicht immer, aber immer mehr. Diese Selbstliebe hat auch dafür gesorgt, dass ich erstmals zu meiner Sprache gefunden habe. Ich weiß jetzt, dass ich alles sagen kann und vor allem, dass ich nie wieder still sein will, weder als queerer Mann, noch als Aktivist oder als Künstler. Und das Feedback der Community ist unheimlich wertschätzend. Gerade letzte Woche war ich in München beim Bundeskongress Stottern und Selbsthilfe – die Gespräche nach meiner ersten Rede als Botschafter waren auch für mich sehr bewegend.
Frontstage Magazine: Als Künstler und Aktivist vereinst du Musik, queere Sichtbarkeit und das jetzt auf Deutsch. Wie beeinflusst das Stottern dein künstlerisches Arbeiten – auf der Bühne, im Studio und in deiner Kommunikation nach außen?
MKSM: Ich will der Künstler sein, den ich mir als Teenie gewünscht hätte.
Das Stottern, meine Queerness, meine ost-europäische Herkunft – das alles gehört zu mir und auch zu meiner Musik. Gerade auf Deutsch möchte ich, dass meine Musik so inklusiv ist, wie nur möglich. Und jetzt habe ich die Menschen um mich, die das mit mir verwirklichen können. Ich habe schon lange darüber nachgedacht, auf Deutsch zu schreiben und im Dezember 2023 haben wir mit den ersten Sessions angefangen – und es war von Anfang an ein Match. Das Schreiben auf Deutsch hat so viel mit mir gemacht, ich kann jetzt Themen ganz anders ansprechen und ich liebe es, auf Deutsch zu singen. Dieses Jahr haben wir viele Tracks meiner ersten deutschsprachigen EP live gespielt – ob auf meiner bisher größten CSD-Tour, bei DLF Kultur oder auch bei meinem Acoustic Pride Konzert im BKA-Theater in Berlin – die Reaktionen der Zuschauer*innen und vor allem die Gespräche nach den Gigs waren so schön und so wertvoll für mich. Deswegen bin ich mehr als happy, dass die Reise mit ALLE SAGEN LIEB DICH SELBST begonnen hat – und der zweite Track der EP kommt schon im November.
Frontstage Magazine: Der Leitspruch des Welttags des Stotterns lautet in diesem Jahr sinngemäß: „Sichtbarkeit schafft Verständnis“. Welche Veränderungen wünschst du dir von Medien, Schulen oder der Musikbranche, um Menschen mit Stottern mehr Teilhabe zu ermöglichen?
MKSM: Das ist eine richtig schöne Frage, die mir bisher noch nie gestellt wurde – danke dafür. Der Leitspruch bringt es perfekt auf den Punkt – je besser nicht betroffene Menschen informiert sind, desto mehr Vorurteile werden abgebaut. Dann können stotternde Menschen mehr und einfacher am ‚normalen’ Leben teilnehmen, ohne sich verstecken oder erklären zu müssen. Lehrer*innen müssen besser geschult werden, damit sie wissen, wie vielfältig Stottern sein kann und vor allem, wie sie reagieren und unterstützen können. Die Medien stürzen sich gern auf Menschen mit einer besonders starken Symptomatik – die Beiträge sind oft sehr ähnlich. Und leider suchen die Sender oft nach unrealistischen Heldenreisen. Ich wünsche mir, dass man öfter die Vielfalt und die Lebensrealität stotternder Menschen zeigt. Und die Musikbranche braucht insgesamt mehr Vielfalt – sei es bei Festival Line-Ups, im Radio oder bei Majors.
Fotocredit: TOBIAS PAUL