„Nun gilt es, all den Widerständen zu trotzen und weiterzumachen.“ Mit diesem Satz beschreibt Ronja Pöhlmann nicht nur die Realität vieler unabhängiger Musiker:innen im Jahr 2025, sondern auch die Essenz des neuen Albums von Amber & The Moon. „Are We Alright?V (VÖ: 10. Oktober via popup-records) klingt wie die musikalische Antwort auf diese Herausforderung: eine Sammlung von Songs, die sich nicht in lauten Parolen verliert, sondern in zarter Melancholie und stiller Stärke ihren Weg sucht.
Dass diese Musik nicht in einem sterilen Studio, sondern in einem Tiny House auf einem Bauernhof ihren Anfang nahm, hört man den Songs an. Sie wirken wie aufgeladen von der Ruhe und Konzentration, die dort herrschte. Jeder Ton darf nachhallen, jedes Geräusch trägt etwas von der Atmosphäre des Rückzugs in sich. Pöhlmanns Texte drehen sich um Freundschaften, die sich verändern, um die Distanz zu geliebten Menschen und um den Verlust, der sich irgendwann in jedes Leben einschreibt.
Musikalisch halten Amber & The Moon an der Reduktion fest, die schon das Debüt auszeichnete, lassen die Songs aber breiter strahlen. Streicher, dezente Bläser und warme Gitarrenflächen bauen ein Klangbild, das fast sakral wirkt und doch nie überladen. Organisch, atmend, handgemacht. Der Opener „How It Feels“ ist ein Paradebeispiel dafür: Die Produktion und das Mixing sind so detailreich, dass man das Gefühl hat, selbst die kleinsten Zupfer, Klicks und Atemzüge hören zu können. Pöhlmanns Stimme verschmilzt mit der von Jonathan Riedel zu einem perfekten Duett, das die intime Grundstimmung des Albums sofort setzt.
Mit „Cavale“ öffnet sich die Platte in eine beschwingtere Richtung. Streicher und ein subtiler Pop-Appeal lassen hier Referenzen an Angus & Julia Stone aufscheinen, gerade weil sich der Song in seiner zweiten Hälfte mehr traut und einen fast hymnischen Zug entwickelt. Danach zieht „Line I Draw“ Linien zwischen Country/Folk und frühem Hollywood-Soundtrack – fast wie ein Schwarz-Weiß-Film in Musikform. „Winter’s Day“ ist wiederum ein kleines Gegenstück: warm, nahbar, der perfekte Begleiter für einen Glühweinabend auf der Couch.
Das Herzstück des Albums ist aber „Our House“. Der Song beginnt mit flächigen Sounds, lässt dann die Folk-Gitarre einziehen und entwickelt sich zu einer facettenreichen Reise. Mal zurückgenommen, mal kraftvoll – ein Track, der alle Stärken von Amber & The Moon bündelt und vielleicht der stärkste der Platte ist.
Fast am Ende versteckt sich mit „Summertime Silence“ noch eine kleine Überraschung: Was zunächst unscheinbar wirkt, entfaltet sich zu einer mächtigen Sommer-Hymne, die mit ihrer Wärme und ihrem Drang nach draußen fast gegen den Rest der Platte steht – und genau dadurch hängen bleibt.
Um das Eingangszitat von Sängerin Pöhlmann nochmals aufzugreifen, liegt die Stärke von „Are We Alright?“ in dem Widerstand. Grandiose Songs, die nicht laut daherkommen und dennoch nachhallen. Ein willkommener Anker, in einer Musiklandschaft, die immer schneller und immer lauter wird.
Fotocredit: Chasing Tales