Das neue Ash-Album lässt sich wohl am besten besprechen, wenn man es in die bisherige Diskographie der Band einordnet.
Natürlich liegen die Alben alle nah beieinander, denn mit Ausnahme des 2018er Albums „Islands“ gab es eigentlich keine Totalausfälle bei den Nordiren – was einzelne Songs angeht, sah das aber oft schon wieder anders aus. Immer wieder kopierte sich die Band selbst, und man vermisste an manchen Stellen Mut, Dringlichkeit und echte Wow-Momente. Ihre vermutlich interessanteste Phase hatten Ash mit der legendären „A–Z Series“, als sie über ein Jahr hinweg wöchentlich eine neue Single veröffentlichten – und das weit vor dem Streaming-Zeitalter. Natürlich zündete nicht jeder Song, aber die Band bewies Mut, Ideen und Innovationskraft. Das Gute an „Ad Astra“: Ash klingen hier ähnlich vielfältig und haben tatsächlich wieder einige Hits im Gepäck.
Schon der Opener „Zarathustra“ zeigt, wohin die Reise geht. Ash schießen sich selbst als „Ashtronauten“ ins All und knüpfen an die ikonischen Sci-Fi-Anleihen ihrer frühen Karriere an. Der zweite Track „Which One Do You Want?“ sticht dann sofort heraus und dürfte als ein Keytrack des Albums gelten. Schlagzeuger Rick McMurray bezeichnet den Song als das älteste Stück der Platte – geschrieben in New York, lange Zeit ohne Platz in einem Albumkonzept. Rückblickend sei er fast ein zentrales Bindeglied der letzten zehn Jahre, ein Song, der Vergangenheit und Zukunft der Band gleichermaßen in sich trägt.
„Is that a lot of pressure for one song to bear? Maybe, but it straddles the two sides of this band we’ve been grappling with over the last decade and holds the past and future effortlessly in its orbit”.
Ash-Drummer Rick McMurray
Und tatsächlich: Mit seinen schwebenden Gitarrenlinien, seinem sehnsuchtsvollen Tonfall und einer fast schon Morrissey-esken Dringlichkeit erinnert der Track unweigerlich an The Smiths – ein Referenzpunkt, den man bei Ash selten so klar heraushören konnte. Und wenn das die Richtung ist, wie sich Ash die nächsten Jahre entwickelt, dürfte es spannend werden.
Einen gänzlich anderen Tonfall schlägt „Fun People“ an. Absolut unkonventionell für eine Ash-Nummer, aber bei mir zündet sie leider nicht. Anders der ganz typische Ash Kracher „Give Me Back My World“, die letzte Vorab-Nummer vor Album Release. Das das gute Stück bereits fünf Jahre auf dem Buckel hat, hört man ihr nicht an. Und es wäre tatsächlich schade gewesen, wäre uns diese Nummer vorenthalten worden.
„If I told you this song dates back to 2020 you’d hardly need a degree from the school of Marple, Holmes and Poirot to figure out what it’s getting at. And although those sentiments may be just a memory from the stand point of 2025, the song’s heart still feels relevant. In a time of chaos, disruption and angst there’s still a beautiful world out there and it’s worth fighting for.”
Ash Frontmann Tim Wheeler
Anschließend bietet „Hallion“ eine schnörkellose Rocknummer, die sofort nach Bühne schreit, während das balladenhafte „Deadly Love“ und das ruhige „My Favourite Ghost“ an die „Twighlight of The Innocent“-Ära erinnert, welche bei vielen Ash Fans nicht in guter Erinnerung geblieben ist. Mutmaßlich ein Ausdruck der Enttäuschung über den damaligen Ausstieg von Gitarristin Charlotte Heatherly, denn mit dem Titeltrack und „Polaris“ hatten die Jungs eigentlich zwei All-Time Ash Klassiker im Gepäck.
„Keep Dreaming“ und „Dehumanised“ bieten anschließend die alte Schnittmenge aus Aggression und Melodie bedienen, für die die Nordiren von ihren Fans geliebt werden. Das die Jungs aber scheinbar nur machen, worauf sie wirklich Bock haben, beweist eine überraschende Coverversion von Harry Belafontes „Jump In The Line“. Ash prügeln die Nummer kurzerhand ins Ramones-Tempo. Auf dem Papier klingt das nach Gag, auf Platte funktioniert es als pure Spielfreude.
Thematisch schwingt auf „Ad Astra“ immer wieder eine Aufbruchsstimmung mit – nicht naiv wie 1995, sondern gefiltert durch drei Jahrzehnte Bandgeschichte. Der abschließende Titeltrack bündelt all das: eine atmosphärische Hymne, die ins All und zugleich ins Innere weist. Klar, Ash erfinden sich auch 2025 nicht neu. Aber sie erinnern daran, warum man sie überhaupt so liebt: weil sie Melodie und Energie verbinden wie kaum eine andere Band ihrer Generation. Auch wenn nicht alles auf „Ad Astra“ zündet, die überraschende Vielfalt verdient Respekt – und mit „Which One Do You Want?“ haben Ash endlich mal wieder einen Song geschaffen, der mehr sein kann als eine weitere Nummer im üppig bestückten Backkatalog: nämlich ein Wegweiser für die Zukunft der Band.
Fotocredit: Andy Willsher