Mit „Violent Nature“ melden sich I Prevail eindrucksvoll zurück und präsentieren ihr viertes Studioalbum – ein Werk, das kompromissloser, düsterer und tiefgründiger klingt als alles, was die Band bislang veröffentlicht hat.
Nach den Erfolgen von „Lifelines“, „TRAUMA“ und „True Power“ war klar, dass die Erwartungen an diesen Longplayer hoch sein würden. Doch anstatt sich auf bewährte Formeln zu verlassen, haben I Prevail eine Platte geschaffen, die eine deutliche Weiterentwicklung zeigt und gleichzeitig Mut beweist.
Im Zentrum steht dabei die Entscheidung, Eric Vanlerberghe als alleinige Stimme nach vorne zu stellen. Wo frühere Alben noch durch den Kontrast zwischen mehreren Sängerrollen lebten, wirkt „Violent Nature“ fokussierter und stringenter. Das verleiht dem Album eine klare Richtung, auch wenn damit ein Stück der früheren Dynamik verloren geht. Gerade wer die Wechselspiele von „TRAUMA“ mochte, wird sich hier anfangs umgewöhnen müssen. Gleichzeitig entsteht durch diesen neuen Ansatz eine Geschlossenheit, die der Platte guttut.
Musikalisch verbindet „Violent Nature“ vertraute Metalcore- und Post-Hardcore-Elemente mit einer gesteigerten Wucht und einer düsteren Grundstimmung. Wo „Lifelines“ noch stark vom klassischen Metalcore geprägt war und „TRAUMA“ mit einem Grammy-Nominierungshype experimentierfreudiger wirkte, zeigt sich nun eine Band, die ihren Sound verdichtet hat. „True Power“ war stellenweise fast zu glatt produziert, doch auf „Violent Nature“ wirkt vieles roher, erdiger und emotional intensiver – ein Schritt, der die Authentizität verstärkt.
Natürlich ist nicht jede Idee neu, und manche Passagen wirken vertraut, fast so, als würde die Band ihre eigenen Stärken noch einmal nachschärfen. Doch gerade in diesen Momenten zeigt sich, dass I Prevail inzwischen wissen, wer sie sind und wo sie hinwollen. Die Platte ist weniger ein Umbruch als vielmehr eine logische Weiterentwicklung, die alte Stärken beibehält und um neue Nuancen ergänzt.
Das ALbum ist kein Album, das mit sofortigen Hits um sich wirft – es entfaltet sich eher über die gesamte Laufzeit. Die zehn Tracks bauen eine Atmosphäre auf, die von Verletzlichkeit, Härte und kathartischer Energie geprägt ist. Das macht den Longplayer vielleicht weniger eingängig als „TRAUMA“, aber langfristig deutlich nachhaltiger.
Unterm Strich ist „Violent Nature“ ein Album, das zeigt, wie sich eine Band auch nach mehr als einem Jahrzehnt neu erfinden kann, ohne ihre Identität aufzugeben. Es ist ein mutiges, intensives Werk, das alte Fans herausfordern und neue Hörer*innen gewinnen dürfte. Vielleicht nicht die Platte, die man erwartet hat – aber genau die, die I Prevail gebraucht haben, um ihr nächstes Kapitel aufzuschlagen.
Fotocredit: REILLY CLARK