Das vierte VAN HOLZEN-Album ist kein Flickenteppich aus Singles, sondern wieder ein Statement im großen Kontext. Die Ulmer hatten schlicht wieder Bock auf eine Platte, die als Ganzes funktioniert. Ironie des Schicksals: Der eigentliche Titelsong „Solang die Erde sich dreht“ hat es gar nicht aufs Album geschafft. Stattdessen tragen Songs wie „Ins Licht“ oder „Bergab“ das Versprechen im Kern.
„Ins Licht“ eröffnet das Album mit Absicht. Der Song ist bewusst als Opener geschrieben – und man hört’s. Das Drumming ragt heraus, die Gitarren schneiden klar durch, thematisch steckt hier schon die Richtung des gesamten Albums: raus aus der Dunkelheit, hinein in die Unsicherheit. Ebenfalls Konzept steckt hinter „Gedanken neu“. Auch dieser Track wurde als das geschrieben, was er letztendlich wurde: erste Single und Vorab-VÖ. Absolut passend, weil er die Essenz des Albums in einem Song bündelt. Ein Liebeslied, aber auch eine Generationserklärung: jugendlich, trotzig, offen, gleichzeitig Kracher und Versprechen. Danach wirkt „Nichts geworden“ fast befreit – weniger kalkuliert, dafür roher. Politischer denn je richten VAN HOLZEN hier den Blick nach außen: Krieg, Krisen, die Wut über Ohnmacht. Ein Stück, das nicht zufällig entstanden ist, sondern direkt aus dem Bauch heraus.
Mit „Vorbei“ gönnen sich die drei ihre Indie-Hommage: The Strokes lassen grüßen, lockerer Groove, Gefühl vor Form. Der Bruch tut gut, bevor mit „Gut genug“ die lange ersehnte Zusammenarbeit mit Lance Butters eingelöst wird. Kein Business-Move, sondern ein Feature, das sich „natürlich“ ergab – Dunkelheit trifft Rap-Rock, ohne jemals peinlich zu werden.
„Ein neues Programm“ ist vielleicht der typischste VAN HOLZEN-Song des Albums: rau, fast Demo-haft, die Essenz der Band kondensiert. Dann „Bergab“: ein absoluter Brecher, der das Trio in ihrer lautesten, kompromisslosesten Form zeigt. Und „Gewitter“? Überraschung: geschrieben auf einer Akustikgitarre, thematisch wohl der wichtigste Song des Albums. Er fasst die letzten Jahre der Band zusammen – Chaos, Überforderung, aber auch Überleben.
„25“ bringt die Hymne: eingängig, catchy, live schon erprobt. Melancholie und Mitgröhl-Potenzial im perfekten Gleichgewicht. „Für so große Fragen sind wir die meiste Zeit zu high“ – Vibes sind eben manchmal wichtiger als Komplexität. Danach: „Süchtig“. Erneut ein Durchatmer, fast ein Ruhepol, bevor es ins Finale geht.
„Himmel“ ist Brüderschaft auf Platte: Heisskalt als Gäste, Philipp Koch als Produzent sowieso schon so etwas wie das vierte Bandmitglied. Ein Emo-Epos, das sich wie eine Umarmung anfühlt. „Am Schluss“ beendet die Platte leise und reduziert. Wenig Text, aber jede Zeile sitzt. Kein Pathos, kein Overload – einfach ein bewusst gesetztes Ausatmen.
Am Ende bleibt das Gefühl, dass VAN HOLZEN genau wissen, wo sie stehen: direkter, persönlicher, in Teilen politischer als zuvor – und trotzdem mit Raum für Brüche, Noise, Experimente. „Solang die Erde sich dreht“ zeigt, dass VAN HOLZEN vor allem als Album-Band glänzen. Ihre Songs funktionieren einzeln, live oder als Single – doch erst im Zusammenspiel entfaltet sich die ganze Wucht, der rote Faden und die emotionale Tiefe. Gerade in einer Zeit, in der Playlists den Takt vorgeben keine Selbstverständlichkeit.
Fotocredit: Konrad Laukat