Mit „Pink Moon“ liefern Silverstein den zweiten Teil ihres ambitionierten Doppelalbums ab – und beweisen einmal mehr, warum sie seit über zwei Jahrzehnten zu den konstantesten Kräften im Post-Hardcore zählen.
Entstanden in der Abgeschiedenheit von Joshua Tree, klingt das Werk nach einem Befreiungsschlag, nach einer Band, die nicht stehenbleiben will, sondern sich bewusst den Extremen stellt.
Im Vergleich zu „Antibloom“, das bereits im Sommer einen kraftvollen Auftakt darstellte, wirkt „Pink Moon“ noch intensiver, noch kompromissloser. Wo der erste Teil eher die introspektive Seite beleuchtete, zeigt sich hier die raue, kantige Variante. Die Dynamik schwankt zwischen rasender Energie und atmosphärischer Schwere, immer getragen von einem unerschütterlichen Gespür für Emotion und Melodie. Das Ergebnis ist ein Album, das sich nicht einfach nebenbei hören lässt – es fordert Aufmerksamkeit, manchmal auch Geduld, doch genau darin liegt seine Stärke.
Wer die Diskografie von Silverstein kennt, wird unweigerlich Vergleiche ziehen. Während Platten wie „A Shipwreck in the Sand“ (2009) durch ein geschlossenes Konzept bestachen und „This Is How the Wind Shifts“ (2013) durch seine erzählerische Raffinesse glänzte, hatten neuere Werke wie „Misery Made Me“ (2022) stellenweise das Problem, trotz starker Einzeltracks etwas austauschbar zu wirken. „Pink Moon“ hingegen schafft es, diese Schwäche zu vermeiden: Es ist weniger glattpoliert, dafür direkter und dringlicher. Man spürt, dass die Band bewusst die Kanten gesucht hat, um das Gesamtwerk lebendig zu halten.
Besonders bemerkenswert ist, wie sehr Silverstein es schaffen, trotz der langen Bandgeschichte nicht in Nostalgie zu verfallen. Stattdessen erweitern sie ihren Sound – unter anderem durch die ausgewählten Gastbeiträge – ohne dabei ihre Wurzeln zu verleugnen. Das Ergebnis ist eine Platte, die Brücken schlägt: zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Eingängigkeit und Experiment, zwischen Verletzlichkeit und Aggression.
Natürlich wird das Album nicht jede*n gleichermaßen überzeugen. Wer ausschließlich die hymnische Eingängigkeit früherer Alben sucht, könnte das Werk als anstrengend empfinden. Doch gerade in dieser Reibung entfaltet sich die eigentliche Kraft der Platte: Sie zwingt dazu, sich einzulassen und mitzudenken. In einer Zeit, in der viele Bands auf Nummer sicher gehen, ist das ein mutiges Statement.
Am Ende bleibt der Eindruck, dass „Pink Moon“ mehr ist als nur ein Nachfolger von „Antibloom“. Es ist ein Kapitel, das die Bandgeschichte von Silverstein konsequent weiterschreibt – kompromisslos, emotional und mit einem unüberhörbaren Willen zur Weiterentwicklung. Für Fans, die die Band schon lange begleiten, dürfte dieses Album eines der spannendsten Releases seit Jahren sein.
Fotocredit: Albumcover / Artwork