Am 3. September 2025 war die Kölner Live Music Hall Schauplatz eines besonderen Abends: Turnover haben zum zehnten Jubiläum ihres Albumklassikers „Peripheral Vision“ eingeladen. Zwar war die Halle nicht bis auf den letzten Platz gefüllt, aber wer da war, spürte sofort, dass es nicht um Masse ging, sondern um Atmosphäre.
Los ging’s um 20 Uhr mit Glixen, einer noch jungen Shoegaze-Band aus Phoenix, Arizona. Mit verzerrten Gitarrenwänden, treibenden Drums und einem dichten Soundteppich haben sie die Halle schnell in ihren Bann gezogen. Das Publikum, das anfangs noch locker an der Bar hing, rückte merklich näher an die Bühne. Man konnte fast sehen, wie die Vorfreude von Song zu Song wuchs. Glixen nutzten ihre halbe Stunde perfekt, um zu zeigen, dass man von dieser Band in Zukunft noch einiges hören dürfte.
Dann, pünktlich um 21 Uhr, verdunkelte sich die Halle und Turnover betraten unter viel Jubel die Bühne. Ohne große Ansage stiegen sie direkt mit „Cutting My Fingers Off“ ein, dem Opener von „Peripheral Vision„. Ab da lieferten sie das gesamte Album in chronologischer Reihenfolge, so wie es 2015 erschienen war. Ein Geschenk für alle, die das Album damals geprägt hat – und für viele im Raum war das offensichtlich der Soundtrack einer ganzen Lebensphase.
Die Stimmung war intensiv und euphorisch zugleich. Manche sangen lauthals jede Zeile mit, andere ließen sich einfach in die träumerische Klangwelt fallen. Sänger Austin Getz wirkte fokussiert, fast zurückhaltend – sprach nur selten ins Mikro, ließ aber jede Note für sich stehen. Seine Stimme war erstaunlich nah am Studio-Sound, mit einer Klarheit, die live schwer zu toppen ist.
Besonders bewegend wurde es beim dritten Song „Humming2. Da war Gänsehaut garantiert: Einige Menschen im Publikum hatten Tränen in den Augen, andere legten die Arme umeinander. Es war spürbar, dass Turnover mit diesem Album Erinnerungen geweckt haben, die tief sitzen – Freundschaften, Sommernächte, erste große Gefühle. Bei Hits wie „Dizzy on the Comedown“ vibrierte die Halle, als hätte man sie für einen Moment in eine andere Dimension versetzt. Es war wie ein kollektives Abtauchen in diese unverwechselbare Indie-Melancholie.
Nachdem die elf Albumtracks durch waren, gab es mit „Change Irreversible“ und „Humblest Pleasures“ noch zwei Bonustracks – eine Art Dankeschön für die, die wirklich jeden Ton aus „Peripheral Vision“ auswendig kennen. Doch damit war noch nicht Schluss: In der Zugabe spielte die Band vier weitere Songs aus ihrem Gesamtwerk, bevor sie mit dem frühen Klassiker „Most of the Time“ endgültig die Bühne verließ.
Und danach? Es blieb ein Gefühl zurück, das man nur schwer beschreiben kann. Euphorie, ja. Aber auch Wärme. Fast so, als hätte man zusammen etwas ganz Intimes geteilt. Menschen blieben noch in der Halle stehen, sprachen über ihre Lieblingssongs, lachten, manche wirkten einfach nur glücklich und beseelt.
FAZIT
Dieses Konzert war kein lautes Festival-Spektakel, sondern ein intensiver, fast familiärer Abend für alle, die Turnover seit Jahren begleiten – und für die, die neu in ihre Welt eintauchen wollten. Es hat gezeigt, dass ein Album wie „Peripheral Vision“ auch nach zehn Jahren nichts an Relevanz verloren hat. Im Gegenteil: In Zeiten, in denen vieles schnelllebig und austauschbar wirkt, bietet diese Musik eine Art Anker, eine Erinnerung daran, wie wichtig Soundtracks für unser Leben sind.
Köln durfte an diesem Abend erleben, dass Turnover weit mehr sind als „nur“ eine Indie-Band. Sie sind ein Gefühl, eine Gemeinschaft, ein Stück Nostalgie – und gleichzeitig eine Brücke in die Gegenwart. Hoffentlich lassen sie sich nicht zu lange Zeit, bis sie wieder deutschen Boden betreten.
Fotocredit: Lara Keimel
Review: Florian Löprich