Wie stelle ich mir ein Schwimmbad vor? Kinder planschen im Wasser, Wagemutige stürzen sich vom Sprungturm und ein paar Schwimmer:innen im gesetzten Alter ziehen geruhsam ihre Bahnen.
Doch einmal im Jahr gibt es eine Ausnahme: In der kleinen Gemeinde Wolfshagen im Harz hält die Punkrockmusik Einzug ins Freibad. Die Rede ist von Rock am Beckenrand. Nun schon zum fünfzehnten Mal trifft Rockmusik auf Seepferdchen.
Für mich war es allerdings die Premiere, und entsprechend hoch war die Erwartung. Natürlich gab es Bands im Line-up, die ich unbedingt sehen wollte. Aber ein Festival ist auch gut für Überraschungen. Und abgesehen von der Musik ist schon die Location ein absolutes Highlight – ein Freibad, eingerahmt von Wald und Hügeln. Das Becken blieb auch während der Konzerte nicht ungenutzt. Circle Pits im Wasser forderten die Beinmuskeln heraus, morgens konnte man sogar noch sein Seepferdchen machen. Dazu gab es ein Rahmenprogramm mit riesiger Rutsche, Bier-Yoga und Unterwassershootings. Das Ganze bei bestem Wetter und in entspannter Atmosphäre – perfekte Bedingungen für zwei Tage Festival.
Da war doch noch was… Musik ist und bleibt das wichtigste Element bei einem Festival. Eröffnet wurde die Mainstage am ersten Tag von Pentastone, einer Alternative-Band mit Metalcore-Einschlag. Als Fan dieses Genres war ich direkt begeistert. Die Frontfrau überzeugte mit einer eindringlichen Stimme, die sofort herausstach. Das für die frühe Uhrzeit üppig anwesende Publikum war zwar anfangs noch verhalten, ließ sich aber schnell mitreißen.
Dann folgte mein Wechsel zur Poolstage, die kleinere der zwei Hauptbühnen (sonst wäre es ja auch die Mainstage :). Der Name ist Programm: Die Bühne steht nur wenige Meter vom Wasser entfernt. Hier traten Blaufuchs auf, deutschsprachiger Rock, souverän präsentiert. Der Sänger ließ es sich nicht nehmen und nach lautstarken „In den Pool“ Chören das Set mit einem beherzten Sprung in den selbigen zu beenden.

Besonders schade war die krankheitsbedingte Absage von Alex Mofa Gang. Dafür sprangen Elfmorgen ein, die eigentlich später auf der Poolstage geplant waren. Eine weise Entscheidung: Das Infield war voll und der Sänger war sichtlich gut gelaunt im Angesichts der Menschenmassen. Der Punkrock traf genau ins Schwarze – auch für mich persönlich das erste Highlight.
Auf der Poolstage folgte Remote Bondage, eine junge Band mit drei Sängerinnen, Bass und Schlagzeug. Es gab eine Mischung aus Pop, Rock und Kabarett auf die Ohren. Mit klaren Ansagen wie „Mädels, lasst euch nicht unterkriegen – Love is all around“ punkteten sie nicht nur musikalisch, sondern auch mit Haltung. Obwohl nur Bass und Schlagzeug den Background der Songs bildeten lieferte die Band mit der mehrstimmigen Gesangpower der drei Frontfrauen einen kraftvollen Gesamtsound. Fazit: Hörenswert!
Anfangs erwähnte ich auch „must see“ Bans bei einem Festivalbesuch, die man ja so mitbringt. Heisskalt war eine davon. Durch eine Zwangspause wegen Krankheit und Corona wagte die Band nach fast sechs Jahren den Sprung ins kalte Wasser und ging letztes Jahr mit neuer Bassführung wieder aus Tour. Der Zuspruch des Publikums schien ungebrochen und auch hier wurde ein kraftvolles Set mit eindringlicher Stimme abgeliefert. Ich habe die Band erstmals nach der langen Pause wiedergesehen und gehört und wurde nicht enttäuscht.

Zum Schluss kommen wir noch zur Abteilung Überraschung, im Sinne von „kenn’ ich nicht, hör’ ich mir aber mal an“.. Schmutzki übernahmen als Headliner die Bühne. Deutscher Punkrock vom Feinsten, alles dabei: energiereiche Show, der Bassmann gab alles, ein Bad in der Menge mit der ganzen Band inkl. Drumset auf einem Rollwagen, einem Solosong mit Gitarre vor der Bühne und auch selbst ironische Ansagen zwischendurch. Beendet wurde das Set standesgemäß für dieses Festival mit einem Sprung ins Becken. Die Musiker ließen sich übers Publikum Tragen und sprangen gemeinsam mit ein paar mutigen Fans im Dunkeln ins Wasser. Mein Fazit: Songs, Performance, Atmosphäre, Licht – oberstes Festivalniveau. Bei nächster Gelegenheit unbedingt reinhören oder besser noch die kommende Tour besuchen!
Der zweite Tag begann direkt mit einem Knaller: Montreal. Je öfter ich diese Band live sehe, desto höher steigt sie in meinem persönlichen Live-Ranking. Ihre Spielfreude gepaart mit sympathischer Ausstrahlung machten das Punkrockset zu einem weiteren Highlight.
Danach folgte die zweite „Must See“-Band: Smile and Burn. Punk der schnellen Gangart wie ich es von der Band gewohnt bin, denn ich habe die Berliner Musiker schon oft gesehen und sie als sympathische und witzige Musiker kennengelernt. Dies bringen sie neben den ersten Songs mit klarer Haltung, ernstzunehmenden Themen und persönlichen Geschichten mit auf die Bühne und machen dadurch jeden Auftritt besonders und herzig.

Danach wieder eine Band, deren Namen ich immer mal wieder gehört habe, aber noch nie gesehen:
Die Rede ist von Rantanplan. Eine klassische Dreierbesetzung von Drums, Gitarre und Bass, unterstützt von Trompete und Posaune. Heraus kam eine energetische Ska-Punk-Mischung mit politischen Texten. Für mich stimmte hier alles: Musik, Sound, Aussage und Performance (es war ständig Bewegung auf der Bühne). In meinem erwähnten „Live Ranking“ katapultierte sich die Band „aus dem Stand“ ganz weit nach oben.
Auf der Poolstage spielten als Headliner, also als letzte Band des Abends, die Band Awesome Scampis. Ich habe schon Konzerte erlebt, in denen sich die Stimmung von Song zu Song steigerte, bis sie in kollektiver Ekstase endete – aber Eskalation von Null auf Hundert ab dem ersten Song habe ich so noch nicht erlebt. Ska auf Speed und ein Sänger, der das Publikum vor der Bühne und im Wasser von der ersten Minute an seiner Seite hatte. Wehende Schwimmnudeln, ein zwei Meter großer (aufblasbarer) Scampi, der durchs Publikum tobte, und ein Sänger, der mit vollem Einsatz einen Song im Becken performte (soweit das Funkmikrofon reichte), sorgten für die besagte Nonstop-Eskalation. Gerne wieder!

Zurück an der Mainstage gaben dann Adam Angst ihr Set zum Besten: gradliniger Rock, der sofort in die Beine und auf die Ohren ging.
Das Festival neigte sich dem Ende, doch Grossstadtgeflüster betrat die Bühne. Das Publikum hatte die Band gleich im Griff – mit der Mischung aus Pop, Hip-Hop und Rave. Natürlich sorgte der Hit „Feierabend“ für das absolut ausgelassene singen und die Menge war nicht mehr zu halten. In der Mitte des Sets durfte Helga noch einmal Crowdsurfen. Helga ist das Maskottchen des Festivals – eine riesige, schwarze aufblasbare Ente. Herrlich. Ein würdiger Abschluss für dieses kleine, aber sehr feine Non-Profit-Festival.
Rock am Beckenrand ist mehr als nur ein Musikfestival. Es ist ein Wochenende voller guter Bands, ausgelassener Stimmung und einem einzigartigen Setting, das man so nirgendwo sonst findet. Zu erwähnen ist auch das tolle Team was hinter dem Festival steht. Zahlreiche ehrenamtliche Helfer:innen, eine super liebe Crew, tolle Secus und rundum hilfsbereite Leute. Danke an dieser Stelle!

Tickets fürs nächste Jahr sind bereits erhältlich – und wer einmal dort war, weiß: dieses Festival ist absolut empfehlenswert. Dabei sein in 2026 lohnt sich doppelt – leider wird es 2027 nämlich vorerst kein Rock am Beckenrand mehr geben.
Text: Manfred Lippke
Fotocredits: Johanna Lippke