15 Jahre nach dem letzten Studioalbum melden sich Pendulum mit „Inertia“ zurück – und setzen damit ein deutliches Statement, das weit über ein simples Comeback hinausgeht. Wo frühere Werke wie „Hold Your Colour“ oder „Immersion“ noch klarer in den elektronischen Gefilden verortet waren, zeigt das Quintett 2025 eine Band, die sich neu gefunden hat, ohne die eigenen Wurzeln zu verleugnen.
„Inertia“ ist ein Album, das die Balance zwischen Club-Exzess und Stadion-Energie auf beeindruckende Weise hält. Typisch für Pendulum ist der brachiale Sound, der sowohl Drum’n’Bass-Fans als auch Rock- und Metal-Hörer*innen anspricht. Doch die Platte wirkt weniger wie ein Nostalgie-Trip und mehr wie eine künstlerische Selbstbefreiung. Die Band wagt sich hörbar aus der Komfortzone, integriert Einflüsse aus Trap, Industrial, Punk und Metal und schafft so ein Klangbild, das in seiner Breite überrascht, aber dennoch kohärent bleibt.
Verglichen mit „Immersion“, das 2010 als kreativer Höhepunkt galt, ist „Inertia“ roher, persönlicher und emotionaler. Während „Immersion“ die Vielfalt der elektronischen Subgenres feierte, klingt das neue Album erwachsener und gleichzeitig verletzlicher. Auch im Vergleich zu „In Silico“ wird deutlich: Wo damals noch futuristische Kälte dominierte, findet sich hier eine spürbare Intensität, die auch aus den Brüchen und Erfahrungen der letzten Jahre gespeist ist.
Besonders spannend ist, dass Pendulum ihre genreübergreifenden Kollaborationen nicht als reine Experimente einsetzen, sondern als integralen Bestandteil des Albums. Features mit Bullet For My Valentine, Wargasm oder Scarlxrd verstärken die rohe Energie, ohne den typischen Pendulum-Sound zu überlagern. Stattdessen entsteht eine Symbiose, die das Album zu einem echten Hybridwerk macht.
Natürlich wird nicht jede*r Fan diese Richtung feiern. Wer sich eine strikte Fortsetzung der klassischen Drum’n’Bass-Dynamik von „Hold Your Colour“ wünscht, könnte mit der neuen Vielschichtigkeit hadern. Doch genau hier liegt die Stärke von „Inertia“: Es ist kein bequemes Album, sondern ein Werk, das fordert, polarisiert und gleichzeitig die Essenz dessen einfängt, was Pendulum seit jeher auszeichnet – das Überschreiten von Genregrenzen.
Unterm Strich ist „Inertia“ das mutigste Album der Bandgeschichte. Es vereint die Vergangenheit mit einer neuen, emotionalen Tiefe und beweist, dass Pendulum auch 2025 noch Relevanz besitzen. Ob es das stärkste Werk ihrer Karriere ist, bleibt Geschmackssache – sicher aber ist: Es ist das ehrlichste.
Fotocredit: Albumcover / Artwork