Am Samstagabend verwandelte sich die Trabrennbahn in Hamburg-Bahrernfeld zur bebenden Open-Air-Location. K.I.Z, das Berliner Hip-Hop-Kollektiv um Tarek, Maxim und Nico, steht seit mehr als 20 Jahren für bissige Satire, gesellschaftliche Provokationen und wuchtige Liveshows. Seit ihrem Durchbruch im Mainstream mit Songs wie „Hurra die Welt geht unter“ zusammen mit Henning May oder auch „Urlaub fürs Gehirn“ haben sie sich als eine der polarisierendsten wie auch erfolgreichsten deutschen Rapgruppen etabliert. Die „Görlitzer Park Tour 2025“ führte sie seit Anfang des Jahres quer durch die Republik, und machte nun als vorletzte Station beim Hamburger Kultursommer halt, um die volle Ladung K.I.Z zu servieren.
Gefühlt fiel das Konzert auf einen der wenigen Sommertage dieses Jahr und verwöhnte mit Sonne und 25°C die Anwesenden. So ließ es sich entspannt nach dem Einlass auf der Wiese gemeinsam sitzen und die Sonne genießen. Den Auftakt machte OG Lu aus Frankfurt, die die Leute aus der parkähnlichen Atmosphäre entführte und zum Aufstehen animierte. Mit Tracks wie der Dancenummer „Bellydance“ oder ihrem politischen Statement „Riot“ brachte die sichtlich aufgeregte Rapperin den Platz in Bewegung. Es füllte sich nun deutlich mehr als um kurz nach sieben ein Hiphop-Beat übers Gelände schalte und bereits die ersten Hände nach oben gingen, noch gar nicht sehend, wer sich hinter dem aufgezogenen Vorhang verborg. Dahinter versteckte sich niemand geringeres als der selbsternannte „King of Rap“ SSIO. Bis zuletzt waren die Voracts nicht bekannt, sodass der Rapper für große Begeisterungsstürme sorgte. Mit „offensiver Musik“ wie er selbst sagte, trieb er 20 Minuten lang die Stimmung nach oben.
Damit entstand eindeutig Festivalstimmung, denn so einen namhaften Act hatte man nicht als Support erwartet. Als schließlich K.I.Z die Bühne betraten, explodierte die Stimmung regelrecht. Wie auf dem Rest der Tour wählten sie einen starken Einstieg, bestehend aus sechs Tracks, die zum eskalierenden Party machen einluden. Mit „VIP in der Psychiatrie„, „Ehrenlos“ und „Urlaub fürs Gehirn“ wurde direkt der Rahmen der Veranstaltung bestimmt. Das war deutscher Rollstuhlrap in Perfektion, denn der verletzte Maxim musste nach wie vor auf sein Gefährt zurückgreifen. Dafür war das Vehikel mit Mikrofon- und Sektflaschenhalter bestens ausgestattet. In der Folge wurde Provokation mit Spektakel kombiniert. „Unterfickt und geistig behindert“ krachte aus den Boxen, während Rauch in Regenbogenfarben über der Bühne versprüht wurde, passend zur Drogenwolke, auf der sich die Jungs im Track befinden. In Hamburg überdauerte das visuelle Statement. Von hier an wechselte sich die brachiale Abrissstimmung durchaus auch mit nachdenklicheren Passagen ab, wie zum Beispiel „Sommer meines Lebens“, „Vierspur“ oder „Neuruppin„. Unterbrochen wurde dieser Teil wiederum mit dem Klassiker „Hurra die Welt geht unter“, welcher für textsicheres Mitsingen sorgte und eine euphorische Welle durchs Publikum schickte. Maxim erntete zwischendurch seinen verdienten „Applaus“ für sein gleichnamiges Solostück, bevor mit „Filmriss“ die gesamte Trabrennbahn zum kollektiven Hinsetzen und Aufspringen gebracht wurde.
Die Stimmung in Hamburg war durchweg ausgelassen und hielt zum begeisterten Mitsingen und Mittanzen an. Wenn es jedoch nach K.I.Z ging, bestand die Hansestadt an diesem Tag nur aus dem Stadtteil Eimsbüttel, welches sie mehrfach ironisch äußerten und die ganze Show lang durchzogen. Auf der Bühne gab es nach anderthalb Stunden einen Szenewechsel weg von Nico, Maxim und Tarek hin zu Drunken Masters Kollege Joe, der mit seinem DJ-Set das Beste von K.I.Z aus den letzten 100 Jahren Bandgeschichte servierte. Die begleitende Licht- und Lasershow kam in der Dunkelheit umso nicer und sorgte für Clubfeeling unter dem Nachthimmel, der von einem sehr hellen Vollmond dominiert wurde. Damit wurde das Finale der Show eingeläutet, zu dem noch einmal alle Kräfte mobilisiert wurden. „Wahrheit“ wurde gleich zwei Mal gespielt – kommentiert als notwendige Doppelgabe gegen „unlösbare Indoktrination von oben“. Das Backstreet-Boys-Cover „I want it that way“ schlug nach einem Chorus um in „Ich ficke euch alle“ und holte noch einmal alles aus dem Publikum raus. Den Schlusspunkt markierte das energiegeladene „Ein Affe und ein Pferd“ untermalt von Bengalos auf der Bühne. Eine Zugabe im eigentlichen Sinne blieb aus, dafür konnte die abschließende „Familienfeier“ als Encore aufgefasst werden, als K.I.Z die Bühne verließen.
Was blieb war eine Nacht in der K.I.Z nicht nur Musik machten, sondern eine Welt erschufen, in der alles ein bisschen lauter und bunter wirkte als unter der Woche im realen Leben. Damit wurde eine stimmungsvolle Atmosphäre geschaffen, die für viele erst den Grundstein für eine gelungen, partyträchtige Nacht legte. Wer noch Teil der „Görlitzer Park Tour 2025“ werden möchte, hat dazu zum Tourabschluss Ende August drei Mal in der Berliner Wuhlheide die Chance. Für Fans des zuletzt erschienenen Albums sollte diese Gelegenheit definitiv ergriffen werden, da neben den unvermeidlichen Klassikern ein Drittel der Setlist vom „Görlitzer Park“ stammte. Damit lieferte K.I.Z eine gewohnt mitreißende Liveshow, die zum Tourende souverän über die Bühne gebracht wurde.
Fotocredit: Benjamin Ebrecht