Der Hamburger Stadtpark bebte am Montagabend unter dem Stern der Komplexität: Dream Theater, die Meister des Progressive Metal, machten auf ihrer Jubiläumstour zum 40-jährigen Bestehen Halt in der Hansestadt – und lieferten ein eindrucksvolles Konzert, das für viele Fans wohl ein Highlight des Jahres darstellt.
Rund 2800 Zuschauer*innen waren gekommen, um die fünf Ausnahme-Musiker aus New York live zu erleben – und es war von der ersten Minute an klar, dass hier nicht nur Musikliebhaber, sondern auch Musiker im Publikum standen. Doch entgegen aller Klischees vom verkopften „Muckerkonzert“ war die Atmosphäre durchweg enthusiastisch und lebendig: Bereits beim eröffnenden „Night Terror“ flogen unsichtbare Drumsticks durch die Luft, Luftgitarren wurden geschwungen, und selbst in den hinteren Reihen wurde mitgeklatscht und mitgewippt.
Die Rückkehr des verlorenen Sohnes
Ein emotionales Highlight des Abends war zweifellos die Rückkehr von Schlagzeuger Mike Portnoy. Nachdem er 2010 überraschend die Band verlassen hatte, ist er seit Kurzem wieder Teil der Originalbesetzung – zur Freude der Fans, die seine wuchtige Präsenz und das monströse Drumkit ebenso feierten wie sein präzises, mitunter furioses Spiel. Dass sein Nachfolger Mike Mangini ebenfalls ein Virtuose war, sei nur am Rande erwähnt – doch für viele fühlte sich dieser Abend wie eine Familienzusammenführung an.
40 Jahre technisches Genie – mit Licht und Schatten
Seit ihrer Gründung 1985 – damals noch unter dem Namen Majesty – haben Dream Theater die Grenzen zwischen Metal, Rock und Jazz mit beispielloser Virtuosität verschoben. In Hamburg präsentierten sie einen Querschnitt durch ihr beeindruckendes Gesamtwerk aus 16 Studioalben, darunter Stücke wie „Barstool Warrior“, „Fatal Tragedy“ oder „The Count of Tuscany“. Letzterer bildete mit seinen epischen Klanglandschaften eine Art musikalische Brücke in die Zugabe, die von „The Spirit Carries On“ – begleitet von Handylichtern und einem einsamen Feuerzeug – bis zum Klassiker „Pull Me Under“ reichte. Letzterer erinnert an die Zeit, als Dream Theater Anfang der 90er sogar MTV-Luft schnupperten und kurzzeitig Mainstream-Luft atmeten.
Zwischen Genie und Kitsch
Nicht alles wirkte dabei makellos. Manche Songs, etwa „Hollow Years“, schlitterten haarscharf am Rand zum Kitsch entlang – irgendwo zwischen Soundtrack und nostalgischem Gitarrenschmalz. Auch James LaBrie, der Frontmann mit der markanten hohen Stimme, konnte stimmlich nicht immer mit dem übrigen Niveau mithalten. Trotzdem sorgte er mit seiner charmanten Bühnenpräsenz für verbindende Momente und erinnerte das Publikum daran, worum es letztlich ging: Gemeinschaft, Musik, Lebensfreude.
Fazit
Dream Theater boten im Stadtpark ein Konzert zwischen technischer Brillanz, nostalgischer Rückschau und emotionaler Verbindung. Dass man nach zwei Stunden Musik mit 20 Minuten Pause das Gefühl hatte, gerade erst warm geworden zu sein, spricht für sich. Für die einen bleibt Dream Theater eine Band für Musiker, für andere eine der kreativsten Kräfte im modernen Rock – und für die 2800 Fans in Hamburg war es ein Abend, an dem die Vergangenheit lebendig wurde und die Zukunft des Progressive Metal hell leuchtete.
Fotocredit & Review: Sascha Beckmann