Die Welt steht Kopf – und mittendrin: fünf Typen aus Mecklenburg-Vorpommern, die den Kontakt nicht abbrechen, sondern das Gespräch suchen. Feine Sahne Fischfilet melden sich zurück mit einem Album, das Wurfgeschoss, Umarmung und Befreiungsschlag zugleich ist. „Wir kommen in Frieden“ heißt die neue Platte – und meint genau das: aber nicht ohne Widerspruch. Statt sich hinter Parolen zu verschanzen, erzählen Monchi & Co. von Wut, Zweifel, Vatersein – und der Entscheidung, auch mit denen zu sprechen, die nicht auf ihrer Seite stehen. Ein Gespräch über Haltung, Verletzlichkeit und das Einreißen innerer Mauern.
Frontstage Magazine: Ihr kommt in Frieden – aber mit Wut im Bauch und Herz auf der Zunge. Euer Album klingt wie ein Balanceakt zwischen ausgestreckter Hand und geballter Faust. Was überwiegt – die Versöhnung oder der Warnschuss?
Monchi: Es ist eine Mischung aus beidem. Und genau das ist auch der Grund, warum wir diese Zeilen so mögen. „Wir kommen in Frieden“ kann man einfach so vielschichtig begreifen – das macht ihn so stark. Es kann der entspannte Hausbesuch sein, bei dem man zusammen abhängt und Netflix guckt. Es kann aber genauso der Moment sein, in dem wir die Tür eintreten. Und beides ist ehrlich gemeint.
Frontstage Magazine: Wie kam euch diese vielschichtige Zeile überhaupt in den Sinn?
Monchi: Die stand irgendwann einfach in meinem Notizbuch. Ich schreibe mir ständig mal Gedanken und Textfetzen auf. „Wir kommen in Frieden“ war einer dieser Sätze, die ich den Jungs gezeigt habe – und sofort war da was. Die Mischung aus politischer Dimension und persönlicher Offenheit hat uns alle direkt gecatcht. Und das fanden dann alle ziemlich geil. Erst dachten wir, das wird ein Songtitel. Am Ende war klar: Das ist der Name fürs Album.
Frontstage Magazine: In „15 Jahre“ geht ihr sehr weit zurück. Es klingt, als würde Punk da plötzlich ganz leise werden – und trotzdem hart treffen. Wie schwer ist es, sich so persönlich zu zeigen, ohne dabei den eigenen Schutzschild zu verlieren?
Monchi: Ehrlich gesagt: Ich denke da gar nicht mehr in Kategorien wie „Punk“ oder nicht. Ich glaube, unsere Musik lebt davon, dass sie persönliche Geschichten erzählt. Jede Zeile hat eine Geschichte – bei uns kannst du in jeder Strophe Tagebucheinträge lesen, wenn du willst. Mal gibt laute, prollige Momente, wie „Manchmal finde ich dich scheiße“ oder „Grüße ins Neandertal“, oder leisere, melancholische Momente wie „Haut an Haut“, „Eine rauchen wir noch“ oder „15 Jahre“. Klar, macht das angreifbar. Aber es berührt. Und mich berührt Musik nur dann, wenn ich spüre, dass da was Echtes hinter steckt.
Frontstage Magazine: Und wie war das bei dir konkret – was steckt hinter „15 Jahre“?
Monchi: Da geht’s um einen meiner prägendsten Momente. Ich war 15, die Dorffaschos haben mich übel zusammengetreten, ich war bewusstlos, meine Vorderzähne weg. Am nächsten Tag hatte meine Mutter Geburtstag. Sie ist Zahnärztin. Ich kam völlig zugerichtet nach Hause, sagte: „Sorry Mama, aber die Party ist aus!“ Dann sind wir direkt in ihre Praxis gefahren. Diese Szene, dieser Schmerz – das wollte raus. Und Musik ist der Ort dafür. Jeder von uns in der Band hat solche Geschichten. Es geht nicht darum, ob etwas hart oder laut genug ist – sondern ob es ehrlich ist. Klar, ist das manchmal eine Überwindung und es gibt auch Lieder, bei denen ich lange darüber nachgedacht habe, ob sie auf die Platte kommen. Aber ich glaube, dass es die Musik schlussendlich auch ausmacht und die Leute berührt. Musik berührt mich nur, wenn ich merke, dass eigene, persönliche Geschichten dahinterstecken.
Und genau deshalb will ich mir das auch nicht nehmen lassen. Ich will darüber sprechen, was mich bewegt – auch wenn das nicht immer leicht ist. Musik wird stark, wenn man eigene Geschichten erzählt. Das ist das, was mich bei anderen Bands berührt. Bei Büchern genauso. Allgemeine Phrasen, Parolen – die lassen mich kalt. Aber wenn da jemand steht und singt – und du siehst, wie Menschen weinen, weil sie sich in einem Text wiederfinden, dann weißt du: Das geht nur, wenn man viel von sich selbst reinlegt.
Ein Beispiel: Wir haben uns im letzten Jahr entschieden, den Song „Wut“ nicht mehr live zu spielen. Obwohl das einer unserer meistgehörten Tracks ist. Aber es gibt da Zeilen, die wir in Anbetracht des islamistischen Anschlags in Mannheim – bei dem ein Polizist erstochen wurde – so einfach nicht mehr vertreten können. Wir haben gemerkt: Das fühlt sich nicht mehr richtig an. Und wir wollen nichts spielen, nur weil es von uns erwartet wird. Wenn’s nicht mehr echt ist, lassen wir’s. Und genau das haben wir mit dem neuen Album wieder geschafft: Bei uns zu bleiben – aber nicht stehen zu bleiben. Und genau das macht das Leben aus. Höhen und Tiefen. Alles gehört dazu.
Frontstage Magazine: Und wie entsteht bei euch aus so einer Geschichte ein Song? Sitzt ihr im Proberaum und sagt: „Ey, das müssen wir erzählen“ – oder ist das eher ein organischer Prozess?
Olaf: Beides, ehrlich gesagt. Meistens bringt Monchi eine Idee mit – ein Thema, ein paar Zeilen. Dann sitzen wir zusammen, brainstormen, probieren Dinge aus. Die Texte machen oft er und Hauke, aber gerade bei der neuen Platte ist das alles viel kollektiver geworden. Wir saßen oft zu fünft da, haben Texte diskutiert, umgeschrieben, gefeilt. Das hat das Ganze extrem bereichert – weil es eben durch viele Köpfe und Herzen ging.
Monchi: Genau. Wenn du wissen willst, was uns beschäftigt – hör dir die Platte an. Unsere Musik ist wie unser Proberaum: voll mit Gesprächen, Erinnerungen, Gedanken, alten Narben und neuen Fragen.
Frontstage Magazine: Apropos neue Fragen: Monchi, in „Haut an Haut“ singst du über die Geburt deines Kindes– ein extrem intimer Moment. Deine Stimme klingt da fast brüchig. Was hat dieses Erlebnis mit dir gemacht – als Künstler, aber auch als politischer Mensch?
Monchi: Es ist das Besonderste, was mir in meinem Leben passiert ist. Und es verändert einen – auf allen Ebenen. Du wirst verletzlicher. Du denkst über Dinge anders nach. Ich sitze oft vorm Fernseher und frage mich: In was für eine Welt kommt mein Kind da eigentlich? Aber gleichzeitig finde ich es furchtbar, wenn Leute sagen: „Bringt bloß keine Kinder mehr in diese Welt!“ Im Gegenteil. Ich finde es schön, wenn Menschen Kinder bekommen und sich reinhängen, um diese Welt ein Stück besser zu machen.
Frontstage Magazine: Hat dich das auch verändert in dem, wie du politische Musik machst?
Monchi: Vielleicht hat es das alles weicher gemacht. Aber nicht weniger klar. Ich glaube, es ist ein Missverständnis, dass Punkrock immer nur laut sein muss. Wir hatten schon immer leise, verletzliche Momente in unserer Musik. „Irgendwann“, „Niemand wie wir“, „Wenn wir uns sehen“ – das sind alles Beispiele dafür. Und jetzt ist da dieses Kind. Und irgendwann wird es unsere Platten auflegen – und da steht dann: Wir lieben dich. Das bleibt. Und das ist das Schönste überhaupt.
Frontstage Magazine: Olaf, euer neues Album fühlt sich ein bisschen an wie ein Roadmovie durch die Abgründe und Lichtblicke dieses Landes. Was hat euch beim Schreiben besonders durchgeschüttelt?
Olaf: Wir reden in der Band ja ständig über das, was gerade passiert. Ich brauch keine Nachrichten – ich fahr zur Probe und bin sofort wieder up to date. Besonders heftig war für uns der Angriff der Hamas auf das Musikfestival in Israel. Das hat uns alle bewegt. Wir haben viel darüber gesprochen – und solche Gespräche fließen dann automatisch in unsere Musik. Auch das Thema AfD-Verbot war sehr präsent. Eigentlich bestand der Schreibprozess zu drei Viertel aus Musik machten und Texte schreiben. Das andere Viertel aus Diskussionen über das Weltgeschehen.
Monchi: Und das Geile ist: Wir konnten so schnell reagieren. Nach zwei Jahren direkt wieder ein Album zu machen, das so aktuell ist, war ein Geschenk. Teilweise saßen wir noch am Text, als der Song eigentlich schon fertig war – wie bei „Endlich auf Reise“. Gleichzeitig wollten wir nicht nur schwere Kost. Es braucht auch Humor, Lebenslust, ein Augenzwinkern.
Wie bei „Grüße ins Neandertal“ zum Beispiel. Das Lied ist dadurch entstanden, dass wir uns bewusst dazu entschieden haben, in Vorpommern einen eigenen Proberaum aufzubauen. Kurz nachdem zwei, drei Häuser weiter das mitbekommen haben, wurde eine riesengroße schwarz-weiß-rote Fahne aufgehangen. Das ist die, die im Musikvideo ist. Jedes Mal, wenn wir zum Proberaum fahren, hängt da diese riesengroße schwarz-weiß-rote Fahne. Ich glaube, wenig Bands haben dieses Privileg. Und so verarbeitest du dann wieder Sachen in deiner Musik und bist dankbar dafür, dass dadurch neue Songs entstehen.
Frontstage Magazine: Du hast den Song „Grüße ins Neandertal“ gerade schon angesprochen. Ihr sprecht darin Klartext gegen Rechts – und werdet dafür auf Social Media zensiert. Wie politisch darf Musik heute noch sein, wenn Algorithmen mitentscheiden, was sichtbar ist?
Monchi: Genau das ist das Absurde. Niemand wusste, warum der Song gesperrt wurde. Haben Nazis ihn massenhaft gemeldet? Oder hat eine KI irgendein Schlagwort erkannt? Du kannst niemanden fragen – kein Mensch ist mehr zuständig, dem du verklickern kannst dass wir den Nationalsozialismus nicht abfeiern, sondern dieInhalte satirisch und humorisch gemeint sind. Das ist das Gefährliche: Social Media hat sich zu einem riesigen Meinungsmacher entwickelt, aber ohne demokratische Kontrolle. Es geht nicht um Inhalte, sondern um Kohle. Gleichzeitig sind wir natürlich dankbar für die Reichweite. Aber ich glaube, man muss kein Riesenexperte sein, um zu merken, wie gefährlich das für eine Gesellschaft ist.
Frontstage Magazine: Zwischen Awareness-Kritik und antifaschistischem Erbe: Wie navigiert ihr heute durch ein linkes Milieu, das oft an seinen eigenen Idealen scheitert?
Monchi: Ich finde Scheitern gar nicht schlimm. Im Gegenteil. Daran wachsen wir. Komisch wird’s, wenn Leute so tun, als wären sie moralisch unantastbar. Diese Haltung schreckt ab – und ist mit ein Grund, warum viele sich eher von rechten Parolen angesprochen fühlen. Die sagen: „Come as you are“ – und werden dort mit offenen Armen aufgenommen. Wir versuchen, ein Gegenpol zu sein. Mit unserer Musik, mit unserem Dorffest. Es ist unheimlich wichtig, sich mit Menschen auszutauschen und mit ihnen in den Diskurs zu gehen. Wie bei uns mit dem Song „Manchmal finde ich dich scheiße“, den wir zusammen mit Finch aufgenommen haben. Es geht nicht darum, dass du perfekt bist. Bei uns bist du auch herzlich willkommen, wenn du mal ein Idiot warst. Auch wir waren oft genug Idioten. Aber wir ziehen eine Grenze – und die liegt bei den Überzeugungsarschlöchern. Auf die haben wir keinen Bock.
Das ist was, worauf ich stolz bin: Wir sind nicht mehr so schwarz-weiß wie früher. Ich seh mich auch nicht als Teil irgendeiner linken Szene. Wir sind Feine Sahne Fischfilet – und das haben wir uns hart erarbeitet. Heute können wir Songs wie „Awarenesskonzept“ oder „Manchmal finde ich dich scheiße“ schreiben, weil wir selbstbewusster geworden sind. Wir sagen, was uns wichtig ist, und auch, was uns nervt. Zeilen wie „Russisch Roulette im Parlament…“ – sowas hätten wir früher vielleicht nicht gemacht. Heute machen wir’s, weil wir es fühlen. Weil es gerade ist.
Wenn du auf ein Konzert kommst oder nach Jarmen zum Festival, dann verstehst du, was wir meinen. Musik kann Menschen verbinden. Und das Beste daran ist: Wenn sich Leute in einem Song nicht mehr so allein fühlen, dann hast du was richtig gemacht. Es gibt da draußen viele, die keinen Bock mehr auf diese ganze überkandidelte Moralapostelscheiße haben.
Frontstage Magazine: Unsere Gesellschaft entwickelt sich da ja auch in beide Richtungen: Einerseits muss man bei jedem Wort aufpassen, andererseits werden wir irgendwie auch immer robuster. Ist das nicht irre widersprüchlich?
Monchi: Klar ist das widersprüchlich. Und ja – ich glaube, auch wir als Band sind resilienter geworden. Aber es ist ein Kampf, nicht abzustumpfen. Nicht irgendwann zu sagen: „Ist mir doch alles egal.“ Das kostet Energie. Und nur weil man’s sich vornimmt, heißt es nicht, dass man’s jeden Tag hinkriegt.
Gerade deshalb ist es so wichtig, auf das Gemeinsame zu schauen. Nicht auf das, was trennt. Deshalb gibt’s diesen Song mit Finch. Den hätten wir vor ein paar Jahren vielleicht nicht gemacht, aus Angst vor dem Gelaber. Heute haben wir das Selbstbewusstsein – und feiern es.
Genauso wie „Jungs und Kokain“, unser Song mit Miss Platnum. Der steht auch für genau das: für Authentizität. Es geht darin darum, dass es voll okay ist, wenn sich Wege trennen, weil man einfach keinen Bock mehr aufeinander hat. Der Refrain stand schon, und wir dachten: Ey, es wäre doch cool, wenn da ’ne Frau mit einsingt. Miss Platnum fiel uns direkt ein. Sie kam dann sogar mit eigenen Zeilen und Geschichten um die Ecke. Und am Ende war das Ding einfach rund – mit Liebe gemacht, und das hört man.
Frontstage Magazine: Mit Leuten wie Finch oder Miss Platnum zu arbeiten – ist das euer Weg, Zwischentöne hörbar zu machen?
Monchi: Ja, voll. Wenn du ehrlich bist, hast du selbst auch Mauern im Kopf. Und manchmal redest du dann eben nicht mit Leuten, weil dir dein Kopf sagt: „Der passt nicht zu dir.“ Aber wenn du’s doch machst – wenn du dich auf ein Gespräch einlässt – merkst du plötzlich: Ihr habt ähnliche Erfahrungen, ähnliche Herkunft, vielleicht sogar den gleichen Frust. Vielleicht seid ihr beide in der gleichen Ecke aufgewachsen.
Diese Fokussierung auf das Trennende – die bringt uns als Gesellschaft nicht weiter. Weder im Kleinen noch im Großen. Ich glaube, wir müssen diese Mauern im Kopf abbauen. Und anfangen, wieder mehr miteinander zu reden – auch wenn’s mal unbequem wird. Genau da entstehen Verbindungen.
Frontstage Magazine: Ihr Lieben, danke euch für eure Zeit – und für eure ehrlichen Worte.
Monchi: Danke dir für das Gespräch. Hat Spaß gemacht!
Olaf: Ja, fand ich auch. Schön, dass wir so reden konnten. Bis bald mal – mach’s gut!
Fotocredit: Robert Eikelpoth