Mit ihrem Debütalbum „Rakshak” schossen Bloodywood 2022 in den Vorhof des Metal-Olymp. Eine Band aus Indien, die Nu Metal mit folkloristischen Elementen mischt? Das hatte man so noch nicht gehört. Nun, mit „Nu Delhi”, steht die große Frage im Raum: Können sie mehr als nur ihren Exotenstatus ausspielen?
Der Opener „Halla Bol” gibt erst einmal Entwarnung. Mit peitschender Dhol-Trommel, massiven Gitarren und treibendem Rap zeigt das Trio (live zum Sextett erweitert) direkt, was es kann. Der Mix aus westlicher Härte und indischer Klangwelt funktioniert noch immer – aber es gibt auch erste Abnutzungserscheinungen. Während „Halla Bol” noch ein echtes Brett ist, schaltet bereits track Nummer zwei, „Hutt”, in den Verwaltungsmodus. Simpler Nu Metal, ein Mitsing-Refrain, der live sicher zündet, aber auf Platte schnell durchgewunken wird.
Dass Bloodywood mittlerweile an den Genregrenzen kratzen, wird besonders bei „Bekhauf” deutlich – der umstrittenen Kollaboration mit Babymetal. Hier treffen Punjabi-Vibes auf japanischen Kawaii-Metal und Synthies, was entweder genial oder grauenhaft ist, je nach Geschmack. Auch „Kismat” wagt einen Sprung ins Ungewohnte, ersetzt aber die charmante Folklore früherer Hits durch einen elektronischen Unterbau. Während Fans von Bands wie The Hu weiterhin begeistert sein dürften, fällt auf, dass sich Bloodywood oft in einer Art Sound-Patchwork verlieren.
Das Problem von „Nu Delhi”? Nicht die Qualität der Einzelteile, sondern die mangelnde Stringenz im Songwriting. Tracks wie „Daggebaaz” und „Tadka” bieten zwar starke Momente – von brutalen Breakdowns bis hin zu humorvollen Hommagen an indisches Essen –, aber oft fehlt der letzte Schliff, der aus guten Ideen wirklich große Songs macht.
Dennoch: „Nu Delhi” bleibt ein Album, das man so aus keiner anderen Ecke der Welt bekommen würde. Es ist vielleicht nicht das Meisterwerk, das Bloodywood erhofft haben, aber es zeigt eine Band, die sich nicht auf alten Erfolgen ausruht. Und das allein ist schon mehr, als viele ihrer Nu-Metal-Vorbilder je behaupten konnten.
Review: Marc Erdbrügger
Fotocredits: Fearless Records