EinfachYu ist heute in der Lanxess Arena Köln (und natürlich war er es auch bereits auf anderen Shows dieser Tour) der Support Act von Alligatoah. Selbstbewusst steht der junge Musiker aus Nordrhein-Westfalen mit seiner Schlagzeugerin und einem Gitarristen auf der Bühne und findet viel Anklang bei dem eher jungen Publikum. Texte mitzusingen ist absolut gar kein Thema. Und auch zum hüpfen muss das Publikum nach kurzer Aufforderung nicht überredet werden.
Ob jedoch auch der geforderte Mosh Pit zum gewünschten Ergebnis geführt hat, ist für mich nicht ersichtlich. EinfachYu entgegnet jedenfalls „Das hat ganz ok geklappt.“ Ein knappes Lob, wenn einem noch seine vorangegangen Ansagen und Komplimente im Kopf hat.
„Ich habe mal einen Song geschrieben, über ein System, dass mich Jahrelang geprägt hat.“ Es geht dabei um Bewertung, um Leistung. Und wo sonst ist diese so stark prägend, wie in der Schule?!
Auch wenn das Wort „Danke“ häufig in diesem Lied vorkommt, so ist dieses wertvolle Wort jedoch in keinster Weise auch so gemeint. Kritisch wird die Schule beleuchtet. Man könnte auch sagen „Danke für nichts.“ Ähnlich kritische Inhalte haben auch andere Lieder von EinfachYu. Auch das nach wie vor eher tabuisierte Thema Therapie bekommt Raum. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass EinfachYu mit seinen Themen und der Ironie gut an die Position des Openers eines Alligatoah Konzertes passt.
Der Auftritt von Alligatoah beginnt etwas anders, als die meisten Konzerte beginnen.
Auf der Bühne ist eine Szene aufgebaut, die eine Räumlichkeit eines Büros darstellt. Vermeintliche Mitarbeiter – wahrliche Musiker – sitzen um den großen Konferenztisch und lauschen Lukas, der auf einer Leinwand wie live mit FaceTime vom Handy zugeschaltet ist und mit „Stay in Touch“ das Konzert beginnt. Alligatoah, der selbstverständlich vom Mond sendet und von dort nachher hinab steigen wird um der Lanxess Arena einzuheizen, stürzt jedoch plötzlich mit einem Knall von der Decke und landet hart auf dem Tisch. Ächzend steigt er zwischen den Trümmern hervor und spielt nach kurzem Luft holen sein Set weiter. So scheint es zumindest. Die lesenden Fans, die nicht vor Ort waren, mag ich beruhigen – es war nur eine Puppe, die vom Himmel viel ;o)
Bei „Ziemlich weise Zähne“ kommen zwei Überraschungen zum Vorschein. Ein Baseballschläger ist am unteren Rand des Schreibtisches versteckt, der nun von Alligatoah zum Vorschein gebracht wird. Die andere Überraschung ist Rapper-Kollege Bausa, der seinen Platz auf dem Schreibtisch neben Lukas einnimmt, um gemeinsam mit ihm diesen Song zu performen. Während dessen geht es der Einrichtung und den Elektrogeräten in der näheren Reichweite an den Kragen. Mit nicht allzu harscher Gewalt und Kraft, bekommen sie einen Schlag mit de Baseballschläger versetzt oder werden – beinahe liebevoll- vom Schreibtisch gekickt.
„Was macht ihr, wenn jemand in einem MoshPit hinfällt?“ „Aufheben!“ ist die richtige und lautstarke Antwort der Fans. Ganz korrekt ist diese jedoch nicht. Zumindest nicht nach Alligatoah-Manier. Dieser berichtet von einer Reihe Erster-Hilfe-Maßnahmen, wobei auch das „Gips anlegen“ nicht fehlen darf. So schlimm wird es bei „Es kratzt“ und auch dem weiteren Set des Abends doch wohl hoffentlich nicht kommen.
„Als ich das letzte mal hier in Köln war, habe ich euch traumatisiert hinterlassen. Wer hat Angst, dass ich nach der Tour aufhöre? Wer hat Angst, das ich nach der Tour Reggae mache? Wer hat Angst, dass ich nach dieser Tour nur noch Metal mache? Eine eurer Sorgen ist berechtigt. Ich gebe ich einen Tipp.“ Und ein lautes growlen rollt durch die Boxen. „Wer lacht jetzt“ ist in der Tat ein ziemlich schneller Song, mit ziemlich viel growlen
und einem automatisch nickenden Kopf. Mir, versehen mit einem Herz aus Metal, sagt dieser Songs äußerst zu.
„Köln. Wie fühlt ihr euch?“ Jubel brandet auf und kann als eindeutiges „Gut“ bewertet werden. Zumindest als Außenstehender. „Aber das ist doch nur eine gefühlte Wahrheit. Köln, ich habe den Eindruck ein paar von euch haben noch etwas Alltagsstress im Körper. Ein paar von euch haben ihre Mitte noch nicht gefunden. Auch in solchen Momenten bin ich für dich da, Köln. Dein Metal Health Coach.“
Eine kleine geführte Meditation, mit Dehnung, strecken, einatmen und ausrasten und entspannendem, meditaiv-musikalischem Keklimper im Hintergrund.
„Wenn wir unsere Mitte gefunden haben, gehen wir auseinander.“
„Ich fühle dich“ ist nicht nur der Titel des nun anstehenden Liedes, sondern auch Ziel der Meditation und knallharte Wahrheit innerhalb des Mosh Pits. Derweil übt sich Alligatoah in gemütlichen, zur Mitte bringen Yoga Übungen. Oder zumindest: Übungen, die so aussehen, als könnten diese dem Yoga entsprungen sein.
„Als ich dieses Woche mein Horoskop las und darin stand, ich würde jemanden besonderen kennenlernen, habe ich nicht damit gerechnet, dass ich Köln kennenlernen würde.“ Das Horoskop hat noch sehr viel mehr gesagt. Genauso wie Lukas noch sehr viel mehr sagt. Vor jedem Song hat er den gesamten Abend hindurch kreative und kurzweilige, wenn auch nicht gerade kurze Ansagen. Köln und sein befinden stehen dabei auch definitiv im Fokus. Im Fokus steht für die nächsten Minuten zudem der Rock’n’Roll. Oder eher „Fuck Rock’n’Roll“.
Wellengeräusche erklingen. Es wird gemütlich. „Konntet ihr jetzt euren Alltagsstress hinter euch lassen? Bei einigen von euch spüre ich noch eine Blockade. Seid ihr bereit für eine letzte kleine Meditation? Dafür ist es wichtig das ihr alle, alle nochmal die Augen schließt.“ Alligatoah zieht sich in der Zeit rasch auf der Bühne um. Plastikhanfpflanzen verdecken die Kamera und Lukas ist sicher das dies ein „Kostümwechsel wie bei Taylor Swift!“ ist. Eine gute Einleitung, um auf die Spitznamen der Fans von Taylor Swift zu sprechen zu kommen. „Taylor Swift hat ihr Swiftys.“
„Und Weil ihr so lange meine treuen Anhänger seit, gebe ich euch auch einen Namen. Ich Nenne ich euch nun „Torsten!“
Na wenn das mal nicht ein kreativer und herzlicher Spitzname ist. Ich bin mir sicher, dass sich die Fans sehr geehrt fühlen.
„Manche denken, ich würde Echtpelz aus Tier tragen. Aber keine Sorge. Ich trage einen Mantel aus Plastik, Plutonium und Schwermetall. Manche haben Sorge, weil ich so viel Müll produziere.Aber keine Sorge. Das ist alles biologisch abbaubar. Das ist alles aus Hack.“ Da bin ich ja beruhigt. Wurde aber auch Zeit, dass diesbezüglich mal für Klarheit gesorgt wurde. Eine Putzkolonne gesellt sich zu den Musikern auf die Bühne und versucht einenTeil des Chaos’ welches dort oben angerichtet wurde, zu beseitigen. „Lass liegen“ wäre hier jedoch nicht nur ein guter Songtitel gewesen, sondern auch eine gut umsetzbare Methode den Krempel einfach beim Abbau der Bühne mit auf Seite zu schaffen.
„Köln. Gebt mir ein Ich! Gebt mir ein Ich! gebt mir ein Ich!“ Wo wir gerade bei Ich sind: Ich gebe zu, dass ich nicth gezählt habe, wie oft ich abgerufen wird. Oft genug jedenfalls. Ich ist ja auch wichtig. Machen wir uns nichts vor.
Köln erweist sich dabei als ziemlich Textsicher. Ein Lob, bei einem solch komplexen Textgefüge. Und, welcher Song kommt jetzt wohl? Ich lasse die Frage mal unbeantwortet. Der eine oder andere aufmerksame Leser und Hörer von Alligatoah könnte mit etwas Mühe von alleine darauf kommen.
Mit Gitarre am Leib steht Alligatoah auf dem Schreibtisch und setzt zur nächsten Rede an: „Ich muss ganz kurz aus der Rolle fallen und sagen, wie schön es ist, wieder bei euch zu sein, Köln. So schön, dass ich meiner Oma eine Karte aus Köln schreiben werde. Köln hat alle Städte gebumst, Oma.“
Es folgt eine lange Rezension über das, was er der Oma alles schreiben wird. Oma. „Und wie das Wetter war, Oma?! Das geht dich ein Scheißdreck an, Oma.“ So würde ich die wichtigsten Inhalte an Oma mal zusammenfassen. Zusammengefasst für die Lanxess Arena heißt das „Open the Motherfucking Pit!“
„Köln! Ihr habt es geschafft! Wir sind im Teil mit den alten Liedern angekommen!“ So mancher freut sich darüber. Insgesamt ist der Jubel jedoch nicht so groß, wie es bei vielen anderen Künstlern der Fall ist, die endlich ihre heiß ersehnten Klassiker spielen. Bei Alligatoah ist auch das neuere Liedergut durchaus beliebt.
„Nun ist es Zeit, auf eine kleine Zeitreise zu gehen! Wer kennt Alligatoah schon seit der ersten Stunde?“ Einige dieser Fans sind schon dabei.
„Der Song ist sehr repräsentativ für mich. Er heißt „Wie zu Hause“ und geht acht Minuten. Seid ihr bereit mich kennenzulernen?!“ Fast Schnulzig wird‘s und Alligatoah sitzt am Keyboard und beinahe liegt ein hauch Romantik in der Luft. Handylichter schwenken, manche liegen sich in den Armen, es wird geschunkelt und mitgesungen. Man kann sagen: Es kommt gut an, das alte Zeug.
„Dieser Song, der ist fast, ca, in etwa, beinahe genau 10 Jahre alt. Manche erkennen schon das sehr eingängige Riff, mit dem es beginnt. Ich habe es geschrieben, da konnte ich nur diesen einen Ton. Dafür hatte ich den ganzen Körper voller „Narben.“
Mit Akustikgitarre, instrumental ganz leise, dafür stellenweise umso schneller. Und mit umso mehr stimmlicher Unterstützung der Fans, geht die kleine Akkustikeinlage des Abends weiter.
Ich kann den Leser übrigens verraten – mittlerweile kann Alligatoah mehr als einen Ton auf der Gitarre, auch wenn er sagt „Sorry Köln, ich hatte keine Zeit zu üben.“
„dann brauchst du Na na na na na nanaaa hey June. Na na na nanananaa Narben.“
„Welch ein Faux Pas. Ich habe meine Mitarbeiter noch gar nicht vorgestellt.“ Während der kleinen Akkustikeinheit ist Zeit für die anderen hervorragenden Musiker, die mit Alligatoah die Bühne teilen. Pausengerecht werden sie vorgestellt.
„Ich weiß ja nicht, was ihr macht, wenn ihr Pause macht., Aber ich nehme mein Handy, mache die Taschenlampe an und leuchte damit Menschen andächtig in den Nacken.“ Mit „Musik ist keine Lösung“ geht es akustisch weiter.
„Was stimmt denn nun, Alligatoah. Ist Musik eine Lösung? Heute kann ich euch offen und ehrlich sagen: Ich weiß es nicht. Ist eigentlich auch egal.“
„So raus“. Endlich wird‘s wieder laut und rockig.
„Kostümwechsel, wie bei Taylor Swift.“ Erneut steht er an. Ein bedeutender Kostümwechsel. Alligatoah zieht seinen Pullover aus, und performt jetzt im TShirt. Ein No Angels Shirt. Bevor das Cover „Daylight“ kommt, drückt sich zunächst „Monet“ durch die Boxen.
„Darf ich euch noch einmal anschreien? Ich bin doch eine Metalmaus. Nein….eigentlich ich eine Metalratte!“ Die Metalratte hat ein richtig gutes Metal Cover von den No Angels kreiert. Und „Daylight“ kennt nun wirklich jeder, so dass die Begeisterung groß ist und das Lied gebührenden Anklang findet. Lukas freut sich sichtlich darüber, dass er dieses Lied
so singen darf, wie er es singt. Hinter mir höre ich einen Fan neiderfüllt sagen: „Das T- Shirt ist geil!“ Genau so, wie das Lied.
„Und somit, liebe Thorstis, habt ihr es geschafft.“ Die Metal-Einlagen des heutigen Abends sind vorüber.
„Ob mit Reggae, ob mit Rock, ob mit Metal, ob mit Pop. Ich bleibe genau hier.“ Dabei zeigt Alligatoah auf die Bretter der Bühne, auf die er steht, bevor er seinen vorletzten Song für diesen Abend anstimmt. „Willst du“
Obwohl Alligatoah noch auf der Bühne steht, werden Zugaberufe laut. Und einen allerallerletzten Song für diesen heutigen Abend in Köln gibt es. „Partner in Crime“.
Schön ruhig, am Keyboard, endet dieser besondere Abend zwischen Metal, Rap und Reggae.
Fotocredit: Sarah Fleischer