Wolfgang Müller überrascht auf seinem achten Studioalbum „Das Ende von allem” gleich in den ersten Tönen: Kein einziges Gitarrenriff ist zu hören. Diese klangliche Kehrtwende markiert den Beginn eines neuen Kapitels in seiner langjährigen Karriere als Singer-Songwriter. Anstatt auf seine gewohnten Akustikgitarren-Sounds zu setzen, breitet er hier eine dichte, fast filmische Atmosphäre aus, die von Synthesizern und minimalistischen Arrangements getragen wird. Als Referenzen kommen einem dabei PeterLicht, Niels Frevert oder der ganz alte Purple Schulz in den Sinn. Was durchaus nichts Schlechtes zu verheißen mag.
„Das Ende von allem” ist kein leichtes Album, weder musikalisch noch inhaltlich. Es behandelt die großen Fragen des Lebens: Vergänglichkeit, Liebe und Verlust. Müller begibt sich auf eine emotionale Reise, in der er die Zuhörer durch seine Texte mitnimmt und gleichzeitig Raum für eigene Reflexionen lässt. So singt er beispielsweise im Opener Tag meiner Geburt: „irgendwas kann nicht mehr / so weiter wie früher – die Wehn kommen jede Stunde und stündlich werden es mehr / keine Frage ich sterb / heute und hier / meine Güte wie traurig doch sicher kein Zufall, dass sowas am Tag meiner Geburt passiert”. Versucht man diesen Text zu entschlüsseln ist man thematisch schnell bei Themen wie Traumata, Verlusten und vor allem Ängsten – und somit auch thematisch bei Müllers kürzlich erschienenen autobiografischen Buch Strudia: Kampfkunst für den Kopf. (Hier Link zur Review: https://frontstage-magazine.de/2024/07/23/buch-review-wolfgang-mueller-strudia/)
Doch genau wie das Buch Hoffnung und positive Herangehensweisen thematisiert, baut Müller hier ein musikalisches Mindest, welches große Hoffnung in den Neuanfängen sieht. Auch wenn man fast wie bei einer Heldenreise zunächst die düsteren Stücke durchstehen muss („Nie alleine”, „Die einzige Heilung”), zieht mit fortlaufender Spieldauer immer mehr Hoffnung in die Songs ein, welche im Albumcloser „Das Glück” enden.
Musikalisch bleibt das komplette Album seinem reduzierten Stil treu und rückt Müllers – bei weitem nicht perfekten Gesang – völlig in den Fokus. Das Ganze wirkt dadurch allerdings unfassbar authentisch und man nimmt Müllers Worte durchweg für bare Münze. Er liefert somit verschiedenste Ansätze zur Identifikation und man sucht unentwegt nach Momenten und Motiven, in denen man sich wiederfinden kann.
Mit seiner “neuen” musikalischen Ausrichtung gibt Müller zwar die Eingängigkeit seiner Songs auf, fügt seinen Liedern jedoch eine neue faszinierende Facette hinzu, die man gar nicht so leicht in Worte fassen kann. Das klingt sensibel, unaufgeregt und “interessant”, was jedoch ausdrücklich positiv gemeint ist, denn „Das Ende von allem” ist ein Album zum Eintauchen geworden.
Fotocredit: Anna Kuhnt