Touché Amoré melden sich nach vier Jahren zurück – und wie. Mit „Spiral In A Straight Line” liefern die Kalifornier ein Album ab, das genau die stürmischen Zeiten widerspiegelt, in denen es entstanden ist.
Das emotionale Labyrinth von „Spiral In A Straight Line” nimmt einen für knapp eine halbe Stunde völlig gefangen. Und in dieser Zeitspanne fällt einem auf, dass Touché Amoré ihr Klangspektrum auf Album Nummer 6 nochmals ordentlich erweitert haben, dennoch ganz unverwechselbar nach Touché Amoréklingen. Denn Zutaten wie die emotionale Stimmgewalt von Jeremy Bolm und die ungeheure Intensität der Band, bleiben unverändert. Vorwärts immer – rückwärts nimmer, könnte das Motto des Albums sein. Der Sound klingt teilweise sehr roh und deutlich weniger verkopft als auf ihrem – in meinen Augen – Meisterwerk „Stage Four”.
Wie unmittelbar Touché Amoré dabei auf den Punkt kommen können, beweist bereits der Opener „Nobody’s”. Bolms klagende Stimme wird hier von einer schnörkellosen Soundwand getragen, die auf jeden Umweg verzichtet, sondern melodisch und direkt nach vorne zielt. Das anschließende „Disasters” wirkt im Vergleich fast schon kompliziert und gesteht Bolm mehr Facettenreichtum zu. Den ersten Fixpunkt erreicht die Platte mit der bereits bekannten Vorabsingle „Hal Ashby”, eine Verbeugung vor dem gleichnamigen Regisseur. Hier gelingt es der Band ihr perfekt ausbalanciertes Spiel zwischen Härte und Melancholie auf das von ihnen bekannte Level zu heben.
In den folgenden Tracks frönen Touché Amoré ihren Hardcore-Wurzeln, garnieren diese aber stets mit melodiösen Post-Punk Gitarren. Richtige Brecher finden sich somit weniger, aber dennoch gelingt es der Band eine gewisse Dringlichkeit aufzubauen. Sicherlich auch ein Verdienst von Produzent Ross Robinson, dessen At The Drive In Referenz hier als guter Vergleich herangezogen werden kann.
Auffallend, weil leicht anders aufgebaut, sind dann auch noch die Feature-Tracks des Albums. Zum einen „Subversion (Brand New Love)”, bei dem Lou Barlow (Dinosaur Jr.) die Band unterstützt. Hier wird Post-Punk in seiner reinsten Form zelebriert – zuerst zurückhaltend und sanft, dann pulsierend und aggressiv. Und zum anderen die Zusammenarbeit mit Julien Baker auf „Goodbye for Now”. Bereits die Ankündigung dieses Features hat mich in große Vorfreude versetzt. Und glücklicherweise konnte dieser gestiegen Erwartungshaltung mit einer wahrhaften Hymne, die die Stärken beider Künstler ausspielt, auch entsprochen werden.
Unterm Strich schaffen Touché Amoré mit „Spiral In A Straigt Line” kein neues Meisterwerk von der Klasse eines „Stage Four”. Dennoch bewegt sich die Band auf konstant hohem Niveau und liefert erneut ein Album ab, welches ganz sicher in den nächsten Wochen und Monaten noch wachsen kann und wird. Schließlich sind die einzelnen Tracks so energiegeladen, nuanciert und vielseitig, dass man sich einige Songs erst einmal erarbeiten muss – und über die lyrische Ebene haben wir dabei noch gar nicht gesprochen.
Und natürlich kann man Touché Amoré mit dem neuen Album auch schon recht bald wieder live erleben. Eine entsprechende Headline-Tour wurde vor kurzem angekündigt.
TOUCHÉ AMORÉ LIVE 2025
29.01.2025 München, Backstage Halle
07.02.2025 Berlin, Columbia Theater
08.02.2025 Hamburg, Fabrik
14.02.2025 Münster, Sputnikhalle
15.02.2025 Köln, Kantine
Fotocredit: Sean Stout
Review: Marc Erdbrügger