„Besser sein als jetzt“ – kam vor zwei Jahren raus und war somit Studioalbum Nummer Sechs von der Berliner Punkrock Band Smile And Burn. Genau zeitgleich sind aber auch noch weitere Songs entstanden, denen wir ab dem 26. Juli 2024 endlich auch in voller Länge lauschen dürfen. Denn diese sind auf dem neusten Werk des Trios, „Seid ihr stolz auf mich?“, gelandet. So gesehen sind die Alben also quasi Geschwisterkinder, und wie es mit Geschwistern des Öfteren so ist, sind die zwei Alben auf den ersten Blick sehr unterschiedlich. So ist das ältere Geschwisterkind im Proberaum aufgenommen wurden, das Jetzige im Heavy Kranich Studio der Donots. Aber auch vom Sound her schlagen Smile And Burn nach 16 Jahren Bandgeschichte mit „Seid ihr stolz auf mich?“ nochmal andere Zelte auf als zuvor.
Bereits mit dem Opener „Flackert und geht aus“ wird klar: Smile And Burn haben musikalisch ein bisschen experimentiert und sich selbst ganz authentisch nochmal in gewisser Art und Weise ein wenig neu erfunden. Mit Hall, einem eingängigen Beat und einer recht zurückhaltenden Gitarrenspur erzeugt der Song eine leicht tranceartige Stimmung. Die einen zuerst etwas stutzig – aber dann definitiv absolut neugierig macht, was wohl der Rest des Albums mit sich bringt.
„Denn ich wollte nur gefallen. Seid ihr stolz auf mich? Seid ihr stolz auf mich? Denn ich wollte nur gefallen. Bitte lasst mich nicht, bitte lasst mich nicht allein!“ Mit diesen Zeilen von Song Nummer Zwei, der auf den Namen „Stolz“ hört und somit wohl Titeltrack vom Album ist, steigen wir direkt tief in die thematische Materie vom neusten Smile And Burn Werk ein. Und die hat es wirklich in sich. Es ist ein multidimensionales Thema, welches bewusst oder auch unbewusst wohl einen Jeden und eine Jede von uns betrifft: Generationskonflikte. Ob ausgelöst durch Traumata in früher Kindheit oder auch spätere Schicksalsschläge. Die Päckchen oder ganze Pakete, die dadurch enstehen, werden von Generation zu Generation weitergereicht und wiegen als Last bei dem Einen weniger, bei dem Anderen schwerer. Genau das haben Smile And Burn in ihrem Album als Leitfaden aufgegriffen und verarbeitet. Auf eine ganz persönliche Art und Weise, mit der man sich dennoch vollends identifizieren kann.
Generell hab ich mich beim ersten Mal hören von „Seid ihr stolz auf mich?“ dabei erwischt, dass ich mir dachte: „Ah das könnte mein Favorit vom Album werden!“. Das Problem: das ging mir gleich bei mehreren Liedern so. Zum Beispiel bei „Bomben fallen“. Auch wenn hier inhaltlich über so ganz und gar nicht leicht verdauliche Kost gesungen wird, trägt sich die Melodie des Refrains im Kontrast dazu absolut leicht. Auch durch den choralen Gesang wird dafür gesorgt, dass dieser Titel einiges Ohrwurmpotenzial beherbergt. Ich hab ihn jedenfalls oft noch lange vor mich hingesungen, auch wenn die Platte schon längst wieder aus war.
Etwas rauher und rotziger als die Vorgänger zeigt sich „Asche von gestern“. Stilistisch finde ich das Ende vom Song absolut gelungen. „Nur waren alle müde irgendwann“ diese Line wird über den Instrumentalteil hinaus gesungen und gibt dem Stück so nochmal ein ganz besonderes Statement und Nachdruck im Ausklang.
Weiter geht’s auf dem Tonträger mit „Oberflächenspannung“. Die letzte Vorabsingle vorm Release. Hier wird eine Frage gestellt, die glaube ich jeden von uns in speziellen Momenten abholt. „Wie soll das gehen, nicht aufzugeben?“ – diese Zeile sticht heraus, und obwohl das Lied von Traurigkeit getränkt zu sein scheint, wird musikalisch eher Aufbruchstimmung und Energie vermittelt. Zumindest wenn der Text eher nebensächlich betrachtet wird. Soundtechnisch könnte dieser Song auch gut im Repertoire von Milliarden auftauchen, mit denen Smile And Burn ja auch ein kleines Stück musikalische Geschichte teilen.
Weniger Milliarden sondern viel mehr Neue Deutsche Welle Vibes hat mir das Intro von „Die Jahre Zweifel“ gegeben. Ein Song der für mich bei den ersten Hördurchgängen irgendwie ein bisschen im Gesamtwerk untergegangen ist, dann hat es aber irgendwann „Klick“ gemacht und mittlerweile gehört er zu meinen ganz persönlichen Top 3. Auch hier wieder in typischer Smile And Burn-Manier: ein „weniger ist mehr“-eingängiger-Chorus und ein unaufgeregtes, aber groovy Gitarrenriff. Der Track macht definitiv Lust darauf, sich bei einem der kommenden Tour Konzerte darin zu verlieren.
Nach Mosh Pit und ein bisschen Rumgeschubse schreit auch „Sowieso zu spät“. Hier denke ich, sind doch auch alle happy, die sich ein bisschen Smile And Burn von den vorigen Alben wünschen. Ne stabil punkige Nummer, die schön von Ironie aber auch direkt in-die-Fresse-Zeilen geprägt ist.
Generell ist die hintere Hälfte vom Album wieder gitarrenlastiger und das Tempo wird gesteigert, man könnte fast meinen „Seid ihr stolz auf mich?“ ist in Part 1 und in Part 2 aufgeteilt. Mit „Fallen“ und „Schlechte Laune, alles gut“ liefern uns Smile And Burn jedenfalls zwei scheppernde Bretter mit Hitpotential. Bei Letzterem ist neben den Lyrics definitiv die funkig angehauchte Gitarre im Mittelteil der absolute Hero. Unerwartet aber extrem gut!
Der zehnte Song, auf dem neusten Werk des Berliner Trios, war direkt von Anfang an einer meiner Lieblinge. „Hier hält gar nichts“ – so heißt das gute Stück und wurde von Smile And Burn gemeinsam mit Mario Radetzky von Blackout Problems geschrieben. Nicht einmal auf ganze zwei Minuten schafft es der Titel, aber das macht gar nichts. Seine Wirkung entfaltet sich auch schon in dieser kurzen Zeit. Wut & Enttäuschung auf die Welt und die Lügen, die uns von überall untergejubelt und aufgetischt werden. Damit hat die Band noch einmal ein ganz großes Feuerwerk kurz vor Ende des Albums gezündet.
Recht seicht, nach dem vor Kraft so strotzendem Vorgänger, kommt dann „So falsch“ daher. Hier wurde die Sportgitarre vorerst wieder an den Nagel gehängt. Weniger punkige, sondern mehr poppige Elemente schmücken den Track, der wieder von einem sehr eingängigen Chorus lebt. Vielleicht dient er aber auch nur als eine kurze Verschnaufpause vor dem letzten Streich auf der Platte.
„Alle verlieren“ – trifft nämlich direkt ab Beginn der ersten Strophe nochmal richtig mittenrein und lässt garantiert niemanden kalt!
Auch wenn Smile And Burn auf „Seid ihr stolz auf mich?“ vielleicht ein wenig vom Pfad des „klassischen“ Punks abkommen, ist das Album keinesfalls weniger Smile And Burn. Vielleicht sorgt der ordentlich poppige Einschlag am Anfang für etwas Verwunderung, weil wir es so bisher von den Berlinern einfach noch nicht kannten.Trotzdem hört sich das Album durchweg echt und authentisch an. Es werden in den Lyrics viele persönliche wunde Punkte verarbeitet, alte Wunden werden aufgerissen, es wird Salz hineingestreut, es wird nichts verschönigt. Genau das bringt eine ganz große Portion Mut mit in das Album „Seid ihr stolz auf mich?“ und ich finde, jeder und jede von uns, der oder die sich das Album komplett, von vorne bis hinten angehört hat, kann diese eine Frage mit einem lauten „Ja!“ beantworten!
Smile And Burn live: Schlechte Laune Alles Gut Tour 2024
07. November München, Orangehouse
08. November Frankfurt, Nachtleben
09. November Köln, Helios37
14. November Berlin, Badehaus
15. November Hamburg, Headcrash
16. November Leipzig, Moritzbastei
Fotocredit: Max Threllfall