Die deutsche Musikszene ist bekannt für ihre Vielfalt und Innovationskraft, und eine Künstlerin, die in jüngster Zeit besondere Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat, ist Serpentin. Mit ihrer einzigartigen Mischung verschiedener Musikstile und tiefgründigen Texten hat sie sich eine treue Fangemeinde aufgebaut. In unserem heutigen Interview sprechen wir mit Serpentin über ihre musikalischen Anfänge, die sie humorvoll als „singend aus ihrer Mutter herausgekommen“ beschreibt, ihre kreative Entwicklung und die düsteren Vibes, die ihre Werke bisher durchzogen. Wir werden auch einen Blick auf die kritische Auseinandersetzung mit dem Patriarchat werfen und erfahren, wie sie ihre Rolle als Künstlerin in der heutigen Musikindustrie sieht.
Frontstage: Fangen wir mal ganz vorne an, wie kamst du denn eigentlich zur Musik?
Serpentin: Wenn ich jetzt ganz weit aushole, würde ich sagen, dass ich quasi singend aus meiner Mutter rausgekommen bin. Ich bin schon immer sehr musikalisch gewesen und in einer musikbegeisterten Familie aufgewachsen. Mein Vater spielt zum Beispiel Akkordeon.
Musik habe ich dabei schon immer als Outlet und Ausdruck genutzt. In der Schule habe ich Akkordeanunterricht genommen und war im Chor.
Dann habe ich nach dem Abi einfach gedacht: „Okay, was will ich mit meinem Leben machen?” Und es gab zwei Möglichkeiten: Entweder Kunst oder Musik studieren. Und ich habe gewusst, dass ich jeden Tag Musik machen kann. Kunst nicht. Und dann habe ich mich für die Musik entschieden. Es war sehr natürlich, als wäre ich da reingeboren.
Und so ist aus einem Hobby dann mein Beruf geworden.
Frontstage: Wie würdest du denn selber deinen Musikstil beschreiben? Und haben dich bei deinem Stil bestimmte Künstler:innen beeinflusst?
Serpentin: Ich finde es immer super schwer, meine Musik zu beschreiben. Ich würde sie am ehesten als Indie-Electro bezeichnen, da sie sehr nah am Pop orientiert aber trotzdem auch sehr elektronisch ist.
Ich mag es nicht zu sagen, dass ich die Genre Grenzen sprenge oder kein Genre habe, aber meine Musik verändert sich viel, weil ich mich selbst auch viel verändere. In der Vergangenheit habe ich mich zum Beispiel viel mit düsteren Themen beschäftigt. Ich würde mich jedoch nicht damit identifizieren, da nicht alles düster ist, was ich mache.
Meine Texte werden von vielen als lyrisch bezeichnet, weil es für viele beim Lesen klingt, als wären sie Gedichte. Ob ich das selber so richtig beurteilen kann, weiß ich nicht, da es einfach meine Art ist, zu sprechen und Musik zu machen.
Wenn du mich fragst, wie ich meine Musik beschreibe, würde ich sagen, dass sie sehr gefühlsbetont, intensiv und melodiös ist. Harmonisch, könnte man vielleicht auch sagen.
Beeinflusst hat mich musikalisch ne Menge, aus vielen verschiedenen Ecken, da ich sehr unterschiedliche Musik höre. Meine Mutter hat immer sehr viel Queen und die Ärzte gehört, was mich als Kind natürlich geprägt hat. In den 2000ern habe ich viel 80er Synthie Musik, Glamrock und Pop mitbekommen. Im Teenageralter war ich dann ein sehr großer Paramore Fan und habe Thom Yorke für mich entdeckt. Aber auch vom Deutschrap wurde ich sehr geprägt.
Momentan inspiriert mich die Musik von Thom Yorke, Radiohead und Aphex Twin.
Ich würde es als Sammelsurium bezeichnen, aus dem ich meine Einflüsse sammle und das zu meiner Entwicklung beigetragen hat.
Frontstage: Ich finde, das kann man tatsächlich hören, dass du sehr viele Einflüsse hast, das spiegelt sich total in deiner Musik wider.
Serpentin: Ich bin ein sehr sprunghafter Mensch und meine Interessen können sich sehr schnell ändern, deshalb habe ich mich immer gefragt, ob das auch in meiner Musik zu hören ist. Ich finde die Vorstellung sehr schön, dass man die verschiedenen Einflüsse tatsächlich in meiner Musik hören kann.
Frontstage: Du hast ja bisher mit Serpentin ein bestimmtes Bild mit eher düsteren Vibes geschaffen, wie du auch gesagt hast. Und auch die Visuals sind eher düster gewesen in der Vergangenheit. Wie kam es dazu und wie ist da der Bezug zur Musik?
Serpentin: Es war gar nicht wirklich geplant, dass ich düstere Musik mache. Ich habe mich zu dem Zeitpunkt mit viel Traurigkeit und Schmerz befasst, die ich mit meiner Musik verarbeitet habe. Weil ich ein sehr visueller Mensch bin, waren dann nicht nur meine Texte und die Musik, sondern auch die Visuals recht düster. Es ist für mich ganz natürlich, dass das Hand in Hand geht.
Wenn ich zusammen mit meiner Creativ Direction Fiona Kutscher Konzepte und Visuals erarbeite, dann gehen wir jeden Song Zeile für Zeile durch und überlegen uns, welches Bild am Besten dazu passt. In den meisten Fällen ist es dann oft auch ein metaphorisches Bild. Bei meinem Song “Herz geklaut” geht es zum Beispiel über Wut und es wird über den Teufel gesprochen, da war schon sehr früh klar, dass auch die Visuals eher rough, lo-fi und ein bisschen verzerrt und zerrissen aussehen sollen. Auch bei “Atta” hat es unglaublich viel Spaß gemacht, diese Wut und den Widerstand zu verbildlichen. Es muss einfach zusammenpassen mit der Seele der Musik. Und die Seele der Musik kam bisher in vielen Songs eben einfach sehr aus einem dunklen Space und es hat ja auch gut gepasst, weil sich meine Musik in dunklen Club Settings bewegt. Weil ich eine Nachteule und eine kleine Hexe bin, war das auch ganz natürlich und hat gut gepasst.
Aber ich mag nicht nur düstere Musik, weil es mich auch schnell runterzieht, wenn ich mir nur düstere und traurige Sachen reinziehe. Ich bin total gespannt, wie sich das in Zukunft verändert.
Frontstage: Du hast deine letzte EP „Atta“ angesprochen. Das bedeutet auf Latein Vater. Aber du behandelst eher feministische Themen, wie passt das für dich zusammen?
Serpentin: Ich habe die EP “Atta” genannt, als Anspielung auf das Patriarchat, da Pater ja auch Vater bedeutet. Die Idee dahinter war, dass es mein Aufbegehren gegen das Patriarchat darstellt – nicht durch offensichtlich feministische Texte, sondern eher durch die Verarbeitung davon, wie es für mich war, im Patriarchat aufzuwachsen. Wie es mich verändert hat, mit welchen Hürden ich konfrontiert wurde und wie mich das auch verhärtet oder eingeschüchtert hat und was für Irrglauben ich dadurch auch entwickelt habe.
Das Patriarchat empfinde ich – und das habe ich auch so empfunden, als ich die Songs geschrieben habe – als eine Einschränkung, einen Zwang und eine Schachtel, in die man reingesteckt wird. Und es war sehr klar für uns, dass wir da namenstechnisch und auch visuell mit sehr starken Attributen arbeiten. Das Bild, das ich im Kopf hatte, war eine gewisse Strenge. Visuell wollten wir deshalb mit breiten Schultern, Jacketts und dieser gewissen Haltung arbeiten. Durch ein bisschen Nacktheit und durch die sich in meinem Gesicht widerspiegelnde feministische Wut und meinen Widerstand haben wir dann einen feministischen Twist eingebracht.
Die Idee dahinter war zu zeigen, wie es ist, als Frau in einer Welt aufzuwachsen, in der ich keinen Platz habe, so wie ich bin oder in der ich eben nicht den Platz habe, den zum Beispiel die Väter haben. Denn der Vater, der steht über allem und bestimmt alles und infiltriert alles.
Frontstage: Wie läuft denn der kreative Prozess des Schreibens bei dir ab? Unterscheidet sich das auch vom Produzieren? Du produzierst ja deine Songs auch selbst.
Serpentin: Produzieren und Schreiben passieren tatsächlich gleichzeitig. Ich habe ein kleines Homestudio und habe in letzter Zeit öfter darüber nachgedacht, wie ich das beschreiben würde, weil die Frage immer mal wieder kommt. Und mir ist aufgefallen, dass ich sehr intuitiv bin, in dem, was ich da mache. Es ist für mich ein krasser Safe Space, in dem ich überhaupt nicht denke und nur mache und fühle. Es ist wie ein Spielplatz. Ich darf da alles machen, ich darf da alles fühlen und ausprobieren und neugierig sein, so dass ich meistens überhaupt nicht mitschneide, was genau ich da mache.
Ich kann es total schwer erklären, weil ich es gar nicht bewusst merke. Es ist wie wenn ein Kind einfach spielt. Es ist so ein unschuldiger Prozess, weil ich dann ja doch sehr intensiv und bewusst die Themen durchgehe und durchdenke.
Aber es ist auf jeden Fall so, dass das Produzieren und Schreiben für mich gleichzeitig passiert. Meistens habe ich zuerst den Beat, das heißt ich mach’ erst die Musik und schreibe dann da die Texte drauf.
Oft ist es auch so, dass ich einfach unterwegs bin und mir in meine Notizen Zeilen oder Worte notiere, die mir gerade einfallen. Aus einem Wort sind so teilweise ganze Songs entstanden; einfach weil ich das Wort ästhetisch fand und es etwas in mir ausgelöst hat.
Manchmal passiert es auch einfach, dass ich wie in einem Tunnel bin. Ich habe dann das Gefühl, sofort nach Hause zu müssen, um zu schreiben. Das war zum Beispiel bei „Alles scheiße“ so. Der Song kam aus einem krassen Gefühl. Es gibt manchmal diese Momente, in denen man denkt, dass sofort alles raus muss. Bei “Alles scheiße” war das so. Der Song ist in einer schlimmen PMS Phase entstanden, in der es wortwörtlich aus mir rausgeflossen ist.
Aber meistens ist es ein viel längerer Prozess. Ich habe festgestellt, dass ich wenig Einfluss darauf habe, wann meine Songs (fertig) werden oder entstehen. Die werden, was sie werden wollen. Und ich glaube auch, dass es eine bestimmte Zeit für die Songs gibt. Ich habe mich schon manchmal so richtig abgerackert an einem Song und es wollte einfach nicht gehen und dann ein paar Monate später war dann der Zeitpunkt und dann hat es geklappt. In dieser Zeit bin ich dann nicht ansprechbar und will auch nicht angesprochen werden.
Frontstage: In letzter Zeit hat man bei dir auf Instagram auch schon ein paar Storys aus dem Studio gesehen. Wann können wir denn was Neues erwarten? Und magst du schon was davon erzählen?
Serpentin: Es gibt auf jeden Fall dieses Jahr noch was Neues. Ganz, ganz, ganz bald kommt die nächste Single. Die Leute, die auf der letzten Tour waren, haben den Song vielleicht schon mal gehört. Und der wird auf jeden Fall eine neue Zeit einleiten und einen Cut machen zwischen dem, was vorher war, und dem, was jetzt kommt. Ich habe gemerkt, dass ich mich verändert habe – im positiven Sinne. Und das hört man in meiner Musik. Dieser nächste Song ist das Bindeglied zwischen diesen beiden Phasen und wird schon mal zeigen, in welche Richtung es gehen wird. Ich freue mich total darauf, weil ich einfach fühle, dass das der richtige nächste Schritt ist.
Ich schreibe gerade auch wieder sehr viel und plane, dass es vielleicht ein Album wird. Ich bin gerade noch sehr im Prozess – aber das wird erst etwas für nächstes Jahr sein.
Die letzten Monate habe ich auch mit ein paar anderen sehr tollen Artists etwas gemacht, das auch dieses Jahr noch rauskommen wird. Auch mit einem sehr guten Freund, dessen Musik ich wahnsinnig gerne höre, habe ich was ganz Besonderes gemacht. Etwas, was ich noch nie gemacht habe. Da freu’ ich mich auch sehr drauf!
Ich habe großes Vertrauen darin, dass die Leute sich über diesen kleinen musikalischen Umbruch freuen werden.
Zum Ende des Jahres wird’s nochmal ein bisschen wild. Ich kann noch nicht so viel dazu sagen, außer dass es spannend wird!
Frontstage: Du hast ein Feature angesprochen, du hast ja auch in der Vergangenheit ein paar Feature gemacht; darunter auch einige ungewöhnliche. Wie kam es dazu, dass du da so unterschiedliche Stile zusammenbringst?
Serpentin: Tatsächlich habe ich bis 2022 noch nie mit anderen Leuten zusammen im Studio Musik gemacht und es war dann so, dass ich diese ganze Bubble um Crystal F kennengelernt hab’: Ikarus, Psassa und Stockmann bzw John. Wir haben uns im Studio angefreundet und konnten miteinander teilen, dass wir die Musik und das Produzieren alle so lieben. Und so ist dann das erste Feature mit Psassa entstanden. Der Song heißt „Wasser“. Das war meine allererste Feature Erfahrung, das erste Mal, dass ich mit anderen Leuten im Studio Musik gemacht habe und es ging erstaunlich leicht. In der darauffolgenden Zeit kam dann auch noch das Feature mit Crystal F und mit Stockmann und John. Wir waren einfach alle gegenseitig große Fan voneinander und hatten Lust, miteinander Musik zu machen. Ich fand das Ganze total spannend! Ikarus ist zum Beispiel einfach ein wahnsinniger Produzent – er hat sehr viel entweder komplett produziert oder mitproduziert und ich fand es einfach wahnsinnig spannend, ihm beim Arbeiten zu zugucken und von seinem Können ein bisschen was mituznehmen. Und auch mit Stockmann und Crystal F hat es einfach voll Spaß gemacht und ich habe viel dadurch gelernt.
Insbesondere Hauke, also Crystal F, hat mich sehr unterstützt und ein bisschen unter seine Fittiche genommen. So kam es dazu, dass er auch seine Fanbase mit mir geteilt hat und mich seinen Fans vorgestellt habt, wodurch ich jetzt auch viele Überschneidungen mit den Fans von Hauke habe.
Mir war das irgendwie gar nicht bewusst, dass das so ein ungewöhnlicher Mix ist, weil ich immer schon Deutschrap gehört habe und immer schon Fan von Deutschrap war. Ich fand es dann total abgefahren, dass ich teilweise ein bisschen in diese Deutschrap Richtung gesteckt wurde, nur weil ich mit Rappern zusammengearbeitet habe.
Aber ja, für mich war das kein berechneter Move. Wir hatten einfach Spaß daran und wollten uns als Freunde gegenseitig supporten. Ich bin sehr glücklich, dass wir das gemacht haben. Es sind sehr schöne Songs geworden.
Frontstage: Du bist auch Teil der Bande Konzertreihe gewesen. Lief das ähnlich ab oder wie kam es dazu?
Serpentin: Ich weiß gar nicht mehr, wie es dazu gekommen ist. Ich glaube, dass Modular mich tatsächlich einfach über Instagram angeschrieben hat. Irgendwie ist sie auf mich aufmerksam geworden und hat mich gefragt, ob ich dabei sein will. Ich fand es total geil, weil ich sie vorher nicht kannte und sie dann dadurch kennengelernt habe und ich fand die Musik und das ganze Konzept auch richtig Hammer. Es war das erste Mal, dass ich auf einer All FLINTA* Veranstaltung gespielt habe und dass ich in einem Raum gespielt habe, in dem überwiegend FLINTA* im Publikum waren. Das war so ’ne geile Erfahrung für mich, weil ich das erste Mal gecheckt habe, wie anders die Atmosphäre im Raum ist. Dass es ein Safe Space ist und wie viel freier sich auch alle fühlen; es ist sehr viel achtsamer und wohlwollender. Und trotzdem konnten die Leute loslassen und frei drehen.
Nachdem ich die Nachricht von Modular bekommen habe, habe ich dann gesehen, dass Mia Morgan auch da ist und ich war so um „Oh mein Gott, Mia Morgan“. Und dann habe ich alle kennengelernt und es sind alle sehr liebe Mäuse. Für mich markiert das Bande Konzert ein bisschen den Punkt, an dem ich meine FLINTA* Freund*innen in der Musikindustrie kennengelernt habe. Ich war ja vorher, wie gesagt, viel in diesen Deutschrap-Kreisen mit sehr vielen Männern, die auch alle sehr lieb sind. Aber ich hatte weniger Kontakt zu den FLINTA* Artists, einfach weil ich vielleicht noch nicht so viel rumgekommen war. Und das war so der Moment, wo ich dann meine ersten guten Connections und Freundschaften geschlossen habe; zu sehr, sehr geilen FLINTA* Artists. Deswegen ist es etwas Besonderes für mich gewesen.
Frontstage: Du hattest ja auch ein Awareness Konzept auf deiner Tour. Was bedeutet das für dich?
Serpentin: Ich finde das extrem wichtig. Ich habe schon auf Konzerten von anderen Artists mitbekommen, dass die Leute beim Loslassen und Spaß haben, manchmal über das Ziel hinausgeschossen sind. Ich empfinde mein Publikum als sehr, sehr rücksichtsvoll, aber man weiß nie, wer da ist oder wer kommt. Und manchmal gibt es Leute, die checken Grenzen nicht oder sind eben nicht ganz aufgeklärt – vielleicht auch nicht unbedingt super feministisch orientiert. Ich habe da das Gefühl, ich trage eine Verantwortung als Person auf der Bühne. Vor allem weil ich sehr persönliche und emotionale Musik mache, sehe ich da bei meiner Musik und auch bei den Leuten, die dann zu meinen Konzerten kommen, eine gewisse Verletzlichkeit.
Mir ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass ich tue was ich kann, damit niemandem auf meinen Konzerten irgendwas Schlechtes oder Schlimmes passiert. Für mich war es z.B. wichtig zu erwähnen, dass T-Shirt anbehalten werden sollen, da ich es auch nicht leiden kann, wenn Leute für mich entscheiden, dass ich sie jetzt nackt berühren muss.
Natürlich habe ich nur einen gewissen Einfluss und kann meinen Blick nicht immer überall haben, aber ich versuche ein bisschen auf mein Publikum aufzupassen.
Ich wünsche mir einfach, dass die Leute einen schönen Abend haben. Und vor allem wünsche ich mir, dass meine Konzerte Safe Spaces für FLINTA* und auch für alle anderen sind.
Generell bin ich dafür, dass wir alle in der Welt ein bisschen mehr aufeinander achten, ein bisschen einfühlsamer und empathischer miteinander sind. Deswegen bedeutet mir das Awareness Konzept sehr viel und dass die Leute sich das auch durchlesen und darauf achten.
Frontstage: Deine Diskografie ist bisher auf Deutsch, bis auf den Song „Mother„, wie kam es dazu?
Serpentin: Das war ganz lustig. Ich wurde von Culture Declares aus Hannover gefragt, ob ich auf nem Soli Album dabei sein möchte, um als Künstlerin aus Hannover ein Zeichen gegen die Klimakrise zu setzen. Und sollte dann dafür einen Song schreiben. Man konnte auch was einreichen, was man schon hatte, aber irgendwie hatte ich Lust, zu dem Thema was zu schreiben, weil es mich auch beschäftigt.
Ich hab’ mich dann ins Studio gesetzt und versucht, diesen Song zu schreiben. Und egal was ich gemacht habe, ich habe es einfach nicht geschafft, etwas auf Deutsch zu schreiben. Der Song wollte nicht auf Deutsch sein, er wollte auf Englisch sein. Und ich habe mich anfänglich auch wirklich gewehrt, aber dann habe ich mir gesagt, dass ich [mit meiner Musik] machen kann, was ich will. Es ist meine Kunst und das ist alles. Auch die Vorstellung, dass du als deutschsprachiger Artist keine englischen Songs rausbringen kannst, das sind so ‘Regeln’, an die ich mich nicht gerne halten will.
Natürlich versuche ich vieles auf Deutsch zu schreiben, weil es eben die Sprache ist, auf der ich am liebsten schreibe. Aber manchmal klappt das einfach nicht. Und der Song, der hatte ein krasses Eigenleben; der wollte das nicht. Dann habe ich es einfach akzeptiert und mir gesagt, wenn er dann nicht so gut ankommt oder nicht der größte Hit ist, ist das in Ordnung. Aber tatsächlich lieben die Leute, die den kennen, ihn sehr doll. Das hat mich gleichzeitig total überrascht und gefreut. Ich habe nämlich früher, bevor ich wirklich Musik rausgebracht habe, viel auf Englisch geschrieben und ich mach es auch noch immer wahnsinnig gerne; deswegen war es einfach ein Moment, wo es einfach mal wieder an der Zeit war.
Frontstage: Und warum machst du dann nicht auf Englisch weiter oder findest du, dass Deutsch besser zu Serpentin passt?
Serpentin: Ich schreibe einfach am liebsten auf Deutsch weil das meine Muttersprache ist – es ist die Sprache, in der ich denke, träume und fühle. Es ist einfach viel ehrlicher und direkter. Wenn ich auf Englisch schreibe, hat es auch einen sehr krassen Reiz, aber es ist nie so hundert Prozent ich. Und ich habe auch das Gefühl, dass ich mich als deutschsprachiger Artist in Deutschland einfach viel besser zurechtfinde.
Ich werde auch sicher noch Musik auf Englisch rausbringen, weil ich das auch sehr liebe. Ich kann mir vorstellen, dass ich irgendwann auch nochmal ein Side-Projekt unter einem anderen Namen starte, das auf Englisch sein wird. Ich habe tatsächlich auch ein paar englische Songs rumliegen, seit ein paar Jahren, die ich eventuell irgendwann mal rausbringen wollte. Und ich habe auch schon insgeheim einen Namen für ein englisches Projekt. Also wer weiß, vielleicht kommt irgendwann ein englisches Alter Ego. Serpentin bleibt aber auf Deutsch.
Frontstage: Apropos Hannover, du hast ja den Preis für Popkultur in Niedersachsen bekommen. Wie fühlt sich das an, dass die Leute auf dich aufmerksam werden und du auch erfolgreich mit deiner Musik bist?
Serpentin: Boah, das ist total wild. Es ist, als würden die ganze Zeit zwei Wölfe in mir kämpfen. Auf der einen Seite bin ich total sensibel, auch unsicher, zweifelnd und sehr realistisch und lege dann die Messlatte gezielt eher ein bisschen niedriger. Und auf der anderen Seite stelle ich mir dann schon, während ich meine Songs schreibe, vor, wie ich das auf der Bühne performe. Und das ist dann in meinen Gedanken eine riesige Bühne.
Aber wenn solche Dinge dann passieren, ist es trotzdem total überraschend. Also, man stellt sich das vor, aber man rechnet trotzdem nicht damit. Zumindest ich nicht. Und deswegen ist es total abgefahren. Und ich checke das dann manchmal in den Momenten selber gar nicht. Zum Beispiel hatten wir bei dem Konzert auf der c/o pop einen Einlassstopp; das konnte ich mir anfangs gar nicht vorstellen und es war dann trotzdem voll.
Der Pop Award war eine riesige Anerkennung. Sowas Offizielles, das sich erwachsen und professionell angefühlt hat. Ich habe da gestanden und gedacht: “Krass, ich bin jetzt wirklich beruflich Künstlerin. Das ist mein Leben. Ich mache das.” Das war ein Moment, in dem ich gemerkt habe, dass ich ernst genommen werde und es nicht nur ein Hobby ist. Das hat mir viel bedeutet.
Schön daran war auch, dass ich mal die Möglichkeit hatte, in Ruhe Danke zu sagen. Ich habe in meiner Dankesrede dann alle erwähnen können, denen ich Danke sagen wollte. Serpentin, das bin ich und das fülle ich zu sehr vielen Teilen aus, aber das ist mittlerweile, gerade über die letzten Jahre, auch ein Team, wo alle auch sehr stark darin verwoben sind.
[Der Pop Award] war etwas, was auch meine äußere Familie dann so richtig mitbekommen hat. Die Tagesschau hat einen Beitrag gebracht und im NDR gab es etwas und dann hat mein Onkel das in die WhatsApp Gruppe geschickt und alle waren so „Wow“ – und meine Familie denkt jetzt, dass ich berühmt bin. Das ist schon irgendwie wild.
Frontstage: Können wir denn dieses Jahr eventuell noch auf eine zweite Tour hoffen?
Serpentin: Ihr werdet mich auf jeden Fall noch sehr viel zu Gesicht bekommen dieses Jahr – nicht nur auf Festivals. Bleibt gespannt, wir haben ganz viel geplant und es wird nicht mehr lange dauern. Also immer schön bereit sein und die Augen offenhalten, ich werd euch ganz, ganz bald mehr dazu erzählen.
Frontstage: Hast du noch ein paar abschließende Worte, die du gern loswerden möchtest?
Serpentin: Ich möchte gern allen Leuten mitgeben, dass es ganz wichtig ist, Tickets zu kaufen. Wir haben als Musikindustrie ein paar harte Jahre hinter uns und ich persönlich will das noch richtig lange machen, deswegen ist es wichtig, dass sich die Leute trauen und früh genug Tickets für ihre Lieblingsartists zu kaufen.
Fotocredit: Fiona Fendrich