Als Kind der 90er-Jahre war es für mich längst überfällig Scooter einmal live zu erleben. Man könnte meinen, Jahrzehnte danach ist es dafür vielleicht zu spät, es würde sich ohnehin nicht mehr das gleiche Gefühl einstellen wie damals. Aber Scooter schaffen es einen mit zurückzunehmen, in das Gefühl von früher, aber im Hier und Jetzt. Was soll ich sagen? „Yeah I feel hardcore– always hardcore.“
Die Dortmunder Westfalenhalle war voll – die 12.000 Tickets für „Thirty, Rough And Dirty!“ ratzfatz verkauft. Zum 30-jährigen Bandjubiläum packten Scooter aus, was die Technik hergibt. Die Bühnenshow entfachte nicht nur im übertragenden Sinne ein Feuerwerk der Gefühle. Als wäre es nicht genug, dass Flammen aus dem Boden schießen, es knallt, raucht und blitzt, lässt H. P. Baxxter auch noch Funken aus seiner Gitarre sprühen. Hat er währenddessen eigentlich tatsächlich darauf gespielt? Bei dem Anblick ist das unerheblich. Ebenfalls alles auf der Bühne gaben die Tänzerinnen, sogar akrobatisch mit Spagat und Flick-Flack. Immer im Gepäck: Das Logo der Band. Scooter ist, wenn Megafon-Flaggen geschwenkt werden.
Während einige Bandmitglieder im Laufe der Jahrzehnte wechselten, bleibt Urgestein und Aushängeschild H. P. Baxxter die treue Seele. Auch was seinen Stil betrifft. Schwarze Skinny-Jeans, Glitzershirts à la Ed Hardy und blondierte Haare. Darauf war und ist noch heute Verlass. Gefühlt in den 90er-Jahren stehengeblieben, ist es schwer zu glauben, dass der Mann kürzlich seinen 60. Geburtstag gefeiert hat. Er könnte sich also im Restaurant den kleineren und günstigeren Seniorenteller bestellen, Rabatt bei sämtlichen Eintritten kassieren oder ungeniert das Platzangebot in Bus und Bahn annehmen. Er könnte aber auch zwei Stunden lang über die Bühne fegen, tanzen, springen, Party machen. Und das passt definitiv so viel besser. 30 Jahre Rave, 30 Jahre Hardcore, 30 Jahre Eskalation – H. P. Baxxter zeigt: Techno ist das beste Cardiotrainig.
Mit der Show lieferten Scooter den perfekten Mix aus neuen Songs und beliebten Klassiker. Neben Hits wie „The Logical Song„, „How much is the fish„, „Maria (I like it loud)“ durfte „Nessaja“ ebenfalls nicht fehlen – der einzige Nummer-1-Hit der Band in Deutschland, wie H. P. Baxxter sagte, und gleich darauf betonte: bislang. Klingt, als hätte da jemand noch lange nicht an die Rente gedacht, sondern im Gegenteil noch viel vor. Eben getreu dem Motto „Faster, harder, Scooter“.
Auf dem Platz sitzen bleiben? Bei diesem Konzert Fehlanzeige. Wer döp, döp, döp sagt, muss auch döp, döp, döp machen. Und das heißt in diesem Fall: springen, tanzen, feiern. Kurz gesagt: Es war ne‘ wilde Party. Und das für ein Publikum, das man nur schwer einer einzelnen Zielgruppe zuordnen kann. Nicht nur Kinder der 90er-Jahre feierten hier, auch deutlich jüngeres Gemüse mischte sich unter die Menge. Und mit ebenso vielen hätte sich H. P. Baxxter den Seniorenteller teilen können. Nicht nur musikalisch war es also die perfekte Mischung. Während das Alter eben nur eine Zahl ist, verbindet Techno eben so viel mehr.
Was am Ende des Abends bleibt, ist neben bester Partystimmung, auch ein nostalgisches, leicht wehmütiges Gefühl. Gedanken an früher – plötzlich unterbrochen von einem lauten döp, döp, döp, das sich ohne Rumhüpfen nicht richtig anfühlt. Also müssen die Füße wieder dran glauben. Für mich sind die besten Konzerte und Partys aber ohnehin die, bei denen danach Füße und Waden brennen. Und vor allem eins: das Herz. Nur eine Frage schwirrt mir auch am Morgen danach noch durch den Kopf: Wie viel kostet der Fisch nun eigentlich?
Text: Pia Engelbrecht
Fotocredit: Jana Treptow