Sharktank ist mittlerweile bekannt für ihr genreübergreifendes Auftreten, die überraschend bebende Bühnenpräsenz, Experimentierfreudigkeit, ihre Uniqueness. Was soll uns 2024 also da noch überraschen? Die Antwort darauf lautet: „Blindsided“, oder auch: Alles, und alles neu. Bis auf die Gewissheit, dass Stillstand ganz sicher keine Eigenschaft ihres Character-Sheets ist. Nach einer ausverkauften Tour im letzten Jahr, Streams im zweistelligen Millionenbereich und einem Auftritt bei NPR, folgte dieses Jahr das niederländische Eurosonic, eine EU Tour mit den Giant Rooksund wer weiß, was noch alles im Verborgenen schlummert …
Sharktank hat mit „Blindsided“ jedenfalls nicht nur über den Beckenrand gelugt, Katrin, Mile und Marco haben gleich alles geflutet. Das Ergebnis ist ein edgy Anti-Sound – ungewohnte Klänge á la digitale Artefakte aus der Generation Early-Internet. Damals, als alle noch mit YouTube-Convertern Lieder „geliehen“ und noisy Mp3’s auf billigen Playern gehört haben. Glitches, abrupte Stops und bewusste Willkür gehören hier selbstredend dazu. Was das bedeutet? War beispielsweise in „Get It Done“und „Acting Funny“ die Gitarre noch eine Art Trademark, fehlt diese hier komplett. Die querky-cute Attitude ist zwar nach wie vor Teil der Bandästhetik, formuliert wird jedoch eine neue Art der Gefühlswelt, brachial und ungefiltert. Instrumentals, wie auch Lyrics entziehen sich so gängigen Idealen und geben sich ehrlich roh. Warum auch immer etwas lose umschreiben? Sharktanks vertrauter Mix aus weicher Stimme und Rap bleibt bestehen, während Hörgewohnheiten gebrochen werden. Es stellt sich wieder einmal die Frage: Warum ist ein Sound besser als ein anderer? Und: Wer bestimmt das überhaupt? Produzent Marco Kleebauer beweist hier wieder einmal Großes und liefert nonchalant eine Antwort; stellt Sounds in einen Kontext, den wir so bisher noch nicht kannten.
Auch andere Einflüsse zeigen sich deutlich: Nach dem Start der ersten eigenen Tour im Frühjahr 2023 standen Sharktank das letzte Jahr über auf so einigen großen Bühnen. Die mitgebrachte Energie und körperliche, extrovertierte Bühnenpräsenz von Katrin und Mile ist in jedem Track fühlbar. In „Blindsided“ geht es daher längst nicht mehr darum, etwas auf den Punkt zu bringen, sondern diesen noch deutlich zu überspitzen. Damit streben die Drei musikalisch nach vorne. Die Langsamkeit nahbarer Themen wird auf einem Boden erzählt, der sich oft viel zu schnelllebig anfühlt. Die ständige Anwesenheit von Information, Social Media und so etwas wie dem Real Life mit Fragezeichen mischt sich in den großen Komplex Leben und droht dort schnell zu kippen, der Kampf gegen eigene Ängste, gegen Geschwindigkeiten, wirkt wie ein skurriler Alptraum. Titel wie „Boogieman“ unterstreichen dieses Gefühl nur noch mehr. Als kurze Atempause und Cool Down, fast als Kater nach der ganzen Emotion, kommt „Catalyst“ dann aber doch auch ganz gelegen, fügt sich organisch in sein lautes Surrounding ein, fängt auf und ab. Aesthetic-wise schlängelt sich das Early-Internet durch die gesamte EP. Auch die Visuals von Artist Clemens Niel lesen sich als visuelle Synthesizer, als transformative Potentiale und ergänzen, was wir auf der Soundebene geliefert bekommen. So gesehen gibt’s dann vielleicht ja doch mehr Gemeinsamkeiten, als gedacht: „Lieber zu bold sein, als etwas innerhalb der Comfort Zone zu machen“.
Fotocredit: Laura Keimel