rosmarin, das ist die goldene Mitte zwischen Perfektionismus und Leichtigkeit, zwischen Nerd-Sound und Easy Listening, zwischen Detailreichtum und Minimalismus.
rosmarin, das ist die goldene Mitte zwischen Perfektionismus und Leichtigkeit, zwischen Nerd-Sound und Easy Listening, zwischen Detailreichtum und Minimalismus. rosmarin, das ist neblig und doch glasklar, das ist hellwach wie verträumt, das ist treibend, aber niemals hektisch. rosmarin schleicht sich an und explodiert, lädt abwechselnd zum Tanzen und zum Träumen ein, kreuzt Euphorie und Sensibilität.
Silas, Janosch, Lucas, Noah und Luca kommen allesamt aus dem Einzugsgebiet Kassel. Die lokale Kulturszene ist überschaubar, über höchstens drei Ecken kennt jeder jeden. Kein Wunder also, dass Teile des Freundeskreises schon seit Jahren zusammen Musik machen und der Gründung des Konstrukts rosmarin im Sommer 2022 ein anderes Bandprojekt vorausging. Als Janosch, Lucas, Noah und Luca im Zuge einer Neuaufstellung nach einem Sänger suchen, stoßen sie unverhofft auf Silas, dessen feinfühlend-torkelnder Gesang schon bei der allerersten gemeinsamen Session perfekt mit dem gemeinschaftlichen Instrumentalspiel matcht. In einem assoziativen Brainstorming ist bald auch ein Bandname gefunden — in Anlehnung an einen gleichnamigen Hähnchenwagen auf dem Supermarktparkplatz um die Ecke: rosmarin. Innerhalb kürzester Zeit entstehen erste Song-Skizzen, mit „ich will“ erscheint im Januar 2023 die Debüt-Single. Auf „zu zweit“ und „wozu“ folgt im Spätsommer 2023 prompt das Signing beim Major-Label Four Music.
Zu diesem Zeitpunkt schraubt die Band längst an ihrer ersten EP — zuerst in Kassel, später in einem professionellen Berliner Studiokomplex. Am Ende einer langen Reise steht eine fünfteilige Tracklist, die auf den Punkt bringt, was rosmarin auszeichnet: „lila/grün“ klingt wellig und dancy, kitzelt, lebt, fließt. Obgleich die Band jeden einzelnen Song als Challenge begriffen und spürbar viel Zeit und Energie in alle fünf jeweils für sich stehenden Stücke investiert hat, ergibt sich ein durch lange Intros, Interludes und Outros verziertes, ineinanderfließendes Gesamtbild. „lila/grün“ lebt von forcierten Brüchen, wallenden Zuspitzungen und Laut-Leise-Dynamiken, animiert zugleich aber fortlaufend zum Kopfnicken. Zwischen anschmiegenden Gitarrenläufen, analogem Schlagzeugspiel und atmosphärischen Synth-Bass-Passagen klingen rosmarin durchgehend nach, nun ja, Band. Nur selten setzt auch nur einer der fünf Musiker aus — dieser Aspekt drückt das Instrumentenspiel in den Vordergrund und gibt der EP ihre vielschichtig-üppige Dreidimensionalität. „lila/grün“ ist voll von experimentellen Details, die beim oberflächlichen Hören kaum zu greifen sind, scheint wie gemacht für die großen Stages, die rosmarin unlängst im Rahmen ihrer Support-Shows für Mayberg inspiziert haben.
Keine Frage: rosmarin hätten breitbeinig in die deutschsprachige Indiepop-Landschaft platzen können. Mit klaren, rebellischen Ansagen und einem lauten, temporeichen ersten Lebenszeichen, einem tanzbaren Party-Banger. Werden sie aber — und das sehr bewusst — nicht. Stattdessen startet das Kassler Fünfgespann überraschend gediegen und nachdenklich ins Kalenderjahr 2024: Mit einem Song, der mehr Fragen als Antworten parat hält. Einem Song, der Seelenverrenkungen zelebriert, statt plumpe Parolen zu schmettern. Einem Song, der das alltägliche Wirrwarr im Kopf eines Mittzwanzigers als Coming-of-Age-Erzählung nachfühlbar macht. „Wann war das letzte Mal so’n richtig schöner Tag mit viel Musik und guten Leuten, den man einfach nur genießen kann?“, heißt es in „merlin“, der ersten bei Four Music erscheinenden rosmarin-Single. „merlin“ ist eine bittersüß-verträumte Ballade, kommt, gemessen an rosmarins bisherigen und anstehenden Veröffentlichungen, über die Maßen entschleunigt daher. Zu hören ist zuerst nur behutsames, von sanften Klavierschlägen begleitetes Gitarrenspiel. Dann schleicht sich lautmalerisch-gefühlvoller Gesang in die Szenerie, der sich Kaugummi-artig durch den restlichen Song zieht und zunehmend an Energie gewinnt. Später, zum epochalen Song-Finale hin, wird der immer breiter werdende Klangteppich von einer gedämpften Bass-Spur, schweren, stolpernden Drums und überirdisch anmutender Vocal-Effektierung komplettiert. rosmarin haben die Szene gerade erst betreten — und doch wirkt es, als hätten sie ihren Signature-Sound in einem jahrelangen Prozess auf Hochglanz poliert.
Fotocredit: Benjamin Ebrecht