Wie Weihnachten und Geburtstag war es für mich, als The Gaslight Anthem im März 2022 angekündigt haben, dass es nicht nur ein neues Album geben wird sondern auch noch Tourdaten in Planung sind. Meine allerliebste Lieblingsband allerzeiten ist wieder da – ich bin immer noch völlig aus dem Häuschen! Eine gefühlte Ewigkeit hätten Fans rund um die Jungs um Brian Fallon wohl nie gedacht, dass es nochmal soweit kommt. 2015 hatten die Musiker aus New Jersey eine Bandpause auf unbestimmte Zeit eingelegt und vorerst an Soloprojekten gearbeitet. Jetzt hat das Warten ein Ende. „History Books“, das sechste Studioalbum von The Gaslight Anthem ist ab dem 27. Oktober 2023 erhältlich und Konzerttermine für Deutschland stehen auch schon – das ist wahrlich ein Fest!
Der Opener des Albums weist unverkennbar den typischen Sound von TGA auf. Für mich gibt es keine andere Band, die einen gleichzeitig so melancholisch aber auch so euphorisch werden lässt. Das ist mir bei jedem einzelnen Album immer wieder aufgefallen. Genau dieses Gefühl spiegelt sich in „Spider Bites“ auch wider. Ein gelungener Auftakt, der einen als alteingesessen Fan umgehend packt und mitreisst. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er auf alle Neulinge eine ganz ähnliche Wirkung hat.
Machen wir weiter mit Song Numero Zwei, der auch gleichzeitig Titeltrack zum Album ist. „History Books“ – ja was soll ich sagen, mein Herz hat kurz einen kleinen Aussetzer hingelegt, als ich erfahren habe, dass hier nicht nur Brian Fallon, der ja einer von meinen zwei absoluten Lieblingssängern ist, sondern auch noch der andere, der kein geringerer als Bruce Springsteen, mein absolutes Idol, ist. Hallelujah- was ne Kombi, da wusste ich schon ohne zu hören: das wird nicht gut, sondern richtig gut! Dementsprechend war es auch keine allzu große Überraschung, dass es bei diesem, eher traurig angehauchtem Song, viele Gänsehaut Momente gab. Vor allem natürlich, als der Boss in Strophe Zwei einsetzt. Erinnerungen an vergangene Zeiten und an Personen, die einem einmal viel bedeutet haben, darum geht’s in dem Duett, durch das wir von Bruce & Brian begleitet werden. Aus vergangenen gemeinsamen Auftritten der beiden („No Surrender“ & „The ’59 Sound“) wissen wir ja schon, wie gut ihre Stimmen zusammen harmonieren und auch bei „History Books“ tritt diese Harmonie wieder ganz klar in den Vordergrund. Allerdings, ich wage es kaum bei der Zusammenarbeit dieser zwei lebenden Legenden Kritik anzubringen, fehlt mir bei dem Song trotzdem noch ein bisschen das sogenannte gewisse Etwas. Es ist wirklich ein wunderschöner Titel, gar keine Frage aber abgesehen von der unverkennbaren, warmen Stimme vom Boss hebt er sich nicht wirklich vom Gesamtwerk des Albums ab. Trotzdem, ein neuer Traum ist entstanden: die beiden Herren mit dem Anfangsbuchstaben B diesen Song live performend zu sehen, das wär’s!
Lyrisch gesehen geht’s auf dem Album zwar noch eine Spur melancholischer weiter aber musikalisch wird dieses Gefühl beim nächsten Track sehr gut aufgefangen und fast in eine entspannte, positiv wirkende Atmo umgewandelt. Beinahe etwas groovy kommt „Autumn“ daher. Es ist die vierte Single, die vorab veröffentlicht wurde und handelt von der Unaufhaltsamkeit der Zeit, der Vergänglichkeit des Lebens und all den damit verbundenen Gefühlen. Textlich geht er wirklich sehr unter die Haut, allerdings sorgt die stimmige und leicht zurückhaltende musikalische Leistung hier für die perfekte Balance und macht „Autumn“ somit für meinen Balsam-für-die-Seele-Song auf diesem Album.
Weiter geht die Reise wieder etwas rauer, rockiger und kraftvoller mit „Positive Charge“. Besonders schön die Choruszeilen daraus: “ My arms are wide as oceans,. How I’ve missed you, and feelin‘ good to be alive“. Fallon’s poetischer Schreibstil kommt hier wieder sehr schön zur Geltung und transportiert, in Kombi mit den restlichen Songelementen, die Stimmung von Aufbruch, Umbruch und Vergebung.
Im Anschluss werden wir mit den beinahe mystisch angehauchten Klängen von „Michigan, 1975“, in der Zeit zurück versetzt. Für mich war das beim ersten Hören von „History Books“ der wohl faszinierendste Song. Vielleicht weil er stilistisch am ehesten ein wenig aus der Reihe tanzt.
Mein ganz klarer Favorit von der Platte ist „Little Fires“ – der Titel mit der Nummer Sechs. Wer The Gaslight Anthem schon lange kennt und liebt, merkt hier auf jeden Fall, wie sehr einem die Band gefehlt hat! Seit ich in das Album vorab reinlauschen durfte (ca. seit 1 1/1 Monaten), brauche ich meine tägliche Dosis von diesem Song. Minimum: 3x täglich. Maximum: gefühlt 33x täglich. Erinnert an die Ära von „The ’59 Sound“ und lässt einen etwas wehmütig in Nostalgie schwelgen aber ebenso in eine bunte Palette von Freudengefühlen eintauchen. Mit dem letzten Klang von „Little Fires“ ist dann der rockige Songanteil vom Album fast aufgebraucht. Es geht wieder gediegener weiter.
Als eine träumerische Nummer kommt „The Weatherman“ als nächstes an die Reihe. Vom Stil her weist es Parallelen zu „Autumn“ auf. Auch der darauffolgende Track „Empires“ lädt eher zum Weg- oder Tagträumen ein und überzeugt mit bittersüßen Klängen. Vielleicht lehne ich mich hier etwas zu weit aus dem Fenster aber man könnte fast denken, dass hier teilweise ein paar Einflüsse aus der Solokarriere von Frontmann Brian Fallon zu finden sind.
Das nächste und vorletzte Lied rüttelt uns dann, wenn auch recht sachte, leicht bluesig angehaucht wieder wach. „I Live In The Room Above“ – mich erinnert er ein wenig an „1,000 Years“ vom „Get Hurt“ Album aus 2014, was auch wieder beweist The Gaslight Anthem sind ihrem Stil, auch mit dem neuen Album, treu geblieben.
Den Rausschmeißer-Song bildet „A Lifetime OF Preludes“. Rausschmeißer-Song ist hier keinesfalls negativ gemeint, es handelt sich um einen fast romantisch anmutenden Track, der uns zum Abschied ein zufriedenes Gefühl verleiht aber auch nicht mehr so besonders viel reißt.
„History Books“ ist für mich das gelungenste Comeback des Jahres und ehrlich gesagt, glaube ich kann das auch dieses Jahr nicht mehr übertroffen werden. Zugegebenermaßen bin ich natürlich sehr voreingenommen, da es sich bei The Gaslight Anthem wirklich um meine Lieblingsband handelt und es nur sehr schwer zu schaffen wäre, dass etwas, was sie anpacken mir nicht gefällt. Abgesehen davon hat mich das Album direkt beim ersten Hören in seinen Bann gezogen, die Musik wurde aufgesogen und ich glaube, so schnell komme ich davon auch nicht wieder los. Einzig kleines Manko: ich hätte mir ein – zwei punkig angehauchte „Hau drauf-Songs“, wie zum Beispiel „Sliver“ oder „The Patient Ferris Wheel“ mehr gewünscht aber wer weiß, vielleicht müssen wir auf das nächste The Gaslight Anthem Album ja dieses Mal nicht wieder ganze neun Jahre warten. Ist auch eigentlich gar nicht so wichtig, jetzt freuen wir uns einfach erst einmal auf die kommenden Konzerte und darauf dieses Album bis zum Geht-nicht-mehr und von vorn durchzuhören.
TOUR – The Gaslight Anthem
11.03.2024 Berlin
12.03.2024 Wiesbaden
15.03.2024 Köln
21.-23.06.2024 Scheeßel, Hurricane Festival 21.-23.06.2024 Neuhausen ob Eck – Southside Festival
Fotocredit: Casey McAllister