So viel Wasser wie beim Schwesterfestival, dem Hurricane in Scheeßel, geflossen ist, so viel Sonnenschein gab’s für die Besucher*Innen beim Southside Festival in Neuhausen ob Eck. Vier Tage lang Hochsommer satt bei besten musikalischen Voraussetzungen wie Die Ärzte, Casper, Muse, The 1975, Peter Fox, Schmutzki, Queens of the Stone Age, Kraftklub, Anti-Flag und und und. Abkühlung? Fehlanzeige! Es ging durchweg heiß her. Schwer zu sagen, wer hier wem keine Verschnaufpause gegönnt hat. Die Musiker*Innen den Fans oder die feierwütige Menge den Künstler*Innen?
Freitag:
Also erster Eindruck vom Festival: besseres Wetter könnte hier auf dem Flugplatz in Neuhausen ob Eck nicht herrschen! Dazu freundliche gestimmte Leute. Man merkt deutlich, dass das Publikum Bock hat. Direkt bei den ersten Bands kommt schon gut Stimmung auf. Musik ist gut durchmischt von Austro-Pop von Wanda, über Punkrock von Frank Turner bis hin zu Rap von Majan ist alles was das herz begehrt dabei. Außerdem wichtig und richtig: gute Erreichbarkeit der Vollverpflegungsstände.
Was vielleicht allerdings keine ganz so gute Idee war: einige Künstler, die doch recht groß sind, ins Zelt zu packen. So wurde es bei Edwin Rosen zum Beispiel doch recht voll, so dass es sogar einen Einlass-Stopp gab.
Sehr sympathisch: der Künstler hat sich mega gefreut, dass so viele Leute da waren. Er selbst kommt aus der Gegend und er hat stolz erzählt, dass sogar Leute aus seiner alten Schule zu seinem Gig gekommen sind.
Auch Clueso ist als glücklicher Mann wieder vom Southside gegangen. Obwohl er doch in der deutschen Musikszene recht groß ist, hat man ihm die Freude im Gesicht ablesen können. Aber bei der Atmosphäre, bei der sein Auftritt von statten gegangen ist auch kein Wunder! Sonne schon etwas am untergehen und die Menschen einfach rundum happy.
Nach Clueso direkt ein weiteres Highlight: Queens of the Stone Age. Eine wirklich coole, lässige Band mit noch lässigerem Sound – kein Wunder, dass das Publikum ihnen direkt aus der Hand gefressen hat und mit Haut und Haar dabei war.
Wie es auf Festivals ja immer so schön ist: ein Highlight jagt das nächste!
The 1975 aus England waren der nächste heiß begehrte Act im Line-Up. Zwar sind sie mit ner klitzekleinen Verzögerung gestartet aber auch hier: was für eine Kulisse.Die Sonne geht weiter unter, absolut klarer Himmel und so entsteht eine wunderschöne, romantische ja gar kribbelnde Atmosphäre. Wirklich ein super Sound sowohl von der Band als auch stmmlich von Frontmann Matty Healy. Wer die Gruppe von Anfang an verfolgt hat, weiß, dass das nicht immer ganz so astrein war. Zwar redet Matty wenig mit dem Publikum aber eine Show wird trotzdem geboten: er spielt mit den vielen Kameras auf der Bühne, als wäre das alles ein großer Film für ihn. Wirkt aber alles insgesamt echt stimmig.
Nebenher auch mal ein kurzer Blick auf’s Publikum, welches zum Großteil, um nicht zu sagen fast durchweg, sehr jung und feierwütig erscheint. In einer Sache sind jedoch alle sehr vernünftig: die richtige Kopfbedeckung und somit ein Sonnenschutz ist hier auf dem Flugplatz in Neuhausen ob Eck das A und O. Treffen wir in sämtlichen Farben und Formen an besonders beliebt sind aber nach wie vor Hingucker wie Propeller-Caps. Aber das Rennen machen definitiv die Bucket-Hats. Hier der Favorit: ein Frosch. Quark!
Samstag:
Auch der Samstag hat wettertechnisch vom Anfang bis zum Ende wieder alles gegeben. Das Thermometer konnte sogar noch zwei bis drei Grad mehr als an den Vortagen vorweisen. Woran das heiße Line-Up vermutlich auch nicht ganz unschuldig war. Los und ab ging es für uns mit Sondaschule. Begrüßt haben sie alle mit einem fröhlich dahin gerotzten „Guten Morgen“ und das um 15:30 Uhr – sehr sympathisch!
Nachdem wir und alle anderen Spätaufsteher*Innen sich vor der Green Stage von deftigem Ska-Punk haben wachrütteln lassen gabs für uns einen kleinen Abstecher ins Zelt zur White Stage. Dort ist uns direkt entspannter Indie-Rock von DMA’s aus Australien entgegen geschwebt und hat uns kurzzeitig einmal wohlig warm und luftig leicht eingelullt.
Eine Band, die ich niemals um alles in der Welt auf keinem Festival verpassen würde, egal wer auf den anderen Bühnen steht, klar: die Donots. Was soll ich sagen, es war jedes Mal ein einziges riesiges Fest und jeder, der die Donots bis dato noch nicht kannte, kennt und liebt sie jetzt!
Axel Bosse liebt die Donots übrigens auch. Der stand kurze Zeit später nämlich noch auf selbiger Bühne und hat dieses Statement besiegelt, indem er ein Küsschen mit Ingo Donot ausgetauscht hat. Bosse ist für mich persönlich, obwohl ich ihn wirklich schön öfter live erleben durfte, immer wieder eine Überraschung. So auch auf dem Southside. Trotz der vielen, eher ruhigeren und melancholischen Töne, die seine Songs anschlagen, strotzt Bosse und seine gesamte Bühnenshow nur so vor positiver Energie Der schönste Nebeneffekt daran: geht direkt auf einen selbst über!
Allerdings konnte ich Bosse nur ein wenig lauschen, denn um Punkt 19 Uhr wollte ich mir vor der Red Stage einen lang gehegten Wunsch erfüllen: Anti-Flag endlich mal live sehen und hören. Jetzt kann ich endlich voller Überzeugung sagen, dass ich die nicht nur auf Platte sondern auch ganz in echt in Ton und Farbe genial finde. Auch der Rest vom Publikum hat die Band mit dem wohl staubigsten Circle Pit auf dem ganzen Gelände gebührend gefeiert.
Kontrastprogramm war dann kurzzeitig bei den Ravensburger Jungs von Provinz angesagt. Deren seichter dennoch angenehmer Indie-Pop hat sich perfekt mit dem so langsam nahenden Sonnenuntergang vermischt. Für eine kurze Verschnaufpause absolut geeignet.
Betonung liegt auf kurz, denn im Anschluss war es allerhöchste Zeit für Peter Fox. Hüften schwingen ging nirgendwo besser als bei ihm vor der Green Stage. Sound einwandfrei und besonders sympathisch: Band, Tänzer und Herr Fox himself waren alle komplett eingehüllt im Schlafanzug oder Bademantel. Musik bei der man gar nicht groß nachdenken muss, sondern Tanzen und Mitsingen irgendwie ganz von allein funktioniert. Ich wäre wirklich gern bis zum Ende geblieben aber hatte noch eine weitere Mission, die zeitgleich auf der Red Stage nebenan stand und da hieß: The Interrupters.
Also hab ich mit nem Bier bepackt einen kleinen Sprint zur Nachbarbühne eingelegt und das war gut so. Der Gig der kalifornischen Band war nahezu perfekt. Sängerin Aimee Interrupter stand die Freude ins Gesicht geschrieben, auch wenn das Publikum nicht massenweise, sondern eher in kleineren Mengen vor der Bühne stand kam ein ordentlich staubiger Circle Pit zustande und die Euphorie von der Red Stage ist direkt auf jede Person übergeschwappt. Von denen würde ich mir definitiv mal eine Solo-Show zu Gemüte führen!
Gut eingestimmt und gut aufgewärmt sowieso, hab ich mal nachgezählt und bin zu dem Ergebnis gekommen: zwei Acts fehlen noch. Richtig Billy Talent und Kraftklub. Könnten musikalisch unterschiedlicher nicht sein und ich muss ganz ehrlich gestehen, mein Herz schlägt da eher für die Band aus Kanada.
Diese wiederum haben allerdings fast eine halbe Stunde auf sich warten lassen, bevor sie einen Fuß auf die Bühne gesetzt haben. Allerdings wurden alle wartenden Menschen dann wirklich mit einem 1a Set belohnt. Jeder, wirklich jeder Song klang so wie auf Platte und hat einen teilweise nostalgisch werden lassen. Für mich mit einer der besten Acts beim Southside 2023.
Kraftklub, gar keine Frage, hat natürlich auch der gegenüberliegenden Seite vom Gelände abgerissen. Massenweise sind die Leute von allen Seiten wie durch magische Kräfte zur Blue Stage hingeströmt und haben gemeinsam mit der Band den Festival-Samstags-Abschluss einfach in den vollsten Zügen genossen.
Sonntag:
Dann stand da auf einmal schon wieder der letzte Festivaltag vor der Tür und hat unbarmherzig angeklopft. Sauentspannt und gleichzeitig sehr tanzbar haben die Iren von Two Door Cinema Club und durch die Mittagshitze gebracht.
Nach den Iren waren dann die Schotten an der Reihe. Chvrches aus Glasgow haben definitiv durch ihren einzigartigen Elektropop-Sound und die wirklich außergewöhnliche Stimme von Sängerin Lauren Mayberry überzeugt.Bei der Mischung war es unmöglich, sich dem Bann der Band zu entziehen.
Weiter ging’s mit einer jungen Band, die sich in den letzten Jahren wirklich enorm entwickelt hat: Kaffkiez. Angefangen auf kleinen beschaulichen Bühnen in ihrer Heimatstadt Rosenheim im tiefsten Oberbayern und nun auf dem Southside vor wirklich vielen Menschen. Trotzdem wissen sie immer noch genau wo sie herkommen, eine Rosenheim-Bushaltestellenschild urfte auf der Bühne nicht fehlen. Für mich sind Kaffkiez irgendwie der kleine Bruder von AnnenMayKantereit aber ich denke es gibt schlechtere Vergleiche!
Dann endlich die Madsen. Lang nicht mehr gesehen und gehört und deswegen doppelt drauf gefreut. Enttäuscht wurde glaube ich bei deren Konzert niemand. Auch die Band selbst nicht, zumindest hat sich Sänger Sebastian Madsen riesig über den, erst neu aufgebauten Steg von der Bühne ins Publikum, gefreut und den auch gebührend genutzt. Bei Klassikern wie „Nachtbaden„, „Du schreibst Geschichte“ oder „Lass die Musik an“ ging trotz enormer Hitze (ja , es war noch heißer als die Tage zuvor) ne riesige Sause und auch die neuren Songs vom kommenden Album „Hollywood“ wurden vom Publikum warm und herzlich empfangen.
So langsam aber sicher neigt sich auch da Southside dem Ende entgegen. Aber auch nur so langsam.
Um es in seinen eigenen Worten zu sagen: „Alles war schön und nichts tat weh“. Casper’s Auftritt war ein einziges Blütenfest. Selbst seine Hose war perfekt mit dem Blumenmeer auf der Bühne abgestimmt. Sympathisch wie eh und je der Kerl und dazu eine super gut gemischte Setlist, die sowohl die treuen Fans von den frühsten Anfängen als auch die etwas später dazu gestoßenen nicht im Geringsten enttäuscht hat.
Muse – letzter Headliner für das Southside Festival 2023. Ich wusste, das wird gut. Aber das es so gut wird, hätte ich mir vorher nicht träumen lassen. Ein absoluter Wahnsinn, den die Jungs rund um Matt Bellamy da von der Bühne ins Publikum transportiert haben. Angefangen mit dem Intro und dem ersten Song „Will of the people“ komplett maskiert haben die Briten es schon geschafft jeden Einzelnen und jede Einzelne in ihren Bann zu ziehen. Trotzdem war es dann auch völlig in Ordnung, dass die Masken auch wieder verschwunden sind und man auch die Emotionen in den Gesichtern der Musiker erkennen konnte.
Zwischendurch gab es immer wieder kleine Trailer bzw. animierte Kurzfilme auf der Leinwand am Rand der Bühne zu sehen. dystopische Geschichten, die mit Musik von Muse unterlegt war und zum Konsept des aktuellsten Albums „Will of the people“ passten. Dies + Bühnenshow mit ständig wechselnder Szenerie hat schon enorm beeindruckt. Aber was trotzdem am allermeisten herausstach: wie genial die Band ihre Songs performed. Einfach ein ganz großes Kino in vielerlei Hinsicht und für mich definitiv mehr als gelungener Festivalabschluss vom Southside Festival 2023.
Fotocredit: Johanna Lippke