Für Fans der gepflegten Rockmusik lautete das Sehnsuchtsziel über das lange Pfingstwochenende eindeutig London. Nachdem in der britischen Hauptstadt am Freitagabend bereits die Heavy Music Awards verliehen wurden, standen die nächsten zwei Tage im Zeichen von Festivals. Das Slam Dunk Festival und das Punk in Drublic gaben sich im Hatfield Park die Klinke in die Hand. Bei der South Ausgabe des Slam Dunks waren wir am Samstag für euch dabei. Unter strahlendem Sonnenschein zelebrierte das Festival standesgemäß Pop-Punk, Post-Hardcore und Alternative Rock vom Feinsten.
Nach einem kurzweiligen Spaziergang von der Bahnstation durch ein grünes Parkgelände erreichte man das Festival. Die Leute, die mit dem Auto anreisten, schienen laut Push-Nachrichten der Festival-App weniger Glück gehabt zu haben. Das Areal wurde von zahlreichen Ständen für das leibliche Wohl gesäumt und war mit sage und schreibe sieben Bühnen gespickt. Uns zog es zunächst hauptsächlich zu den kleineren Stages, wie der, die sich Girlfriends zu eigen machte. Das Duo bestritt mit dem Gig beim Slam Dunk ihren ersten Auftritt überhaupt in UK und präsentierte furios ihre zuletzt erschienene EP „Over My Dead Body“. Auf der Club Key Stage Zwillingsbühne ging es parallel immer Schlag auf Schlag weiter, als Nächstes mit Emarosa. Das Quintett verlieh seiner Musik einen gewissen elektronischen Touch, der es locker und leicht machte durch das Set zu schweben, wenngleich die Jonny Craig Vermissung bei uns nach wie vor groß war. An diesem traumhaft schönen Tag sollte dies aber nur ein kleiner Wermutstropfen bleiben, denn das absolute Kaiserwetter belohnte die Besuchenden mit einem wolkenfreien Himmel und mindestens 22 Grad Celsius. Vor Scene Queen hieß es etwas länger als geplant warten. Perfekt also, um vor dem Auftritt noch einmal das Make Up beziehungsweise die Sonnencreme nachzuziehen. Besonderer Service seitens des Festivals: Wenn man seine Sonnencreme zuhause hat liegen lassen, hatte man die Möglichkeit sich im Erste-Hilfe-Zelt einzucremen und so dem knallroten Hautstellen zu entgehen, welche trotzdem noch so manche ereilten. Leider war diese Überbrückung jedoch mehr als einmal notwendig, da fast alle Bühnen über den Nachmittag hinweg bis zu 20 Minuten Verspätung angesammelt hatten. Zwar hat sich diese dann fast durch den ganzen Tag durchgeschleppt, konnte aber zu den Hauptacts am Abend wieder eingedampft werden. Wo waren wir stehen geblieben? Ahja, beim ausgelassenen Auftritt von Scene Queen! Die Künstlerin, die mit bürgerlichem Namen Hannah Collins heißt, tat ihr Übriges, um dem europäischen Publikum ihre ganz eigene Interpretation des Metalcores, den sogenannten feministischen Bimbocore, näherzubringen. Denn auch für sie war es das erste Mal jenseits des großen Teiches. Diese Übung dürfte ihr aber leichtgefallen sein, da sie seit ihrem abgewandelten „Barbie Girl“- Intro nicht nur herzlich von den Leuten begrüßt wurde, sondern diese mit frenetischem Mitgesang klar gemacht haben, dass man auf weitere Auftritte der Sängerin hin brennt. Noch mehr Frauenpower fand kurz danach auf einer der beiden Hauptbühnen mit Wargasm (UK) statt. Hier gab es kein Vertun mehr und Milkie, Matlock und ihre Band verausgabten sich vollends.
So viel Energie macht bekanntlich hungrig, sodass es erst einmal auf Essenssuche ging. Hier machte sich deutlich bemerkbar, wie sehr das Festival in den letzten Jahren gewachsen ist. Ursprünglich war das Open Air Event auf dem Universitätsgelände in Hatfield beheimatet, bevor es in den Park umzog. Auch dieses Gelände wurde nun mehr als gut besucht und es bildeten sich eigentlich überall enorm lange Schlangen, weshalb unsere Planung etwas aus den Fugen geriet. Für das Gesamtfeeling wäre es vermutlich etwas entspannter gewesen, wenn das Verhältnis von Menschenmassen und vorhandener Infrastruktur etwas ausgeglichener gewesen wäre. Somit hätten womöglich Anstehzeiten reduziert sowie Laufwege zum Wechseln von Bühnen etwas erleichtert werden können. Doch diesem minimalen Kritikpunkt stand ein fabelhaftes und hochkarätiges Line-Up gegenüber, für welches man kleinere Unannehmlichkeiten mehr als billigend in Kauf nahm.
Dort standen als nächstes Fit For A King in einem der Zelte auf dem Programm. Die energiegeladenen US-Amerikaner schienen wild entschlossen eben jenes dem Erdboden gleich zu machen, so heftig starteten sie ihren Auftritt. Die Energie übertrug sich ohne Verluste aufs Publikum, das im exzessiven Tanzkreis zu Songs wie „Vendetta“ oder „Reaper“ aufs Übelste eskalierte. Besonders der Bassist Ryan „Tuck“ O’Leary flippte an seinem Instrument vollkommen aus, schmiss es wild durch die Gegend und animierte die Zuschauenden selbst noch mehr zu geben. Ausschweifend ging es im Folgenden ebenfalls bei Escape The Fate zu. Die knapp 20-jährige Bandgeschichte kam der Gruppe mit Sicherheit zugute und sorgte für einen gewissen nostalgischen Faktor, unter anderem mit „This War Is Ours (The Guillotine II)„, welches die ehemaligen Teenie-Herzen höherschlagen ließ. Die Tatsache, dass auf dem gesamten Gelände so gut wie kein Internetempfang herrschte, verstärkte diesen Charakter noch zusätzlich.
Im Anschluss ging es für uns wieder hinaus ins Freie zu unserer Überraschung des Tages jxdn. Der junge Singer/Songwriter begeisterte mit einer unheimlich starken Bühnenpräsenz. Er wusste ganz genau, wie er mit seinem Publikum und den Kameras umgehen musste, damit ihm am Ende seine Crowd aus den Händen fraß. Wenn ihr also die Chance habt ihn live zu sehen, gibt es hiermit eine ganz klare Empfehlung von uns. Altbewährt folgten gleich vier Genreriesen direkt hintereinander weg, um We Came As Romans, The Maine, Yellowcard und Billy Talent. Innerhalb von ungefähr zwei Stunden wurden diese vier prominenten Acts sowie vier weitere abgerissen, was einen weiteren Dreh- und Angelpunkt des Festivals beschrieb. Die Auftritte waren extrem dicht und kurz getaktet. 40 bis 50 Minuten Spielzeit waren für die Acts am späten Nachmittag und frühen Abend gesetzt, was es wirklich ambitioniert machte, mehr als zwei sehen zu wollen, wenn man sich nicht entscheiden konnte. Der bereits erwähnte sehr gut besuchte Festivalground erschwerte dieses Vorhaben zusätzlich. Jedoch war, egal, wo man hin kam, die Stimmung großartig. Auf jeder Bühne feierten die Leute ausgelassen zusammen die Musik, die für viele doch emotional mit den Zeiten der früheren Zweitausender aufgeladen war. So konnte man sich über sehr viele Lieblingslieder von früher freuen und diese endlich wieder live hören. Auf diese Weise kreierte das Slam Dunk Festival und sein Publikum eine sehr familiäre Atmosphäre, in der man sich sofort willkommen und wohl fühlte. Die besagten Bands, die ihres Zeichens mit ihrer jahrelangen Erfahrung zu den alten Hasen zählten, wussten natürlich auch genau, wie sie mit ihren Fans umgehen mussten.
Die Szenerie schenkte dem Festival ein weiteres Highlight, das man eben eines dieser Lieder, die man einfach brauchte, nämlich „Red Flag“ von Billy Talent in der untergehenden Sonne genießen konnte. Somit schaute man rundum eigentlich ausschließlich in vielleicht leicht gerötete, aber glückliche Gesichter. Für den letzten Act des Tages musste man sich dann zwischen dem fantastischen Trance-Core von Enter Shikari oder den Punk-Rock-Göttern von The Offspring entscheiden. Uns führte der Weg zur Heimshow von Enter Shikari, die aus dem Nachbardorf kommen. Diesen Heimvorteil spürte man von Anfang an, da sich niemand zurücknahm und die Freude in den Abendhimmel schrie. Enter Shikari zögerten den Moment der Erlösung durch ein kurzes Intro über die eigens aufgebauten Bühnenelementen inklusive LED-Wänden hinaus. Rou hielt eine bewegende Ansprache mit dem Motto „Tonight, this is our space“. In diesem Moment haben alle Anwesenden die Verbundenheit und Freundschaft gefühlt, bevor die Band ein wahres Feuerwerk an Set abfackelte. Dazu gab es echte Pyro-Technik und eine Menge strahlender Fans, die das erstklassige Set abfeierten.
Mit dieser unvorstellbaren Energie endete somit ein hervorragender Festivaltag im Süden. Unter dem Strich standen ein durchaus nostalgisch geprägtes, aber exzellentes Line-Up, was wir gerne noch ausführlicher erlebt hätten. Also weniger Ballung mit mehr Zeit und Raum hätten dem grundsätzlich stimmig angelegten Festival bestimmt zusätzlich gutgetan. Trotz dieser kleinen Unannehmlichkeiten war das Slam Dunk Festival 2023 auf jeden Fall die Reise nach England wert. Eine eingeschworene Community zauberte den grandiosen Artists zwischen Pop-Punk und Metal-Core eine wunderbare offenherzige und einladende Atmosphäre an einem zauberhaften Frühsommertag.
Fotocredits: Kevin Randy Emmers