Am Samstag, den 03.12.2022, fand das Fairground Festival zum ersten Mal in den Messehallen in Hannover statt. Das Event, was zunächst als Ableger des österreichischen Beatpatrol angelegt war, lockte nach einer Umstrukturierung als eigene, freie Veranstaltung in die niedersächsische Landeshauptstadt. Mehr als 30 nationale und internationale Acts der elektronischen Musiklandschaft standen auf drei Floors parat, um den Rave zu zelebrieren. Von 14.500 Fans wurde dieses Angebot dankend angenommen, sodass die Erstausgabe direkt den Status „ausverkauft“ vermelden konnte. Wie das Fairground seine Feuerprobe bestritt, lest ihr in unserer Livereview.
Schon auf dem Weg zum Messegelände waren die Meinungen in der Straßenbahn unisono: man war sich sicher, dass ganz Hannover heute Abend zu dem aus Boden gestampften Festival kommen würde. Die Vorfreude war also ganz eindeutig gegeben; vor allem mit der Aussicht die ganze Nacht zu dem, für eine Erstausgabe, bemerkenswerten Line-Up zu feiern. Diese Hoffnung speziell sollte in den folgenden Stunden auch nicht enttäuscht werden. Um 17 Uhr wurde die Mainstage eröffnet, bevor zwei Stunden später die Techno- und Hardstyle-Stages folgten. Als es in Halle vier los ging, war auf der Hauptbühne die Party um Claptone schon in vollem Gange. Kurios war, dass der deutsche DJ und Musikproduzent gleichzeitig auf dem amerikanischen Kontinent auflegte und damit einen weiteren Beweis lieferte, dass weder Identität noch Anzahl der Künstler*innen hinter dem Projekt bekannt sind. Die Queen of Techno Charlotte De Witte übernahm die Mainstage im Anschluss gewohnt intensiv und sorgte für ein erstes Ausrufezeichen an dem noch jungen Abend. Danny Avila folgte mit seiner Stunde Spielzeit auf dem Fuße, in dem er uns sein Mainstage-Techno-Set um die Ohren haute. Besonderer Hingucker waren auf der Hauptbühne 400 Leuchtkugeln, die über dem Zuschauerraum in farbenfrohen Formationen tanzten, und vor allem von der aufgebauten VIP-Tribüne ein optisches Highlight boten. Auf den anderen beiden Stages sorgten leuchtende Stäbe auf und ordentlich Special Effects für den visuellen Genuss.
Somit ließen sich auch die beiden wahren Stärken des Festivals, die wirklich großartigen Acts sowie die optischen Zusatzelemente, benennen. Es ist unabdingbar, dass man sich bei der Erstausrichtung einer Großveranstaltung diesen Ausmaßes auf die ein oder andere Kinderkrankheit einstelltr. Aber lasst uns mal Tacheles reden, abgesehen von den beiden genannten positiven Punkten, war das nichts, liebes Fairground Festival. Die Organisation ließ in sehr vielen Bereichen mehr als zu wünschen übrig und so wurden nicht nur in vielen Gesprächen während des Abends, sondern auch in unzähligen Social Media-Kommentaren der Unmut der Besucher*innen deutlich. Von keiner adäquaten Möglichkeit seine Jacken abzugeben oder wegzuschließen über unnormal lange Wartezeiten an Bar und Toiletten oder einem nicht ausreichendem Sitzbereich bis hin zu katastrophalen Soundüberschneidungen zwischen den beiden Nachbarbühnen in Halle vier gab es kaum etwas, was nicht zumindest kritisch zu sehen war. Und darin ist noch nicht einbegriffen, dass teilweise Kabel einfach lose und frei zugänglich herumlagen, Getränke für 0,5 l bezahlt und 0,3 l ausgegeben wurden, oder dass es keine Rolli-Tribüne gab.
Wenn man von all diesen Widrigkeiten jedoch absah, waren da immer noch die Top Acts, die wenn man Glück hatte, auch einen guten Sound erwischten. So steigerte sich das Sounderlebnis auf der Hauptbühne zu Above & Beyond und Paul Kalkbrenner merklich. Letzterer sorgte ebenfalls für einen weiteren Moment der Festivalfreude mit seinem Remix von Stromaes „Te Quiero“. Die Crowd nahm die meisterhaften Klänge dankbar an und zelebrierte die Beats des 45-jährigen. Dank der übergroßen LED-Leinwand konnte man beobachten, dass er wirklich leidenschaftlich bei der Sache war. Sein Mienenspiel war grandios anzusehen und half eine losgelöste, fröhliche Stimmung in der Halle zu kreieren. Ein schwereres Los hatten dagegen Headhunterz und Da Tweekaz gezogen, die mit der Hardstyle-Bühne soundtechnisch eher vor eine Herausforderung gestellt wurden. Jedoch ließ sich das Publikum nicht lumpen und versuchte immer das Beste aus der Situation zu machen. Dann wurde eben umso lauter mitgesungen oder die Bühne zu Stella Bossi gewechselt, die auf der Techno-Stage nebenan performte. Zudem sprach für den Bühnenwechsel, dass man auf der linken Stage weniger von der rechten hören konnte als umgekehrt. Immerhin waren alle Stages samt DJ-Pulten angenehm hoch, sodass man auch von ganz hinten noch einen idealen Blick hatte. Somit haben wir noch den einzigartigen Stil von Enrico Sangiuliano mitgenommen, bevor wir wieder durch die -2 Grad kalte Nacht ins nächste Gebäude stürmten. Hier stand als nächster die eine Hälfte von Vini Vici auf der Bühne, der ein Fest abfackelte. Der DJ der Stunde stand seinem Vorgänger in nichts nach und schaffte immer wieder schöne Passagen, die zum Feiern und Tanzen animierten. Besonders der Bass stach hervor und wurde durch eine ansprechende Lasershow ergänzt. Auf diese Weise konnte man 80 Minuten lang alles vergessen und sich ganz der intensiven Musik hingeben. Wer weiter die Nacht zum Tag machen wollte, ließ im Folgenden mit dem niederländischen Duo W&W nichts anbrennen. Die beiden DJs übernahmen die bereits vorhandene gute Stimmung und konnten sie noch weiter ausdehnen. Hatte man immer noch nicht genug, bot das Festival die Möglichkeit bis sechs Uhr morgens zu feiern.
Was blieb also nach dem ersten Event dieser Art, welches die Werte „Fair, Authentisch, Ikonisch, Rave“ so hoch anpries, übrig? Das Line-Up war für das Eintagesfestival absolut klasse und schürte sowohl im Vorfeld der Veranstaltung als auch währenddessen die Begeisterungen. Wurde der Sound auch so hochkarätig auf die Bühne gebracht, wie es bei Paul Kalkbrenner oder Vini Vici der Fall war, war es definitiv „Hui“. Für eine wirklich mangelhafte Organisation mit unverzeihlichen Soundüberschneidungen blieb allerdings leider nur das „Pfui“.
Fotocredit: Offizielle Veranstaltungsgrafik