Toni Strange nimmt kein Blatt vor den Mund. Die zwei thematischen Säulen ihrer neuen EP „Doppelte Dosis“-Krankheiten und Sex–werden immer offener behandelt, bleiben aber gesellschaftliche Tabus. Und weil sich Toni Strange ganz dem Selbstausdruck verpflichtet hat, schweigt sie darüber genauso wenig, wie über alles andere, was ihr durch den Kopf und durch das Herz geht.
Toni hat Depressionen, und das schon seit vielen Jahren. Aus ihrem Schmerz schafft sie emotionale, hochpersönliche Kunst mit Identifikationspotential. Die dramatische Erkenntnis: Die äußere Welt bedeutet nichts, nur die innere Welt ist real. Ein großer Teil dieser Welt sind für Toni Liebe und Sexualität, und so findet sich in ihrem Entwurf aus Hip-Hop und Alternativpopmehr als die eine oder andere explizite Line. Nicht um zu provozieren, sondern weil es Teil ihrer Seele ist. Keine Musik für Partys, aber Musik, um sich auf nächtlichen Spaziergängen traurig und zugleich sexy zu fühlen. Nach ihren ersten beiden Releases „Gefühle“ (2017) und „Lust und Liebe“ (2019) ist die neue EP „Doppelte Dosis“ eine Reaktion auf einen Bruch in Tonis Leben.
Sie ist an einer chronischen Erschöpfung erkrankt, die schon die Bewältigung ihres Alltags zu einer Herausforderung macht. Zu der seelischen kommt nun auch eine körperliche Diagnose-Doppelte Dosis halt. Allein in einem Dachgeschosszimmer auf dem Land nimmt Toni ihre neue EP auf, in winzig kleinen Schritten, bis nach sechs Wochen schließlich alles geschafft ist. Die Instrumentals dafür hat Produzent und Internetbekanntschaft Jakso geliefert. Die Floskel „Musik als Therapie“ ist überstrapaziert, hier aber darf sie aber mit voller Überzeugung genutzt werden. Der kreative Ausdruck ist überlebenswichtig für Toni Strange– und ihre offenen Lyrics können auch für andere Betroffene eine Stütze sein. Denn jeder Ausweg ist immer auch ein Eingang. Welcome to Toni Strange.
Die EP “Doppelte Dosis” von Toni Strange erscheint am 4. November über das Independent Label Weltgast und kann hier gehört werden.
Fotocredit: Lukas Meister