Seit quasi jeher herrscht auf den Bühnen von Rock am Ring und vielen anderen Musikfestivals ein haarsträubendes Übergewicht an Männern. Typen, Dudes, Kerle soweit das Auge reicht. Im Durchschnitt liegt der Anteil der Frauen, die bei Rock am Ring auftreten, im einstelligen Prozentbereich. Andere Geschlechtsidentitäten? Da geht’s gegen Null. Sogar in der AfD-Fraktion des Thüringer Landtags ist das Verhältnis ausgewogener.
Das Problem ist schon lange bekannt und auch Rock am Ring-Veranstalter DreamHaus hat den Willen zu Veränderung betont. Nicki Frenking von Kochkraft durch KMA findet es „jedes Jahr aufs Neue erfreulich, in unterschiedlichen Statements der Veranstaltenden davon zu lesen, dass sich das Line-Up in Sachen Diversität weiterentwickelt. Allerdings: Es sind anscheinend Lippenbekenntnisse, denn wirklich etwas verändern tut sich nicht.” Auch im Jahr 2022 war das Line-Up wieder fast ausschließlich männlich. Woran liegt das? „Männer buchen Männer. Es ist einfacher, die Bands zu buchen, die man kennt. Das sind eben männliche“, sagt Johanna Bauhus, Gründerin des feministischen Musiklabels Ladies & Ladys im Deutschlandfunk Kultur.
Doch auch Frauen gehören zu Rock am Ring. Deshalb haben sich die Band Kochkraft durch KMA und das Musiklabel Ladies & Ladys gefragt, wie sie „diesen augenscheinlich feststeckenden Männern und ihren guten Absichten hinsichtlich Diversität am besten helfen“ können. Ursprünglich wollten sie ihnen ein Lexikon überreichen mit den Namen all jener Bands mit diverserer Beteiligung, die es da draußen gibt, aber das hätten sie in der Kürze der Zeit nicht geschafft − es sind einfach zu viele. Einfacher war es daher, 23 dieser Bands zu fragen, eine Männerband des RaR-Line-Ups zu covern − und die Einnahmen an die Macher*innen des Festivals zu spenden, damit die sich in den nächsten Jahren mehr Diversität leisten können. Dass es nicht genug Diversität in der Musikwelt gibt, ist auch aus Sicht von Johanna Bauhus “quatsch”. Nur sind Frauen weniger sichtbar − und andere Geschlechtsidentitäten de facto unsichtbar −, „weil sie nicht so viel auf Festivalbühnen gestellt werden“. Ein waschechter Catch 22: Die Musikerin Sophie Hunger schrieb dazu in einem Gastbeitrag im Spiegel: “Dass Frauen bei deutschen Festivals so unterrepräsentiert sind, verhindert zudem aber auch, dass sie überhaupt groß werden: Festivalshows sind oft nicht das Resultat einer Karriere, sondern Teil ihres Beginns.”
Jetzt ist Rock am Ring nicht einfach irgendein Festival. Es ist laut Wikipedia “das
traditionsreichste Rockfestival Deutschlands” und mit 80-90.000 Besucher*innen eines der größten seiner Art. Es hat also durchaus Symbolwirkung, wurde einige Jahre live in der ARD übertragen und vom WDR Rockpalast begleitet. Was genau das Problem beim Booking von Rock am Ring ist, leuchtet der Initiative noch nicht so recht ein. An sexistischen Vorbehalten und kalten wirtschaftlichen Interessen könne es jedenfalls nicht liegen.
Mit dem Sampler „Cock am Ring“ präsentiert die Initative 24 Bands und Künstler*innen aus den verschiedenen Stilrichtungen, die bei aller Vielfalt zwei Dinge gemeinsam haben: Sie sind erstens nicht rein männlich aufgestellt und covern
zweitens für alle Rock-am-Ring-Fans jeweils einen Song einer Männerband aus dem Line-Up der diesjährigen Ausgabe.
Alle Erlöse des Samplers werden gesammelt und an DreamHaus gespendet. Die Initiative möchte den Veranstalter damit unterstützen, das Line-Up von Rock am Ring 2023 etwas diverer zu gestalten.
24 Coversongs: Diese Bands und Künstler*innen sind dabei:
Annelu covert “Starlight” von Muse
August August covert “You Don’t Care About Us” von Placebo
Becky Sikasa covert “Island in the Sun” von Weezer
Birgit Jones covert “First Date” von Danko Jones
Die Tüdelband covert “Hoffnung” von Jan Delay
Dorit Jakobs covert “My name is Jonas” von Weezer
ELENA RUD covert “Meer” von Rin
Ell covert “Let Me In” von Beatsteaks
Gigolo Tears covert “Always Hardcore” von Scooter
Jule Blumt covert “Hätten wir sein können” von Trettmann
Kapa Tult covert “Milk & Honey” von Beatsteaks
Kat Kit covert “New Born” von Muse
Kochkraft durch KMA covert “Mein schöner Hodensack“ von Die Kassierer
Lauringer covert “Someone you loved” von Lewis Capaldi
Lisa Spielmann covert “Ein Kompliment” von Sportfreunde Stiller
Lisa Who covert “Swallowed” von Bush
Looking for Ella covert “Wo warst du?” von Casper
metty covert “Brunai” von Rin
Mina Richman covert “Red Flag” von Billy Talent
Schwester Ebra covert “Surrender” von Billy Talent
Shitney Beers covert “ The Plot To Bomb The Panhandle” von A Day To Remember
Still Talk covert “NJ Legioned Iced Tea” von A Day To Remember
Tonbandgerät covert “Lila Wolken” von Marteria
Wenn einer lügt dann wir covert “Bayern” von Die Toten Hosen.
Fotocredit: Thomas von der Heiden