Ein neues Jahrzehnt ist angebrochen und seit zwei Jahren hält es uns in Atem: Mit einer Pandemie, die den Globus umklammert und mit drohenden Kriegen, mit in Zeitlupe ablaufenden Klimakatastrophen. Und lässt uns auf der anderen Seite mit Hoffnung in die Zukunft blicken, auf einen warmen Sommer mit vollen Clubs, auf Fortschritt und Veränderung. Zwischen diesen beiden Extremen bewegt sich das Leben, zwischen Apokalypse und Neubeginn, hier in den Goldenen Zwanzigern!
Mit der EP „Die Goldenen Zwanziger“, die heute über Jive Germany erschien, taucht Teesy auf sechs Songs tief ein in diese Zeit, in der die Gesellschaft gespalten ist, aber die Fragen, die wir uns stellen, noch immer die Gleichen sind. So begleitet er auf „Jesus“ einen modernen Gottessohn, der in Yeezys und iPhone durch die Moderne strauchelt, „Jesus hat Probleme, Jesus zieht eine Line/ Jesus hat schon seit über 3 Jahren nicht mehr geweint/ Jesus hat ein Gefühl – Jesus unterdrückt es/ Jesus raucht Kette und steht stramm fürs Business!“ und hofft doch inständig, dass er dort noch ein Vorbild finden kann, „Was wenn Jesus heute lebe? Wäre er schwach wie wir, oder würde er wieder stehen können? Ich wär gern auch so stark wie du/ Was können 2000 Jahre tun?“
Doch nicht nur im Kleinen zerrt die Zeit an uns, auch das große Ganze hält uns wach, so auf dem Titeltrack „Die Goldenen Zwanziger“, in dem Teesy wütend gegen den drohende Kollaps anrappt, der uns bald alle ereilen könnte, wenn wir uns nicht mit aller Kraft dagegen stemmen, „Hochhäuser schießen aus dem Boden wie Mushrooms/ Gemeinwohl ist Bullshit/ Es lebe das Wachstum/ Zuviel Smog, kein Platz für Sterne/ Die Titanic hält Kurs auf die Plastikberge“, aber erkennt auch die eigene Verwicklung in die Gesamtscheiße, in der sich ein gutes Gewissen auch mit Tesla und Biokiste-Abo kaufen lässt, wie praktisch!
Und schließlich berührt Teesy die eigenen Abgründe, die dunkel in ihm glimmen, der 31- Jährige lässt seine privaten Goldenen Zwanziger Revue passieren: Auf der Single „Warum“, die heute zeitgleich mit der EP veröffentlicht wird, erzählt Teesy von Bindungen und Bindungsängsten, die seinen Wunsch nach Vertrauen und Geborgenheit torpedieren. „Warum nur mach ich das?/ Warum zerdenk Ich alles, bevor es anfängt/ Und warum ist da kein Platz/ Für jemand anderen? Ich denk an all die Frauen, die ich verlassen hab!“ croont Teesy aus tiefstem Herzen und beschreibt damit eindrucksvoll den Gefühlszustand der Generation Tinder, denen sich die Fear Of Missing Out in die Seele gebrannt hat. „Wenn ich niemanden vermissen, muss ich mich nicht binden, wenn ich mich nicht binde, werde ich nicht verlassen, wenn ich nicht verlassen werde, werde ich nicht verletzt und jetzt sag mir/ Wer bin ich jetzt?“
Das Kaleidoskop, mit dem Teesy auf Die Goldenen Zwanziger blickt, ist bunt und düster, hoffnungsvoll und abgeklärt gleichermaßen. Er ertastet, wo die Chancen und Möglichkeiten für uns alle liegen könnten, erkennt aber auch die Sollbruchstellen dieser Zeit und der Gesellschaft. Denn diese Zwanziger können ein Umbruch sein, hinein in eine flirrende Dystopie.
Fotocredit: Sabrina Derda