Es war ein regenfreier Montagabend im Hamburger Hafen. Auf dem Cruise Gate Steinwerder tummelten sich bester Laune und Vorfreude einige hunderte Menschen, um das nächste Konzert der Cruise Inn Konzertreihe zu besuchen. Spielen sollte niemand Geringeres als Hamburgs Lieblingsrapper Jan Delay mit seiner Disko Nr. 1. Hauptgegenstand der knapp zweistündigen Show war das fünfte Studioalbum „Earth, Wind & Feiern“.
Und was das für eine Wahnsinnsshow war! Der allererste Ton der Bläser ging direkt durch Mark und Bein und hinterließ ein vorfreudiges Ziehen im Bauch. Mit „Intro“ schuf Jan Delay nicht nur ein exzellentes Opening für sein bereits fünftes Solo-Werk, sondern lieferte ebenfalls einen perfekten Einstieg in den Abend. Wobei das beinahe eine Untertreibung ist, denn der Sound der Band hat einfach nur eine 1+ mit Sternchen verdient. Es hörte sich permanent, aber vor allem in diesem ersten Lied, herausragend an, da die Band das gesamte Gelände des Cruise Inn mit ihrem Klang erfüllte. Das komplette Publikum war beinahe ehrfürchtig vor dem satten und durchdringenden Sound der Band, welches jedoch in Euphorie umschlug, sobald Jan Delays Gesang einsetzte. So ein fettes und beeindruckendes Opening haben wir sehr lange nicht gesehen.
Der Wow-Effekt war von Anfang an da und verging bis zum letzten Moment der Zugabe auch nicht mehr. Das wäre auch gar nicht möglich gewesen, denn der 45-jährige und die Band hatten eine ganze Menge mit den Zuschauer*innen vor. So bestanden die einzigen Zwischenansagen des Sängers aus der musikalischen Reise auf die sich die Hamburger*innen begeben sollten. Für das Konzert war es erforderlich den reservierten und vielleicht manchmal unterkühlten und zurückhaltenden Hanseat*in an die Garderobe zu hängen und sich gedanklich ins warme Südeuropa zu begeben. Das Ziel war somit klar definiert und los ging es Richtung München mit den ersten Songs. Bereits innerhalb der ersten vier Songs „Intro“, „Klar“, „Spass“ und „Türlich, Türlich“ zeigte sich die Raffinesse der Setlist. Sie vereinte spielende Klassiker und die Songs des neuen Albums, ohne dass es einen harten Übergang gegeben hätte. Es fügte sich nahtlos optimal aneinander, sodass einfach das gesamte Programm durchgepowert wurde.
Natürlich wurde dieser Fakt ebenfalls bedacht, sodass längere Instrumentals den Sänger*innen eine Atempause ermöglichten. Weiter gehüpft und das Publikum animiert, es ihnen gleich zu tun, wurde selbstverständlich trotzdem. Denn auch die Choreografien saßen allesamt auf den Punkt und wurden teilweise ebenfalls ans Publikum weitergereicht. Somit kreierte Jan Delay scheinbar mühelos kleine Momente der crowd control, die nach Monaten der Isolation Balsam für die Seele und das Gemeinschaftsgefühl waren. Durch Mitsingmomente bei „Large“ schafften wir es damit währenddessen gedanklich in die bayerische Landeshauptstadt. Jetzt kam das härteste Stück Arbeit, um über die mentalen Alpen zu kommen. Aber es gab kein Verzagen, denn tatkräftige Unterstützung gab es von Hip-Hop-Kollege D-Flame, der Hamburg für ein kurzes Gastspiel besuchte.
Nach einem heißen Medley, in dem unter anderem „Ahnma“ angespielt wurde, stand sowieso niemand mehr still. Mit einigen weiteren Klatsch- und Tanzmoves ging es dann final über die Alpen. Richtung Mailand haben wir uns kurz ein bisschen verlaufen, während „Lächeln“ minimal vom Tempo ging. Also entstand eine kurze Verschnaufpause, um sich neu zu sortieren und entschlossen Richtung Westen auf der Karte gen Südfrankreich abzubiegen. Auf dem Weg dahin war es dann neben der unübersehbaren „Action“ Zeit die meisterhafte Band zu loben. Denn neben Jan standen drei Backgroundsängerinnen, ein Saxophonist, ein Posaunist, ein Trompeter, zwei Keyboarder, ein Gitarrist, ein Schlagzeuger und ein Bassist auf der Bühne. Alle Beteiligten leisteten grandiose Arbeit und lieferten immer auf den Punkt getimed ab.
Ab Marseille stand das große Finale an, welches vollkommen vergessen machte, dass man sich eigentlich auf einem Sitzkonzert mit Stühlen befand. Denn die wurden beim Hinsetzen zu „Feuer“, so wie es früher war, oder beim Stopptanzen zu „Freeze“ beziehungsweise „U can’t touch this“ gnadenlos ignoriert. Vom Feeling her befanden wir uns demnach 120 Minuten auf einem echten Konzert, welches uns und alle anderen aus den Socken haute. Die Must-haves Song wie „Oh Johnny“, „Eule“ oder „St. Pauli“ bildeten den fulminanten Abschluss, angekommen im gedanklichen Südspanien. Die Endorphine waren perfekt und der Applaus tobte vor Begeisterung.
Diese Show suchte definitiv ihresgleichen. Vom ersten bis zum letzten Moment war das Konzert wirklich perfekt, ohne angestrengt oder einstudiert zu wirken. Das Publikum, die Background-Sängerinnen und die Band wurden beispielhaft miteinbezogen und aufgelockert zum Tanzen gebracht. Die Setlist war genial ausgewählt und fehlerfrei umgesetzt. Jedes Lob hat diese Show dank ihrer unnachlässigen Power absolut verdient. Jan Delay & Die Disko Nr. 1 haben absolut alles richtig gemacht, sodass es von uns definitiv eine dicke Empfehlung für den nächsten Konzertbesuch gibt. Mit solchen Konzerten müssen die finsteren Zeiten wirklich nicht sein.
Fotocredit: Dirk Heyka