Alles andere als akustisch, wie die ersten Konzerte der Open-Air-Saison, ging es dafür am Mittwochabend bei der Pop-Sängerin Alice Merton im Hamburger Stadtpark zu. Hier konnte man die Musikerin samt ihrer Band am 04.08.2021 mit einer Menge unveröffentlichtem Material im Gepäck erleben.
Nach dem für unseren Geschmack heute etwas zu schrill ausgefallenem Voract der Wahl-Hamburgerin Maryam.fyi, eröffnete Alice Merton ihr Programm für den Abend direkt mit zwei der besagten Neuschöpfungen. In ihren Zwischenmoderationen, die sie gemäß ihrer eigenen Multinationalität in Englisch abhielt, erklärte die 27-jährige, dass sie aufgrund des Ausfalles der Touren des vergangenen und dieses Jahres massenhaft Zeit zum Schreiben neuer Songs hatte. Somit ebneten „Loveback“ und „Island“ den Einstieg in das insgesamt 15 Songs umfassende Set. Zudem konnten sich die Zuschauer*innen über die neuen Werke „Future“ sowie „Letting you know“ als Zugabe freuen. Wenngleich die Moderationen insgesamt eher knapp ausfielen, da die 15 Songs in nur 1h und 15 Minuten Spielzeit absolviert wurden, fand Alice besonders für den letzten Track sehr emotionale Worte.
Das letzte Mal hat sie die Hansestadt vor anderthalb Jahren gesehen, sodass man der Künstlerin die Freude wieder auf einer Hamburger Bühne zu stehen sichtlich anmerkte, auch wenn sie das regnerische Wetter hier nicht besonders mochte. Trotzdem versprühte die Künstlerin in ihrem neonorangenen, auffälligen Oberteil energiegeladen Begeisterung und forderte das Publikum beim dritten und sehr basslastigem Song „Trouble in paradise“ zum Tanzen auf. Denn schließlich sei ein Konzert von Alice Merton ausschließlich dafür gemacht. Die Besucher*innen kommen ihrer Aufforderung liebend gerne nach und bewegen sich ausgelassen am Platz.
Dabei konnte man ebenfalls bestaunen, wie grandios die Lieder komponiert wurden. Denn Alice‘ durchaus spezielle Stimme bestoch in den Arrangements mit der Band auf eine wunderbare Weise. Mit „Speak your mind“ kam es zu einem Rhythmuswechsel, der fast ein bisschen bedrohlich und unheilvoll wirkte. Dazu erzählte sie nach dem Lied auf den Punkt, dass sie eine Therapie gemacht hat, weil sie mit ihren Ängsten umgehen musste. Danach wollte sie einen Song schreiben, der sie daran erinnern sollte, dass sie stärker ist als ihre Ängste und mit dem sie sich selbst unbesiegbar fühlen wollte. Dieser nachfolgende Song war zugleich ihre letzte Single mit dem Titel „Vertigo“, zu Deutsch „Schwindel“. Diese teilweise autobiographischen Elemente und Einblicke, die sich immer wieder in ihrer Musik, aber auch diesem Konzert, finden ließen, sind eine der großen Stärken von Alice Merton, die sie authentisch und nahbar machten.
Im Vergleich dazu kam der nächste Song „Lash Out“ mit sattem Schlagzeug und Bass noch rockiger daher. Dazu gab es im Hintergrund der Bühne sechs Lichtsäulen, die dabei großartig in Szene gesetzt wurden. Zu dem nachfolgenden „Why so serious“ versuchte Alice ihre Energie auf das Publikum zu übertragen und feuerte es regelrecht an den Chorus noch lauter mitzusingen und sich selbst freien Lauf zu lassen. Schließlich waren dies die letzten drei Lieder vor der „german Nachtruhe“, die auch im Stadtpark um punkt 22 Uhr einsetzt. Ihr bisher bekanntester und erfolgreichster Song „Roots“ wird zum Ende der regulären Show regulär abgefeiert, bevor wie schon erwähnt, die Zugabe „Letting you know“ den Abend pünktlich schloß.
Insgesamt war es ein recht kurzweiliger Abend, der ziemlich schnell vorbeizog, sodass sich selbst Alice Merton fragte, ob sie einen Song vergessen hätten. Aber scheinbar vergeht die Zeit einfach schneller, wenn man einer begabten Künstlerin beim Musizieren beiwohnen durfte, wenngleich etwas mehr als eine Stunde nicht wirklich lang ist.
Fotocredits: Maike Keller