Er ist nicht weniger als ein Klavier- und Wortvirtuose und kann als Nachfolger des visionären Liedermachers Reinhard Mey gehandelt werden. Mit diesen Worten eröffnete Lokalmatador Ben Boles am Sonntagabend die Bühne des Lüneburger Kultursommers für den Klavierkabarettisten Bodo Wartke. Der 44-jährige hat in den folgenden Stunden bewiesen, dass er die großen Worte mit seinem Klavierkabarett zur Gänze ausfüllen kann. Immerhin zählt Mey auch zu einem seiner bedeutendsten Vorbilder.
Wie ebenfalls aus der Anmoderation zu erfahren war, startete das Konzert eher langsamer, um dann in die Vollen zu gehen, bevor es in einem emotionalen Finale mit sage und schreibe vier Zugaben gipfelte. Das Publikum im Lüneburg, welches während der Corona-Zeit so oft wie kein anderes Publikum von Bodo Wartke verwöhnt wurde, hörte sein viertes Klavierprogramm „Klaviersdelikte“ aus dem Jahre 2012. Das begann mit den „Problemen, die ich früher noch nie hatte“. Das Stück bewies jedoch direkt, dass es nichts von seiner Aktualität einbüßte und nicht auf dem Stand von 2012 stehenblieb. So zählt die Quarantäne zu den Problemen, die wir alle früher noch nie hatten. Trotzdem konnte man bei den zahlreichen Open-Air-Veranstaltungen, die für diesen Sommer wieder auf dem Programm stehen, ein Aufbäumen der Kultur- und Veranstaltungsbranche feststellen. So ist es erst Bodo Wartkes dritter Auftritt vor richtigen, echten Menschen dieses Jahr und man gewann zunehmend den Eindruck, dass das Mitklatschen wirklich die neue Art der Euphorie bei Konzerten werden könnte. Passend dazu riss auch noch der mit grauen Wolken bedeckte Himmel auf und zeigte sich von seiner strahlenden, blauen Seite.
Zu dieser angenehmen Picknick-Atmosphäre passte das meist heitere Programm sehr gut. Denn Herr Wartke verstand es auf eine höchst angenehme Art und Weise von den großen und kleinen Dingen des Lebens zu berichten. So erzählte das Programm von Heuschnupfen im Frühling, fehlender Werbung, Tanzen mit Constanze, Teenager zu sein, den wirren Musikvorstellungen der GEMA oder von dem Dauerbrenner Liebe. Die genannten Thematiken sind immer unter der Hauptfrage: „Was ist das Gute dran?“ zu verstehen, um eine positive Umdeutung im musikalischen Sinne vorzunehmen. Dabei griff der Musiker auf eine Vielzahl von Instrumenten und Stilen zurück. So begleitete sich der Multiinstrumentalist neben seinem mehr als begnadeten Klavierspiel auf der Ukulele, Mundharmonika oder Cajon selbst, während er sich Einflüssen wie Pop, Klassik, Blues oder Funk bediente. Dies alles geschah immer mit einem Augenzwinkern und Lächeln auf der Bühne. Währenddessen sang und tanzte der Kabarettist charmant, als ob es das Wort Corona nie in sein Vokabular geschafft hätte. Wenn Bodo Wartke in der einen Minute Chachacha tanzte, in der folgenden Sequenz überzeugend einen Untoten mimt, um im nächsten Lied so unglaublich wortgewandt und witzig eine Frühlingsballade ins Balladenmikrofon zu singen, entstand fast der Eindruck, dass dem Entertainer alles gelänge. Neben ein paar kleinen Versprechern offenbarte sich glücklicherweise dann doch eine Schwäche: er kann nicht pfeifen.
Wenngleich seine Eloquenz schon fast unheimlich sein konnte, ist das Programm um und mit Bodo Wartke vor allem unglaublich menschlich und humoristisch. Nach einem unglaublich emotionalen Finale mit „Christine“, erhielt der Sänger dafür von den Lüneburger*innen Standing Ovations. Dafür gab es als Zugabe eins seiner neuen Lockdownlieder, bevor die Zuschauer*innen Wünsche äußern durften, die nach Klassikern wie „Ja, Schatz“ oder „Liebeslied“ laut wurden. Dafür gab es mehr Applaus seitens des Publikums, welches Wartke seinerseits mit der Zugabe „Gangsta-Schlager“ quittierte, eine irrwitzige Mischung aus Schlager, in diesem Fall „Atemlos durch die Nacht“, und dem klassischen Jargon des Gangsta-Raps. Aber damit noch nicht genug, denn Lüneburg will mehr und der Entertainer gibt mehr, sodass Zugabe Nummer vier zu hören war. Thematisch passend stimmte Wartke ein Schlaflied auf der Melodie von Michael Jacksons „Bad“ an. Wer also bereits zum Anfang der Zugabe gegangen ist, hat dieses Mal einen schweren Fehler begangen, denn durch die Extralieder wurde das sowieso schon brillante Konzert noch einmal zeitlich verlängert und man hätte das Herzstück des Auftrittes verpasst. Wer einen wirklich schönen Abend, der sowohl zum Lachen als auch zum Nachdenken einlädt, verleben möchte, dem sei Bodo Wartke wärmsten ans Herz gelegt.
Wer sich nun auch für einen Auftritt des Kabarettisten interessiert: Am 26.08.2021 tritt Bodo Wartke mit seinem aktuellen Programm „Wandelmut“ in Hamburg bei Draussen im Grünen auf.
Fotocredit: Nele Martensen