Willkommen Zurück bei Draussen im Grünen. Wir schreiben das Jahr 2021, es ist immer noch Corona, das bedeutet, dass Sitzkonzerte im Open Air Modus immer noch angesagt sind. Dieses Jahr wurden die Konzerte der Unterhaltungsmusik im Hamburger Park Planten un Blomen von der Berliner Punk-Rock Band Milliarden eröffnet.
Wir sahen Zuschauer*innen einer Live-Open-Air-Show, welche auf ihren weißen Stühlen fröhlich mitwippten und mitklatschten. Gruppiert standen diese vor einer ebenfalls weißen, muschelförmigen Bühne im Freien. Die Szene sah aus wie aus dem ZDF Fernsehgarten. Nur, dass das Publikum einige Jahre unter dem Altersdurchschnitt des öffentlich-rechtlichen Formats gelegen haben dürfte. Und dass von der Bühne laute Rockmusik zu vernehmen war. Die Zeit mit Freitagabend stimmte auch nicht ganz. Vielleicht haben wir uns doch im Programm geirrt und sind nicht in der banalen Unterhaltungswelt des zweiten, deutschen Fernsehens gelandet, sondern sind doch bei dem Auftritt von Milliarden angekommen. Puh, gerade noch mal gut gegangen!
Aber die Szenen, die am Freitagabend in Hamburg zu beobachten waren, ähnelten dem wirklich schon ein bisschen. Spätestens als auch Keyboarder Johannes diesen Umstand ansprach und seinerseits noch einmal zum Mitklatschen animierte, bekam man das Bild kaum noch aus dem Kopf. Denn in der Hansestadt galt noch Tanzverbot, sodass die Fans auf die Sitzfläche ihres Stuhls beschränkt waren, um Milliarden zu feiern. Diese standen mit einer der ersten Gelegenheiten ihr im Februar erschienenes Album „Schuldig“ vor Live-Publikum zu präsentieren im Scheinwerferlicht. Bens Stimme kam im Musikpavillon akustisch gut herüber und wurde von den letzten Sonnenstrahlen des Tages begleitet. Sowohl Künstlern als auch dem Publikum war die Begeisterung von Anfang an anzumerken: Ben war bereits nach dem vierten Lied heiser, während es den Zuschauer*innen offensichtlich viel Überwindung abverlangte nicht aufzuspringen und ausgelassen zu tanzen. Auch wenn es natürlich wieder eine neue Umgebung war, konnten sich beide Seiten zunehmend daran gewöhnen und auf der Bühne wurde Ben immer ausgelassener und tobte umher. „Oh chérie“ zog dann die Zügel deutlich an und der Sound wurde rockiger im Vergleich zum Fernsehgarten-Mitklatschen von „Himmelblick“ zuvor. Kurz vor Ende des erstgenannten Liedes ging es dann in einen Break mit Johannes, der nun am Keyboard auf einmal den Snap-Hit „Rhythm is a dancer“ anstimmte, was für Begeisterungsstürme im Publikum sorgte. Die Euphorie konnte sich bis zum Ende des Sets auf beiden Seiten halten. So war Schlagezuger Findan eigentlich ununterbrochen am Lächeln. Zu „JaJaJa“ wackelten die weißen Sitzgelegenheiten ordentlich, bevor es dann bei den letzten drei Liedern („Freiheit ist ‘ne Hure“, „Die Gedanken sind frei“ und vor allem „Trenn dich“) quasi kein Halten mehr gab, sodass beim letzten Song auf das Tanzverbot gepfiffen wurde. Seitens der Band wurde die Musik sowieso zelebriert.
Getreu dem Motiv „LLLL“ des Albums sorgten die Beiden mit ihrer Band für laute, leise, langsame und losgelöste Momente. Bis auf „Ich schieß dir in dein Herz“ und das Interlude „LLLL“ konnten sich die Milliarden-Fans über jedes Lied der neuen Platte freuen. Dabei durften natürlich Klassiker wie „Berlin, Berlin“ inklusive Mittelfinger für die Hauptstadt, „Im Bett verhungern“ oder „Kokain und Himbeereis“ nicht fehlen, die insgesamt für einen abwechslungsreichen und schönen Abend mit Milliarden sorgten. Es war befreiend die Jungs nicht mehr in ihrem selbstgebauten kleinsten Club der Welt zu sehen, sondern wieder auf einer richtigen Bühne vor richtigen Menschen.
Fotocredit: Kevin Randy Emmers