2020 war so ein chaotisches Jahr. Doch es hatte auch viele positive Seiten: Viele Künstler haben sich in ihr Studio verkrochen, um Songs für ihre neuen Alben zu schreiben. So auch die vier Münchener Jungs von Blackout Problems. 2020 haben sie viel geschafft und viel erlebt. Im Interview mit uns verrät euch Gitarrist Moritz, welche wunderbaren Projekte die Band im vergangenen Jahr auf die Beine gestellt hat, warum wir mehr aufeinander Acht geben sollten und warum Corona im vergangenen Jahr nicht nur Schlechtes mit sich brachte.
Frontstage: Das Wichtigste vorweg: Wie hast du es geschafft, bei Blackout Problems vom Mercher zum festen Bandmitglied aufzusteigen?
Moritz: 2008 sind sich die Jungs und ich uns das erste Mal über den Weg gelaufen. Damals haben die Blackys auf einem Contest in Salzburg gespielt, auf dem ich mit meiner anderen Band auch gespielt habe. Und so haben wir uns vor 13 Jahren kennengelernt und sind seitdem immer in Kontakt geblieben. Meine damalige Band First Class Ticket und die Blackout Problems sind irgendwann dazu übergegangen, sich die Gigs gegenseitig zuzuschieben: Wir spielten bei denen und die spielten bei uns. Irgendwann habe ich die Jungs gefragt, ob ich nicht öfter mitfahren darf, um einfach unterwegs zu sein. Da sie damals noch keine wirkliche Crew hatten, war ich dann irgendwann für den Merch zuständig. Immer mal wieder haben wir darüber gesprochen, ob die Blackys nicht eine zweite Gitarre bräuchten. Bei einem Konzert kamen sie auf mich zu und fragten, ob ich anstelle von Mario nicht diesen einen Song am Ende spielen wollen würde. Irgendwann schlich sich diese zweite Gitarre wie selbstverständlich in die Songs und ich war einfach mit dabei. Das stieg ich vom Mercher zum Gitarristen auf. Ich habe meinen Job total gern gemacht, aber irgendwie stimmte meine Kasse nie. Vielleicht dachten die Blackys sich deshalb, mich lieber an die Gitarre zu stellen, damit ich die Finanzen nicht länger durcheinanderbringe. (lacht)
Frontstage: Endlich ist das Chaosjahr 2020 vorbei! Wenn du es mal Revue passieren lässt, wie war es für dich und die Band?
Moritz: 2021 ging so los, wie wir 2020 aufgehört haben: mit Livekonzerten. Als Live-Band spielen wir zwischen 70 und 90 Konzerte im Jahr. 2019 haben wir an Weihnachten eine große Europatour beendet, kamen zurück aus Schweden und hatten zwei Wochen Pause, bis die Konzerte wieder los gingen und die TR!P TOUR – unsere erste eigene Europatour – startete. Während der Tour haben wir in 13 verschiedenen Städten gespielt. Als wir im Februar in Prag spielten, haben wir gemerkt, dass Corona immer näherkommt. Als Leute auf mich zu kamen und mich auf den Kopf küssten, fragte ich mich was wäre, wenn ich Corona hätte. Es war echt weird, dass man anfing, sich darüber Gedanken zu machen. Eine Woche nachdem wir die Tour beendeten, wurde der erste Lockdown angekündigt und Konzerte abgesagt. Wir haben aber nie aufgehört zu schreiben. Der Lockdown war einerseits ganz gut, weil wir Zeit hatten, mal ein bisschen durchzuatmen. Zum anderen konnten wir uns so unserem neuen Album „Dark“ widmen und es nach zwei Jahren Arbeit endlich finalisieren. Das Problem war nur, dass wir uns nicht sehen durften und unsere Songs zu Hause selbst einübten mussten. Nächtelang saß ich an meinem Rechner und habe die fehlenden Gitarrenlicks eingeübt und für die Songs geprobt.
Frontstage: Tut es nach so viel Trubel dann nicht auch mal gut, sich eine Auszeit zu nehmen?
Moritz: Seit 2016 haben wir knapp 300 Konzerte gespielt und waren immer auf der Straße. Klar, dass da das Privatleben schon in manchen Momenten mal zu kurz kommt. Durch die Lockerungen im Sommer hatte ich endlich mal wieder Zeit, mich meinen Freunden und meiner Familie zu widmen. Und das tat echt gut. Wir alle haben damit gerechnet, dass wir schneller wieder live spielen dürfen. Dass Corona auch 2021 noch ein Thema ist, hätten wir alle nicht gedacht. Auch wenn die Regelungen nerven und wir endlich wieder auf die Bühne wollen, haben wir vollstes Verständnis für die Maßnahmen. Auch wir hatten schon Menschen in unserem Umfeld, die an Corona erkrankten und die damit sehr zu kämpfen hatten. Deshalb sollte Corona auf gar keinen Fall auf die leichte Schulter genommen und schon gar nicht runtergespielt werden.
Frontstage: Hättet ihr euch jemals erträumen lassen, euer Album als Online-Release vorzustellen?
Moritz: Natürlich haben wir uns das Release unseres Albums anders vorgestellt. Wir würden auch lieber in Städte fahren, Konzerte spielen und den Menschen da draußen ganz stolz unser neues Album präsentieren. Aber das Wohl aller hat einfach Priorität und wir als Band fühlen uns da einfach in der Verantwortung. Dafür haben wir in den vergangenen Tagen zwei Release-Konzerte aufgezeichnet, damit trotz Lockdown ein bisschen Live-Feeling aufkommt.
Frontstage: Aber damit ja nicht genug. In der freien Zeit habt ihr ja noch mehr auf die Beine gestellt als nur das Album zu veröffentlichen.
Moritz: Genau. Unter anderem haben wir die Zeit genutzt, um Musikvideos zu produzieren. Wer schon mal Videos produziert hat, weiß, welchen Rattenschwanz der Dreh von Videos mit sich bringt. Dieser Prozess bedarf viel Vorbereitung: Wir brauchten Locations, Schauspieler und wollten einfach was ganz Tolles daraus machen. Deshalb haben wir uns in der Zeit, in der wir nicht spielen konnten, der Produktion von Musikvideos gewidmet. Währenddessen haben wir uns mit unserem Freund Paul Ambrusch noch einer Dokumentation über den Entstehungsprozess unseres Albums gewidmet. Wir wollten zeigen, welche kreativen Prozesse und inspirierenden Momente dazu führten, die Songs zu schreiben, die wir geschrieben haben. Heraus kam ein Film mit sage und schreibe 57 Minuten Material. Als wir gesagt haben, dass wir diese Doku machen, hätten wir nie gedacht, dass es so ein riesiges Projekt wird. Ich kriege schon Gänsehaut, wenn ich daran denke. Ich habe es mir vor kurzem erst wieder angeguckt und bin einfach begeistert von so einem tollen Produkt.
Frontstage: Eure Dokumentation „Dark Days“ habt ihr auf Englisch gedreht. Wie kam es dazu?
Moritz: Gute Frage. (lacht) Die Doku auf Englisch zu machen, war eine kleine Herausforderung, aber wir haben uns für diesen Weg entschieden, weil wir in den letzten Jahren angefangen haben, im Ausland zu spielen und auch Leute erreichen möchten, die nicht nur Deutsch reden. Mit der Arbeit an der Platte begeben wir uns auf ein ganz neues Terrain: Wir führen Interviews in ganz Europa – ob Finnland, Italien, Schweden, Spanien oder Frankreich. Deshalb war uns wichtig, dass nicht nur der Frontmann Interviews gibt, sondern jeder von uns. Denn jeder von uns hat etwas zu sagen. Und die Doku ist eine Story von vier Typen, die von jedem verstanden werden sollte. Deshalb war klar, dass wir „Dark Days“ auf Englisch drehen.
Frontstage: Wie kamt ihr überhaupt dazu, eine Dokumentation über euer Album zu drehen?
Moritz: Unser aktuelles Album ist keins, das man einfach so nebenbei hört. Es ist ein Album, auf dem man viel entdecken kann, über das man nachdenkt und ins Grübeln kommt. Es ist eins mit starken Texten und starken Botschaften. Deshalb wollten wir in unserer Dokumentation zeigen, welche Hintergründe wir hatten, solche Zeilen zu schreiben. Fridays For Future war einer unserer Beweggründe. Junge Menschen gehen auf die Straße und protestieren für ihre Zukunft; denn sie haben Angst um ihre Zukunft. Und das imponiert uns ganz, ganz arg. Als ich in dem Alter war, bin ich nicht auf die Straße gegangen. Ich hatte da einfach keinen Bezug zu und ganz andere Dinge im Kopf. Dieses sozialkritische Denken entwickelt sich mit der Zeit. Als wir begannen, an dem Album zu schreiben, hatten wir kein thematisches Ziel. In den letzten Jahren hatten wir viel Zeit, uns untereinander auszutauschen und über Dinge zu reden, die uns beschäftigen. Dass dann solche Zeilen wie bei „Murderer“ entstehen – „The best politician is a dead one“ – liegt daran, dass uns das bewegt, was da draußen abgeht. Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, was in der Welt gerade vorgeht. Klar gehören da auch Dinge wie Black Lifes Matter-Demos, Fridays For Future oder Extinction Rebellion zu.
Natürlich gehen wir da mit, weil wir solidarische Menschen sind und kein Bock auf Ungerechtigkeiten haben. Die Welt braucht Liebe und keine Patrioten. Patriotismus macht die Welt zu keinem besseren Ort. Vielleicht macht es für Menschen Sinn, die in ihrem eingezäunten Denken und in ihrem eingezäunten Staat leben, weil sie für ihre eigenen Ideologien einstehen. Aber warum nicht lieber ein Weltpatriot sein, der stolz auf dieses Wunder namens Natur ist und das harmonische Miteinander der Menschen zelebriert? Wir sind keine politische Band. Wir sind eher eine Band mit solidarischer Einstellung und einem gewissen Werteverständnis. Wir sind keine Band, die Aktivismus betreibt, sondern einfach nur vier Typen, die Mucke machen und das, was sie beschäftigt, auf Platte bringen. Und da gehört die Welt generell einfach dazu. Das Album hat viele Facetten. Natürlich hat sie kritische Seiten. Genauso hat sie aber auch Songs wie „Seven“, „Fireman“ oder „Brother“, die persönlich und autobiografisch sind und die mit Awareness nichts zu tun haben.
Frontstage: Findet ihr es wichtig, als Band die Möglichkeit zu haben, ein Multiplikator sein zu können?
Moritz: Schön, dass du darauf zu sprechen kommst. Ich glaube, es bleibt jeder Band selbst überlassen, wie sie mit ihrer Reichweite umgeht. Natürlich kann eine Band auch einfach nur aus vier Typen bestehen, die ihre Mucke machen und über gute Zeiten singen. Die Art wie wir schreiben, ist einfach aus einem natürlichen Prozess heraus entstanden. In irgendeiner Art möchten wir den Leuten erzählen, was uns umtreibt. Unser Publikum und unsere Stammhörer begleiten uns schon eine ganze Zeit und es ist immer wieder schön zu sehen, dass sie verstehen was es heißt, wenn wir sagen „Respect and love for everybody“. Es ist ein schönes Gefühl. Ich würde es aber nicht als Aufgabe von Künstlern sehen, dass sie diese Message vermitteln müssen. Wir können so viel sagen. Wenn es aber am Ende nicht ehrlich ist und wir es nur tun, um irgendeinem Ideal zu entsprechen, ist das auch falsch. Es passiert gerade so viel auf der Welt, das wir verarbeiten müssen. Wir für uns haben einen Weg gefunden, unsere Meinungen und Gedanken der Welt und unseren Hörern mitzuteilen: mit unserer Musik und unseren Texten.
Frontstage: Am 15. Januar habt ihr euer drittes Album „Dark“ veröffentlicht. In eurer Doku zeigt ihr eine Sequenz, in der ihr zusammensitzt und euch überlegt, welche Tracks auf das neue Album kommen. 13 Songs haben es geschafft. Landet der Rest jetzt in der Tonne?
Moritz: (lacht) Für das Album haben wir zwischen 40 und 50 Demos geschrieben. Und 13 dieser Songs haben es schlussendlich auf unser Album geschafft. Die anderen Songs einfach hinten über fallen zu lassen, wäre viel zu schade gewesen. Einige Tracks haben wir deshalb verwendet, um damit eine Art Soundtrack für unsere Dokumentation zu schreiben. Doch auch danach hatten wir noch ziemlich viel Material, das viel zu gut ist, um es irgendwo vergammeln zu lassen. Deshalb haben wir uns überlegt, mit sechs weiteren Songs eine EP aufzunehmen und sie zusätzlich auf Platte pressen zu lassen. Und schon haben wir daraus eine tolle Deluxe Edition gezaubert. In den vergangenen Monaten so viel gemacht zu haben, ist wirklich abgefahren.
Frontstage: Was habt ihr aus dem Corona-Jahr mitgenommen, in dem ihr keine Konzerte spielen durftet, euch sozial distanzieren musstet und gezwungen wart, zu improvisieren?
Moritz: Ich habe mir 2020 auf die Fahne geschrieben, positiver zu denken und positiver zu bleiben. Dieses Mindset hat mich das Jahr über immer wieder begleitet und ziemlich gepusht. Es ist so viel schiefgegangen bei der Veröffentlichung unseres Albums, dass wir immer wieder mit allem ins Zweifeln kamen. Ich bin echt ein positiv eingestellter Mensch, aber manchmal sind Phasen und Tage dabei gewesen, in denen auch ich am liebsten den Kopf in den Sand gesteckt hätte. Aus dieser Zeit haben wir mitgenommen, dass man Dinge schaffen kann, wenn man sie wirklich verfolgt und an sich glaubt.
Wir sind vier Typen, die das Ziel hatten, ihr drittes Album auf den Weg zu bringen. Wir haben die Dokumentation und unsere Musikvideos gedreht, Interviews geführt und „Dark“ veröffentlicht – wir haben all das gemeistert. Wenn man an sich glaubt, weitermacht, auch wenn es mal schwierig ist, dann kann man alles schaffen, was man möchte. Auch wenn der Horizont noch so dunkel ist, muss man in diesen Zeiten positiv bleiben. Die Zeit gerade neigt ganz stark dazu, dass wir depressiv werden. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, auf sich und seine Mitmenschen zu schauen und nicht den Mut zu verlieren, wenn es mal schwierig wird. Sich in diesen Momenten Hilfe zu holen, ist keine Schwäche, sondern eine Stärke. Und genau das haben wir aus dieser schwierigen Zeit besonders mitgenommen und es hat uns gestärkt.
Frontstage: In 2020 habt ihr total viel erlebt: Ihr habt an einer tollen Platte gearbeitet, die ihr nun auch veröffentlicht habt, ihr habt viele Pannen erlebt, mit denen ihr umgehen musstet und ihr habt viel umdisponieren müssen: Was ist euer ganz persönlicher Plan für dieses Jahr?
Moritz: Unser Nummer-Eins-Plan für dieses Jahr war das Album und alles was dazu gehört: Die Promo, die Doku, die Musikvideos und das Release. In nächster Zeit werden Singles kommen; eine davon steht auch schon in den Startlöschern mit einem anderen Künstler. Wenn wir die Möglichkeit haben, im Sommer bestuhlt zu spielen, möchten wir in diesem Jahr auf jeden Fall zurück auf die Bühne!
Und last but not least…
3 Wunderfragen an Blackout Problems
Frontstage: Wenn ihr die Zeit um ein Jahr zurückdrehen könntet, dann…
Moritz: …hätten wir vermutlich dasselbe Album geschrieben, dass wir jetzt geschrieben haben.
Frontstage: Wenn ihr einen Wunsch frei hättet, dann…
Moritz: …hätte die Welt keine Grenzen, sondern wäre ein freierer Ort als der, der er jetzt ist.
Frontstage: Wenn 30 Sekunden Zeit hättet, um der gesamten Menschheit eine Nachricht zu überbringen, dann…
Moritz: …wäre es eine Bitte: Achtet auf den Planeten, schützt dieses verrückte Wunder namens Natur und zerstört sie nicht. Seid lieb zueinander und unterstützt euch gegenseitig.
Fotocredit: Moe Schinn