Wieder einmal ist es ein x-beliebiger Samstagabend. Heute geht es noch zum Konzert, das bedeutet die alltäglichen Aufgaben des Samstags möglichst schnell erledigen, damit man sich abends in Ruhe fertig machen kann. Duschen, schminken und vielleicht einigermaßen hübsch anziehen, ganz nach Lust und Laune. Wenn das Ergebnis stimmt, geht es auf den Weg in die Stadt. Normalerweise.
Weil aber in diesem Jahr wirklich nichts normal ist, sitzt man am Samstagabend ungeschminkt in Jogginghose vor dem Laptop und freut sich auf die Illusion von Live-Musik und ein bisschen Realität. Dafür sind heute die Jungs von Mayday Parade zuständig, die sich auf das Medium Livestream, welches durch die Corona-Krise seine Renaissance feiert, stürzen. Weil durch die Pandemie auch die Nordamerikatour der Band aus Tallahassee, Florida ausfiel, entschloss sich das Quintett dazu ihr erfolgreiches, zweites Studioalbum „Anywhere But Here“ in voller Länge in einem Livestream zu präsentieren. Immerhin war es vor elf Jahren das erste Album der Band, das es in die Billboard-Charts geschafft hat.
Dahingehend wird es keine Überraschungen in der Setlist geben, weil sich die Gruppe an ihr Versprechen hält, und alle elf Songs des Albums ausspielt. Somit bleibt eigentlich nur die Aufmachung des Projektes spannend. Und man kann sagen, dass die technische Umsetzung gelungen ist. Bild- und Tonaufnahmen sind nicht verzerrt und werden klar und, mit kleinen Ausnahmen, zumeist flüssig übertragen. Immerhin ist es ein weiter Weg über den Atlantik, sodass ein paar Hackler im Buffering und sechs Stunden Zeitverschiebung verzeihlich sind. Jedoch sollte man nicht mehrere internetfähige Geräte zur gleichen Zeit nutzen, denn zumindest die Internetverbindung unserer Redakteurin schafft das nicht.
Die „Story“ ist ebenfalls gut durchdacht. Die Aufnahmen starten mit Einblicken in das Backstage-Geschehen vor dem Auftritt und man begleitet die Jungs quasi auf die Bühne. Dann gibt es alle Lieder unterbrochen von zwei kurzen Filmchen. Im ersten geht es um Zurückweisung, Herzschmerz und alle anderen Dinge, wieso man Mayday Parade gerne hört. Musikalisch war der allererste Song „Kids in love“ etwas schwierig und es wirkte so, als ob die Band erst einmal in die ungewohnte Umgebung ohne Publikum hereinfinden müsste. Schließlich ist es wirklich traurig mit anzusehen, wie Frontsänger Derek begeistert zu den imaginären Zuschauer*innnen ruft und die Antwort ausbleibt. Vor den Bildschirmen muss jede*r für sich die eigene Party sein. Die beginnt unserer Meinung nach übrigens mit „Save Your Heart“. Dieser Song schafft es wirklich über die digitale Entfernung ein Gefühl zu transportieren, dass einem ganz warm wird. Dieses Gefühl lässt einen die Musik aufdrehen und auch mit dem nächsten wieder powervolleren Song „Get Up“ mitfiebern. Die Nachbarn werden sich freuen, schließlich ist es mittlerweile halb eins in der Nacht, aber das ist für einen wundervolles Lied lang egal. Egal, was 2020 alles passiert ist und egal, was noch kommt. Wichtig war in diesem Moment, wie es sein sollte, nur die Musik. Und das haben Mayday Parade in ihrem einstündigen Live-Stream auf jeden Fall erfüllt.
Mein Fazit
Obgleich ein Livestream niemals ein richtiges Konzert mit echten Menschen ersetzen kann, macht es wirklich Spaß der Band zuzuschauen, und das Konzept mit den Filmchen und einem kurzen Interview am Ende kann überzeugen. Das Erlebnis gibt es übrigens für 12 Dollar zu genießen und man kann sich das ganze 48 Stunden danach noch einmal anschauen. Und das werden wir absolut gerne machen. Mayday Parade haben einen weiteren Samstag ohne ein kulturelles Nachtleben auf jeden Fall verbessert.
Fotocredit: Guadalupe-Bustos